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MieterEcho 381 / Juni 2016

Deutsche Wohnen stresst Mieter/innen

Verkaufen, modernisieren, neuvermieten, abreißen – die Verwertungen des Immobilienkonzerns bedeuten Stress für die einen, Rendite für die anderen

Von Hermann Werle                                   

 

Aus der feindlichen Übernahme des Berliner Immobilienkonzerns Deutsche Wohnen AG (DW) durch den Platzhirsch der Branche Vonovia ist nichts geworden. Für die Berliner DW-Mieter/innen bedeutet das jedoch keine Entwarnung, denn auch ohne diese Megafusion betreibt der Konzern eine aggressive Geschäftspolitik. Eine Reihe von Mieterversammlungen signalisieren, dass das Geschäftsgebaren keinesfalls auf Gegenliebe stößt.                                    


Schon seit einigen Jahren macht das Management der DW deutlich, dass Mietpreisregulierungen wie der Berliner Mietspiegel nicht im Sinne ihrer Verwertungsabsichten sind. Dass sich mit diesem Mietspiegel trotzdem Gewinn erzielen lässt, beschreibt der Geschäftsbericht des Konzerns für 2015. Insbesondere „Effekte aus dem Berliner Mietspiegel“ hätten „2015 ein überdurchschnittliches Mietwachstum“ ermöglicht. Die DW konnte in ihren Berliner Beständen die Mieten um 4% von durchschnittlich 5,71 Euro/qm in 2014 auf 5,94 Euro/qm in 2015 anheben. Wie lukrativ es ist, vorhandene Mieter/innen bzw. alte Mietverträge durch neue zu ersetzen, belegen die Neuvertragsmieten. Diese lagen im Durchschnitt bei 7,01 Euro/qm und damit annähernd 20% über den Bestandsmieten. Dazu stellt der Geschäftsbericht fest, dass die Mietpreisbremse „bisher nur einen leichten Einfluss auf die Neuvertragsmiete“ hatte.    Die Ausführungen des Berichts beziehen sich auf das sogenannte Core+-Segment der DW, das besonders dynamische Märkte „in wachstumsstarken Ballungszentren und Metropolen“ umfasst. Der Bestand der DW im Großraum Berlin mit annähernd 107.000 Wohnungen liegt komplett in diesem höchst profitablen Bereich. Der angespannte Wohnungsmarkt kommt den Investoren dabei zugute. „Das Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage“, wie es im Geschäftsbericht heißt, „führt konsequenterweise zu steigenden Miet- und Kaufpreisen“ sowie zu einer weiter sinkenden Leerstandquote, die sich bei der DW von bereits niedrigen 1,7% auf 1,5% in 2015 verringerte.             

Um die Core+-Wohnungen optimal zu verwerten, unterteilt die DW ihre Bestände in drei verschiedene Kategorien bzw. „Handlungsfelder“: „Bewirtschaften“, „Entwickeln“ und „Verkaufen“. Den weitaus größten Teil nimmt der Bereich der Bewirtschaftung ein. Mit diesem Bestand, so der Geschäftsbericht, generiert das Unternehmen „signifikante Mieteinnahmen und Wertzuwachs ohne nennenswerte Investitionen“. Hier bemüht sich die DW um Neuvermietungen und die „Realisierung von Mietpotenzialen entsprechend den Marktmieten“.      

 

Politische Verantwortung        

Rund 10% der Wohnungen gehören in das Segment „Verkaufen“. Ein solcher Bestand, bestehend aus ehemals bundeseigenen Eisenbahnerwohnungen, befindet sich in Lichtenberg. Dort diskutierten die Mieter/innen auf einer von aktiven Mitgliedern der Berliner MieterGemeinschaft einberufenen Versammlung über die Folgen der geplanten Umwandlung ihrer Wohnungen in Eigentumswohnungen. Wenngleich der Kündigungsschutz für zehn Jahre Sicherheit verspricht, ist die Verunsicherung groß. Viele Mieter/innen fürchten um ihre Wohnung und können schwerlich einschätzen, was passiert, wenn die zehn Jahre vorüber sind. Nur wenige Mieter/innen, nämlich lediglich die ehemaligen Mitarbeiter/innen der Bahn, verfügen über ein dauerhaftes Wohnrecht, das vor 16 Jahren bei der damaligen Privatisierung der Eisenbahn-Wohnungsgesellschaft zugesichert wurde. Die Gruppe der aktiven Lichtenberger Mieter/innen sehen die Verantwortung für die unsichere Situation bei der Politik, die ihrer Verpflichtung für das Gemeinwohl schon lange nicht mehr nachkommt. Diese Einschätzung ist zutreffend. Anhand der Lichtenberger Wohnungen lassen sich die Privatisierungssünden der letzten Jahrzehnte exemplarisch nachvollziehen und sie illustrieren zudem die willfährige Politik auf Bundes- wie auf Landesebene gegenüber den Akteuren der Finanzbranche. Die ehemals bundeseigenen Eisenbahnerwohnungen gingen 2006 in das Eigentum der Gehag über. Diese vormals ebenfalls in öffentlichem Eigentum befindliche Wohnungsbaugesellschaft war bereits 1998 privatisiert worden. 2007 übernahm die DW, die 1998 als Tochtergesellschaft der Deutschen Bank gegründet worden war, den gesamten Bestand der Eisenbahner- und der Gehag-Wohnungen. Nachdem im Jahr 2013 die DW die 2004 vom rot-roten Senat privatisierte GSW gekauft hatte, wurde sie zum größten Immobilienkonzern Berlins.            

