Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 382 / August 2016

Der Wert des „Teilens“

Ob Airbnb oder Uber, Unternehmen der „Share Economy“ sind rasant wachsende Global Player

Von Rainer Balcerowiak    

                                                

Die „Share Economy“ ist auf dem Vormarsch. Unter der Flagge der nachhaltigen und effektiven Nutzung von Ressourcen wird „geteilt“ , was das Zeug hält. Doch was früher ein eher wenig beachtetes Nischendasein in „alternativen“ Milieus in Form von Tauschbörsen für Waren, Dienstleistungen und Übernachtungsmöglichkeiten führte, ist zu einem global agierenden, hochprofitablen Netzwerk mutiert, dessen Protagonisten ausgesprochen aggressiv gegen jegliche Form der Regulierung vorgehen.                                            


In zwei Branchen ist diese Entwicklung bereits weit fortgeschritten: bei der Vermittlung von temporären Unterkünften für Tourist/innen und bei innerstädtischen Personentransporten. Als Marktführer gelten dabei das Vermittlungsportal Airbnb und der Fahrdienstanbieter Uber. Beide Vermittlungsplattformen stehen nicht nur in Deutschland in direkter Konkurrenz zu regulären Unternehmen, die sie preislich mühelos unterbieten können. Während Taxiunternehmen und gewerbliche Fahrdienste in Bezug auf den Zustand der Fahrzeuge und die Qualifikation der Mitarbeiter/innen relativ streng reguliert und vor allem auch steuerlich erfasst sind, agieren Firmen der Share Economy wie Uber lediglich als Vermittler für Fahrten mit privaten PKW-Besitzer/innen und kassieren dafür eine Provision. Ähnlich verhält es sich im Beherbergungsgewerbe, wo die offiziellen Betriebe beispielsweise soziale Mindeststandards für ihre Beschäftigten und bauliche Auflagen einhalten müssen. Für alle direkt am Geschäft Beteiligten entsteht auf den ersten Blick eine klassische Win-win-Situation.

 

„Unter Umsatzgesichtspunkten ist der Berlin-Tourist nur ein Geldbeutel auf zwei Beinen.“ **

 

Die Vermittler verdienen prächtig mit ihren Provisionen, die Anbieter/innen erzielen ein mitunter beträchtliches Zubrot und die Kund/innen können sich über vergleichsweise günstige Preise für Transporte und Unterkünfte freuen. Da liegt es nahe, dass diese Geschäftsmodelle auch für Konzerne der „alten“ Ökonomie und für Finanz-investoren attraktiv werden. Vor ein paar Wochen wurde bekannt, dass der japanische Autohersteller Toyota beim Fahrdienstvermittler Uber einsteigt. Neben einer „strategischen Investition“ in nicht genannter Höhe (von einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag ist die Rede) wurde eine Zusammenarbeit etwa bei Leasing-Angeboten vereinbart. Außerdem sei der Austausch technischer Kenntnisse geplant, beispielsweise über selbstfahrende Autos, an denen beide Firmen arbeiten, hieß es in einer Mitteilung des Wirtschaftsdienstes Reuters.    Toyota steht dabei keineswegs alleine da. Auch der VW-Konzern setzt auf die Kooperation mit Online-Vermittlungsplattformen und investierte 300 Millionen Dollar in den Uber-Rivalen Gett. Bereits zuvor hatte, wenn auch in kleinerem Umfang, der US-Automobilkonzern General Motors, zu dem auch Opel gehört, seine Zusammenarbeit mit dem US-Fahrdienstanbieter Lyft bekanntgegeben.                                                        

Geschäftspartner Telekom und Springer        

Auch bei Airbnb stehen Investoren und potenzielle Partner Schlange. Die Deutsche Telekom hat mit dem 2008 in San Francisco gegründeten und seit 2011 in Deutschland aktiven Unternehmen eine umfassende Kooperation vereinbart. Dafür wurde eine App für Smartphones mit Betriebssystem Android entwickelt. Wer sich über eine spezielle Website erstmals bei Airbnb registriert, erhält einen Gutschein über 30 Euro für die erste Buchung einer Unterkunft. „Wir wollen unseren Kunden neue Produkte und Services näherbringen, die ihr Leben bereichern. Mit Airbnb bin ich als Reisender kein Fremder, sondern kann mich direkt zugehörig fühlen, weil ich zu Gast bei Gleichgesinnten bin. Das ist ein schöner Aspekt unseres Mottos ‚Erleben, was verbindet‘”, erklärte Michael Hagspihl, Geschäftsführer der Privatkundenabteilung Telekom Deutschland, in einer Pressemitteilung.                    

