Logo Berliner Mietergemeinschaft e.V.
MieterEcho 375 / Juli 2015

Mietpreisbremse und qualifizierte Rüge

Wie Mieter/innen gegen überhöhte Mieten vorgehen können

Von Rechtsanwalt Wilhelm Lodde                                

 

Zur Umsetzung der „Mietpreisbremse“ (MietNovG), die eine Begrenzung auf 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete bei Wiedervermietung vorsieht, erließ der Senat am 28. April 2015 die „Mietenbegrenzungsverordnung“ . Diese trat am 1. Juni 2015 in Kraft. Doch was ist zu tun, wenn der Mietvertrag für Ihre neue, dringend benötigte Wohnung in greifbare Nähe gerückt ist, aber der Blick in den aktuellen Mietspiegel 2015 zeigt, dass die verlangte Miete weit über der ortsüblichen Miete für diese Wohnung liegt? Unterschreiben oder nicht, das ist hier die Frage. Oder was ist – wenn Sie bereits unterschrieben haben – als Nächstes zu tun, wenn Sie eine nach dem MietNovG überhöhte Miete auf das zulässige Maß senken und überzahlte Mieten zurückverlangen wollen?      

                         
Überlegen Sie sehr sorgfältig, ob Sie einen Vertrag, der eine überhöhte Miete gemäß § 556 d Absatz 1 BGB vorsieht, wirklich unterschreiben wollen. Zum einen muss Ihnen klar sein, dass das neue Mietverhältnis von Anfang an mit einer juristischen Auseinandersetzung belastet sein wird, wenn Sie die Miethöhe im Nachhinein reduzieren wollen. Zum anderen kann eine Überschreitung der 10%-Grenze des § 556 d Absatz 1 BGB nicht in jedem Fall „einfach so“ korrigiert werden. Möglicherweise hat bereits der/die Vormieter/in eine überhöhte Miete gezahlt, und dann kann der Vermieter diese Miethöhe auch mit Ihnen wirksam vereinbaren. Oder es greift eine der vielen Ausnahmen (MieterEcho Nr. 372/ Februar 2015), sodass die Mietpreisbremse für diese Wohnung nicht gilt. Versuchen Sie vor einem Mietvertragsabschluss, sich einen Vertragsentwurf übermitteln zu lassen, oder zumindest, sich „Bedenkzeit“ auszubitten, damit Sie mit dem noch nicht unterschriebenen Vertrag eine Beratungsstelle aufsuchen können. Übertriebenes Drängen des Vermieters („jetzt oder gar nicht“) sollte Sie zumindest misstrauisch machen.                                    

Vorsicht Falle                 

Argwöhnisch werden sollten Sie auch, wenn der Vermieter neben der nach der Mietpreisbremse zulässigen Nettokaltmiete eine ungewöhnlich hohe Betriebskostenpauschale vereinbaren will, um damit „durch die Hintertür“ auf eine von ihm gewünschte höhere Gesamtmiete zu kommen. Bei einer Pauschale muss der Vermieter nämlich nicht über die tatsächlich angefallenen Betriebskosten abrechnen und Ihnen folglich auch kein Guthaben auszahlen. Anhaltspunkt für realistische Betriebskosten: Die 2013 durchschnittlich abgerechneten „kalten“ Betriebskosten betrugen 1,69 Euro/qm monatlich. Denkbar ist auch, dass der Vermieter über bestimmte Klauseln im Mietvertrag versucht, die Vorschriften der Mietpreisbremse „auszuhebeln“ wie beispielsweise: „Der Mieter muss eine Rüge spätestens bis zum … erheben“ oder „Rückforderungsansprüche verjähren spätestens ... nach Abschluss des Mietvertrags“. Allerdings ist in allen Vorschriften zur Mietpreisbremse ausdrücklich geregelt, dass solche zum Nachteil des Mieters vom Gesetz abweichende Vereinbarungen unwirksam sind.    
Achten Sie aber darauf, ob der Mietspiegel 2015 für die Wohnung, die Sie mieten wollen, überhaupt gilt. Falls nicht (unter anderem bei Wohnungen in Ein- oder Zweifamilienhäusern), werden Sie kaum in der Lage sein, eine qualifizierte Rüge mit der ortsüblichen Vergleichsmiete zu begründen. Dazu müssten Sie ein privates Sachverständigengutachten einholen, was im Hinblick auf die hohen Kosten und die Angreifbarkeit durch den Vermieter vor Gericht nur in den seltensten Fällen sinnvoll sein dürfte.                                 