 

Modernisierung für die Rendite    

Im Wohnungssegment „Entwickeln“ verfolgt der Konzern die Strategie umfangreicher Modernisierungsmaßnahmen, um damit „weitere bedeutende Wertpotenziale realisieren und damit eine hohe Rendite erwirtschaften“ zu können. Bis 2018 will die DW über 280 Millionen Euro in die Modernisierung einzelner Bestände investieren. Über 200 Millionen sind für Berlin vorgesehen und dabei unter anderem für die Instandhaltung und Modernisierung von rund 3.000 Wohnungen in der Spring- und der Otto-Suhr-Siedlung in Kreuzberg. Aus diesem Anlass trafen sich Anfang des Jahres über zweihundert Mieter/innen, um sich über ihre Rechte aufzuklären und Gegenstrategien zu diskutieren. Die geplante energetische Modernisierung würde mitunter Mieterhöhungen von 30% nach sich ziehen, wobei insbesondere die Fassadendämmung auf großes Unverständnis stößt, da die Fassaden erst vor wenigen Jahren saniert worden waren und keinerlei Schäden vorweisen. Viele Mieter/innen sind erbost über die Aussicht, über ein Jahr lang auf einer Baustelle leben zu müssen und befürchten zudem, die Miete bald nicht mehr bezahlen zu können. Dass sich die DW weniger Sorgen um die Ängste der Mieter/innen als um die Erwartungen der Aktienhalter macht, verdeutlicht der Geschäftsbericht, der damit wirbt, dass Modernisierungen in Core+-Regionen „ein Potenzial von über 31% für höhere Mieteinnahmen“ mit sich bringen.    Um möglichen Widerstand bereits im Vorfeld geplanter Maßnahmen einzudämmen, setzt die DW auf Kommunikation. So veranstaltet das Unternehmen Mieterversammlungen, richtet temporäre Informationsbüros ein und für ein Projekt, so der Geschäftsbericht, „wird es 2016 erstmals eine Mietersprechstunde geben“.        

                        

Abriss von Wohnungen geplant    

Noch weiter gedeiht der „Mieterservice“ der DW im Fall der Charlottenburger Siedlung Westend. Die über 200 in den 1950er Jahren errichteten Wohnungen dienten ursprünglich der Unterbringung von Familien britischer Soldaten und sollen einem Neubauprojekt mit rund 500 Wohnungen weichen. Eine Sanierung des Bestands wäre nach Meinung der DW zu aufwendig und damit unwirtschaftlich. Mit dieser Begründung liegt der Immobilienkonzern im aktuellen Trend der Bau-Lobby, die den Abriss von 100.000 Wohnungen jährlich vorschlägt und durch Neubau ersetzen möchte (Seite 11). Ein Milliardengeschäft für die Bauwirtschaft und natürlich ebenso für die Immobilienwirtschaft, die vergleichsweise niedrige Bestandsmieten durch hohe Neubaumieten ersetzt sehen möchte. Diese Vermutung teilt auch ein großer Teil der Mieter/innen der Siedlung Westend, die keinesfalls ihre Wohnungen verlassen möchten. Um ihre Interessen durchzusetzen, rief die Nachbarschaft die „Bürgerinitiative für den Erhalt der Siedlung Westend“ ins Leben und führte im letzten Jahr eine umfangreiche Befragung durch. 91 der Befragten sprachen sich dabei gegen den Abriss und anschließenden Neubau aus, lediglich sechs stimmten dem Vorhaben zu. Noch mehr Mieter/innen fühlen sich nicht ausreichend informiert über die Neubaupläne und das, obwohl die DW beinahe mit allen Mietergespräche durchgeführt hatte. Diese Gespräche führten vielfach zu Verunsicherung, teilweise sogar zu Verängstigung, wie die Auswertung der Umfrage dokumentiert. Dabei gibt sich der Konzern alle Mühe, die Bewohner/innen zu überzeugen und hat neben den Gesprächsangeboten auch noch einen Internetblog eingerichtet, der „den aktuellen Stand der Bauplanung“ wiedergeben soll. Dort ist zu erfahren, dass die Planung der neuen Siedlung Westend eine Platin-Auszeichnung der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen erhalten hat (Seite 20). Wie hoch die Miete in den mit Platin veredelten Wohnungen sein wird, bleibt aber weiterhin das Geheimnis des Managements der DW. Weniger geheimnisumwittert ist der Gewinn, der 2015 aus dem Geschäft mit Wohnungen generiert wurde. Er lag mit 1,2 Milliarden Euro „gut ein Drittel über dem Vorjahr“, wie der Vorstand im März bekanntgab. Das „beste Jahresergebnis der Unternehmensgeschichte“.    

 

 

 


MieterEcho 381 / Juni 2016

Schlüsselbegriffe: Deutsche Wohnen, Vonovia, Neuvertragsmieten, Mietpreisbremse, Mietspiegel, Leerstandquote, Privatisierung, Eisenbahnerwohnungen, Gehag-Wohnungen, Modernisierung, Mieterhöhung, Fassadendämmung