 

„Die Mieter sind vorwiegend ‚nachtaktiv‘, d. h. es ist laut (Partys bei gekippten Fenstern und sehr laute Unterhaltungen auf dem Balkon nach 22 Uhr). Sehr beliebt ist auch die Dachterrasse, wo nach Herzenslust gefeiert und in die Nachbarwohnungen geglotzt (auch fotografiert und gefilmt) wird, sowie gerne vom Dach gepinkelt.“ *

 

Auch das zum Axel-Springer-Konzern gehörende Internetportal „meinestadt.de“ hat eine Kooperationsvereinbarung mit Airbnb geschlossen. Das Unternehmen erklärte dazu: „Privatwohnungen, die Urlaubern im Internet zur Miete angeboten werden, liegen im Trend. Denn Privatunterkünfte sind oftmals nicht nur günstiger, sondern auch viel persönlicher als anonyme Hotelzimmer. Um auch Individualreisenden die passende Unterkunft bieten zu können, erweitert meinestadt.de daher gezielt sein touristisches Angebot. Urlauber können ab sofort private Zimmer oder komplette Wohnungen in ganz Deutschland für den nächsten Städte-Trip oder Strandurlaub über das Städteportal buchen. Dafür kooperiert meinestadt.de mit der weltweit bekanntesten Online-Plattform für Privatunterkünfte, Airbnb.“

 

„Ständiges Ein und Aus von ‚Unbekannten‘, in einer Gegend, wo ohnehin ständig in Aufgänge/Haus-flure(n) gepinkelt und auch hin und wieder gekackt und übernachtet wird. Fahrräder geklaut. Hin und wieder Party, d. h. bei offenen Fenstern werden Hinterhof und Nachbar/innen mitbeschallt.“ *

 

Die Kooperation umfasst auch die Akquise und Registrierung neuer Anbieter/innen von Privatquartieren. Für „meinestadt.de“ besonders attraktiv ist dabei die Vernetzung mit bereits existierenden Serviceangeboten des Portals wie die Buchung von Flugtickets, Fahrkarten oder touristischen und kulturellen Events in den jeweiligen Städten. Entsprechend zufrieden waren die beiden Protagonisten nach dem Abschluss des Deals. Jens Müffelmann, Leiter des Geschäftsführungsbereichs für elektronische Medien der Axel Springer AG erklärte: „Airbnb ist eines der spannendsten und dynamischsten Internet Start-ups aus dem Silicon Valley. Als Medienpartner werden wir Airbnb beim Ausbau der marktführenden Stellung unterstützen.“ Dazu Gunnar Froh, Country Manager Deutschland von Airbnb: „Der Umfang des Medienangebots von Axel Springer ist für uns extrem hilfreich, unsere Erfolgsgeschichte und unser Wachstum in Deutschland weiter fortzusetzen.“

                                

„Viele Billionen Dollar“                    

Für Airbnb ist das bislang Erreichte aber lediglich eine Zwischenetappe auf dem Weg zum „ganz großen Ding“ nach Apple, Google und Facebook. „Die Menschen wollen das, der Aufstieg ist nicht mehr aufzuhalten“, meinte Nathan Blecharczyk, Mitgründer, Mitbesitzer und Technischer Direktor des Unternehmens Airbnb im Interview mit dem Nachrichtenmagazin Spiegel. Das Unternehmen wolle in den kommenden Jahren noch weitere Bereiche für sich erschließen: „Essen, Transport und all die anderen Services rund ums Reisen werden künftig für uns eine Rolle spielen.“ Lokale Dienstleistungen wolle man künftig anbieten, in diversen Städten seien bereits Teams mit deren Entwicklung beschäftigt. Den globalen Markt für Übernachtungen beziffert der Manager auf ungefähr 500 bis 700 Milliarden Dollar, in der gesamten Tourismusindustrie gehe es aber „um viele Billionen Dollar“.              

