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MieterEcho 377 / Oktober 2015

Simulierte Beteiligung

Eine Onlineplattform soll Bürger/innen in öffentliche Beteiligungsverfahren
einbinden, doch deren Beiträge bleiben unverbindlich

Von Benedict Ugarte Chacón                                

 

„Durch die Plattform sollen frühzeitige Beteiligungen gefördert, der öffentliche Diskurs und dadurch auch Qualität und Akzeptanz für Projekte und Entscheidungen geschaffen werden“ , betonte Ende August die für bürgerschaftliches Engagement zuständige Staatssekretärin Hella Dunger-Löper (SPD) zur Freischaltung der Onlineplattform „meinBerlin“ (https://mein.berlin.de). Laut dem Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick Oliver Igel (SPD), dessen Bezirk an der Erarbeitung der Plattform beteiligt war, könnten Bezirksämter und Bezirksverordnetenversammlungen nun schneller die Argumente von Bürger/innen aufnehmen. Auf der Website von „meinBerlin“ ist zu lesen, dass hier allen Interessierten eine „einfache Möglichkeit“ geboten werde, „einzusteigen und ihren Vorschlag, ihre Meinung, ihr Votum einzubringen“ .      

 

 

Künftig soll auf der Plattform, die neben dem Bezirk Treptow-Köpenick von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt sowie der Senatskanzlei erarbeitet wurde, eine Mitwirkung an allen öffentlichen Beteiligungsverfahren möglich sein. So können sich registrierte Nutzer/innen zum Beispiel über den „Masterplan“ zum Alexanderplatz, die Bebauungspläne für das Kulturforum und für den Humboldthafen oder den Bürgerhaushalt des Bezirks Treptow-Köpenick austauschen. Dabei könnten laut Senat Vorschläge zu Planungsvorhaben eingebracht, kommentiert und bewertet werden. Auch bestünde die Möglichkeit, Vorschläge zu ändern oder mit anderen zu verbinden. Betrieben wird die Plattform nicht vom Land Berlin selbst, sondern vom Verein Liquid Democracy, der seit einigen Jahren eine entsprechende Software entwickelt, die er selbst als „Betriebssystem für digitale Beteiligungsprozesse“ bezeichnet.                            

 

Keine Verbindlichkeit            

Allzu viel sollten sich engagierte Bürger/innen von der neuen Plattform allerdings nicht versprechen. Was in den Beschreibungen des Senats als „Beteiligung“ verkauft wird, ist bei näherem Hinsehen lediglich die Möglichkeit, seine Meinung zu bestimmten Planungen oder Vorhaben zu äußern. Ob und wie diese Äußerungen dann Vorhaben konkret beeinflussen werden, ist bislang nicht bekannt. Eine gesetzliche Grundlage, wie sich eine Beteiligung der Berliner/innen auf einer wie auch immer gestalteten Onlineplattform tatsächlich bindend für Senat und Bezirke auswirken könnte, ist schlicht nicht vorhanden. Und so muss sich „mein.Berlin“ die Unterstellung gefallen lassen, dass hier nur ein Demokratie-Placebo geschaffen wird, welches von der Verwaltung vielleicht ernst genommen wird, wenn es ihrer Linie entspricht, aber ansonsten dieselben Auswirkungen hat, wie eine herkömmliche Meinungsumfrage. Dass sich die Verbindlichkeit der auf „mein.Berlin“ stattfindenden Bürgerbeteiligung demnach in recht engen Grenzen halten soll, ist erstaunlich. Immerhin legte der zuständige Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) im Sommer gemeinsam mit Abgeordneten und Bezirksverordneten seiner Partei ein Arbeitspapier vor, welches bezüglich der Verbindlichkeit einer angedachten Bürgerbeteiligung zumindest tendenziell weiter geht als die von seiner Senatsverwaltung umgesetzte Onlineplattform. So solle laut dem Papier beispielsweise bei Bebauungsplänen die Verbindlichkeit durch ein neu zu schaffendes allgemeingültiges Ablaufschema gesteigert werden, das „transparent, vorhersehbar und verlässlich“ sein müsse. Sogar bei privaten Bauvorhaben solle der Bauherr künftig dafür gewonnen werden, eine verbindliche Beteiligung zuzulassen. Schließlich sollten bei künftigen Projekten und Bauvorhaben im Dialog „übergreifende Ziele“ entwickelt werden, die auch zu alternativen Lösungsvorschlägen führen könnten. Alle so entwickelten Varianten sollten dann zusammengeführt werden und „in die Entscheidungsprozesse von Verwaltung und Politik einfließen“. Die in seinem Arbeitspapier geschilderten Visionen neuer Beteiligungsformen hat der zuständige Senator offenbar nicht vermocht, bei „mein.Berlin“ durchzusetzen.

 

 


MieterEcho 377 / Oktober 2015

Schlüsselbegriffe: Onlineplattform, öffentliche Beteiligungsverfahren, Alexanderplatz, Kulturforum, Humboldthafen, Liquid Democracy, Demokratie-Placebo