 

„Dauernd wechselnde Gäste. Vermietung immer an mindestens 6, maximal 12 Personen (65 qm, 2-Raum-Wohnung). Lärm am Tag und besonders in der Nacht. Räum- und Lauflärm. Klingeln und Schließen an fremden Türen. Dreck im Treppenhaus und auf dem Hof. Die Gäste treten oft unhöflich bis aggressiv auf. Exzessiver Alkoholkonsum. Es werden Zigaretten und andere Gegenstände aus dem Fenster geworfen. Besonders die Lautstärke und die ständig wechselnden Personen sind unerträglich.“ *

 

Doch was für den Milliardär Blecharczyk und die anderen Profiteure dieses Geschäftsmodells ein Grund zum Jubeln ist, stellt sich touristisch stark frequentierte Metropolen wie Berlin als gravierendes Problem dar. Durch die massenhafte Zweckentfremdung von Wohnraum für die Vermietung an Feriengäste wird die ohnehin äußerst angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt zusätzlich verschärft. Doch dem vom Senat erlassenen Zweckentfremdungsverbot wollen sich Airbnb und andere große Vermittlungsplattformen wie Wimdu keinesfalls beugen. Obwohl die Übergangsfrist Ende April auslief, weigern sich die Unternehmen, die Daten der mutmaßlich größtenteils illegalen Anbieter/innen herauszugeben.

 

Airbnb

Das 2008 gegründete Unternehmen Airbnb mit Sitz in Kalifornien ist ein Online-Marktplatz zur Buchung und Vermietung von Unterkünften. Der ursprüngliche Name Airbedandbreakfast (englisch: Luftmatratze und Frühstück) wurde 2009 abgekürzt zu Airbnb. Die Geschäftsidee ist, dass (private) Vermieter ihr Zuhause oder einen Teil davon an Gäste vermieten, wofür Airbnb eine Online-Plattform zur Inserierung der Angebote zur Verfügung stellt. Für die Vermittlung ist eine Gebühr zu entrichten, wobei das Unternehmen selbst keine rechtlichen Verpflichtungen übernimmt. Nach eigenen Angaben verfügt die Homesharing-Plattform Airbnb über 60 Millionen registrierte Nutzer/innen und 2 Millionen Angebote in über 190 Ländern. Der Wert des Unternehmens wird auf etwa 25,5 Milliarden US-Dollar geschätzt. Zur Nutzung des Angebots ist eine Anmeldung bei Airbnb unter Angabe persönlicher Daten erforderlich. Die Anbieter/innen (Gastgeber/innen) beschreiben ihre Unterkunft mit Text und Fotos. Gastgeber/innen und Gäste können sich nach erfolgtem Aufenthalt gegenseitig bewerten. Airbnb steht in zahlreichen Ländern und Städten in der Kritik. Kritisiert werden vor allem die durch den Bettenvermittler geförderte Touristifizierung, die Verknappung der Wohnraumversorgung, die Belastung der Bevölkerung und Verstöße der Nutzer/innen gegen örtliche Gesetze und Verordnungen. In einigen Städten wie Berlin besteht zwischen den Kommunen und der Sharing-Plattform ein Konflikt, weil die Kommune die Herausgabe von Daten zu den Anbieter/innen verlangt und Airbnb diese verweigert. Airbnb-Anbieter/innen stellen außerdem eine Konkurrenz dar für das Beherbergungsgewerbe, das in der Regel Steuern abführt und Umsatzsteuer berechnen muss. „Private“ Anbieter/innen stehen im Verdacht, ihre Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht in ihrer Steuererklärung zu deklarieren. Auch führen sie vielerorts die Beherbergungssteuer (City Tax etc.) nicht ab. Weitere Kritik besteht darin, dass bei Auseinandersetzungen zwischen Anbieter/innen und Gästen kaum Ansprüche gegenüber Airbnb geltend gemacht werden können und Verbraucherschutzrechte unzureichend sind. Nicht zuletzt wird der Vermittlungsplattform das Sammeln und Verarbeiten von Daten sowie mangelhafter Datenschutz angelastet. Airbnb fordert umfangreiche persönliche Daten wie E-Mail-Adresse, Foto, Telefonnummer, ungeschwärzte Kopie von Personalausweis, Reisepass oder Führerschein, Zahlungsmittel (Kreditkarte, Paypal).

 

 

 

 

In dieser Angelegenheit ist mit langwierigen juristischen Auseinandersetzungen zu rechnen. Das gilt auch für die Versuche, das Zweckentfremdungsverbot als Ganzes zu kippen. Zwar wies das Verwaltungsgericht Berlin-Mitte am 8. Juni vier vom Vermittlungsportal Wimdu unterstützte Musterklagen von Anbieter/innen zurück, doch die Fälle gehen in die nächste Instanz und könnten laut der Klägeranwälte auch vor dem Bundesverfassungsgericht oder gar dem Europäischen Gerichtshof landen. (Mieter-Echo Nr. 380/ April 2016.)      

 

 

Share Economy gegen Regulierung            

Airbnb-Pressesprecher Julian Trautwein beruft sich dabei gerne auf „den Willen der Bürger“, die sich laut einer vom Unternehmen beauftragten „repräsentativen Umfrage“ mehrheitlich gegen Bußgelder für Anbieter/innen von Ferienwohnungen ausgesprochen hätten. An den Senat appellierte er im RBB, „neue klare Regeln für normale Leute, die ihr eigenes Zuhause teilen, zu schaffen“.                    

Auch der Fahrdienstanbieter Uber lässt nicht locker. Zwar ist dem Unternehmen die Vermittlung privater PKW-Fahrer/innen für Transporte mittlerweile in ganz Deutschland komplett untersagt worden, doch das Unternehmen bastelt nach eigenen Angaben an neuen Modellen in Kooperation mit Mietwagenverleihern und will gegen das Urteil zudem Berufung einlegen. „Das Verfahren hat keinerlei Einfluss auf unser Geschäft in Deutschland“, sagte ein Uber-Sprecher selbstbewusst.    Aus den eher belächelten Nischenunternehmen der „Share Economy“ haben sich längst global agierende, milliardenschwere Konzerne entwickelt. Sie sind angetreten, um noch vorhandenen politischen und sozialen Regulierungen den Garaus zu machen, und zwar weit über Ferienwohnungs- und Fahrdienstvermittlung hinaus. Wenn sie ihre Ziele erreichen, wird dies die soziale und politische Verfasstheit unserer Gesellschaft jedenfalls nachhaltig verändern.                                    

 

Share Economy gegen Regulierung   

Airbnb-Pressesprecher Julian Trautwein beruft sich dabei gerne auf „den Willen der Bürger“, die sich laut einer vom Unternehmen beauftragten „repräsentativen Umfrage“ mehrheitlich gegen Bußgelder für Anbieter/innen von Ferienwohnungen ausgesprochen hätten. An den Senat appellierte er im RBB, „neue klare Regeln für normale Leute, die ihr eigenes Zuhause teilen, zu schaffen“. Auch der Fahrdienstanbieter Uber lässt nicht locker. Zwar ist dem Unternehmen die Vermittlung privater PKW-Fahrer/innen für Transporte mittlerweile in ganz Deutschland komplett untersagt worden, doch das Unternehmen bastelt nach eigenen Angaben an neuen Modellen in Kooperation mit Mietwagenverleihern und will gegen das Urteil zudem Berufung einlegen. „Das Verfahren hat keinerlei Einfluss auf unser Geschäft in Deutschland“, sagte ein Uber-Sprecher selbstbewusst. Aus den eher belächelten Nischenunternehmen der „Share Economy“ haben sich längst global agierende, milliardenschwere Konzerne entwickelt. Sie sind angetreten, um noch vorhandenen politischen und sozialen Regulierungen den Garaus zu machen, und zwar weit über Ferienwohnungs- und Fahrdienstvermittlung hinaus. Wenn sie ihre Ziele erreichen, wird dies die soziale und politische Verfasstheit unserer Gesellschaft jedenfalls nachhaltig verändern.

 


MieterEcho 382 / August 2016

Schlüsselbegriffe: Airbnb, Uber, Share Economy, Global Player, Tauschbörsen für Waren, Dienstleistungen, Übernachtungsmöglichkeiten, Telekom, Springer, Zweckentfremdungsverbot, Ferienwohnungsvermittlung

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