Qualifizierte Rüge             

Wenn Sie am oder nach dem 1. Juni 2015 einen Mietvertrag unterschrieben haben und vermuten, dass die verlangte Miete überhöht sein könnte, gehen Sie bitte umgehend in eine unserer Beratungsstellen zur Vorbereitung einer qualifizierten Rüge, die Sie gegenüber dem Vermieter erheben müssen. Die Zeit arbeitet gegen Sie, denn erst ab Zugang dieser qualifizierten Rüge beim Vermieter können Sie für die Zeit danach eine Senkung der Miete bzw. die Rückzahlung überhöhter Miete verlangen und nötigenfalls gerichtlich durchsetzen. Rückwirkend ist dies nicht möglich. Es ist daher zu vermuten, dass manche Vermieter auch nach dem 1. Juni überhöhte Mieten vereinbaren, weil sie diese bis zur Rügeerhebung durch die Mieter/innen in jedem Fall behalten dürfen. Dabei muss der Vermieter keinerlei staatliche Sanktionen (Geldstrafe, Bußgeld) befürchten. Ihre Rüge muss „die Tatsachen enthalten, auf denen die Beanstandung der vereinbarten Miete beruht“ (§ 556 g Absatz 2 BGB). Konkret bedeutet das: Sie sollten dem Vermieter anhand des Mietspiegels und der Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung die nach Ihrer Auffassung für Ihre Wohnung ortsübliche Vergleichsmiete darlegen, das heißt vorrechnen (siehe dazu unser Musterschreiben). Kein Gericht wird von Ihnen verlangen, dass Sie dabei auf den Cent genau „richtig liegen“! Das Verfahren zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach dem Mietspiegel finden Sie im MieterEcho Nr. 374/ Mai 2015 oder in unserer Infoschrift Mieterhöhung. Verwechseln Sie aber nicht die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen im laufenden Mietverhältnis von 15% in drei Jahren mit der für die Mietpreisbremse einschlägigen 10%-Grenze. Nutzen Sie zur Ermittlung der für Ihre Wohnung ortsüblichen Vergleichsmiete auch die von der Berliner MieterGemeinschaft zur Verfügung gestellte Arbeitshilfe zur Überprüfung eines  Mieterhöhungsverlangens  gemäß § 558 BGB. Sie erhalten diese in der Geschäftsstelle und in den Beratungsstellen, in denen wir Material bereithalten können.    
Für die Rüge ist gemäß § 556 g Absatz 4 BGB die Textform vorgeschrieben, das heißt eine Übermittlung per E-Mail wäre ausreichend. Wir raten aber dringend, eine derartig wichtige Erklärung als Brief abzufassen und dem Vermieter bzw. dem bevollmächtigten Verwalter beweissicher (unter Zeugen oder per Einschreiben) zukommen zu lassen. Haben Sie diese Rüge erst einmal erhoben, ist die wichtigste Hürde für eine spätere Reduzierung der Miete bzw. der Rückzahlung zu viel gezahlter Miete genommen. Bitte reduzieren Sie die Miete nach erfolgter Rüge nicht eigenmächtig! Ähnlich wie bei einer Mietminderung wegen Wohnungsmängeln könnte der Vermieter versuchen, das Mietverhältnis zu kündigen, wenn der „Mietrückstand“ eine Monatsmiete erreicht. Völlig risikolos ist es dagegen, wenn Sie dem Vermieter in ihrer Rüge mitteilen, dass Sie die Ihrer Auffassung nach überhöhte Miete ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Rückforderung zahlen.                       

 

 

 

 

Martina Mustermieterin

Weiseweg 1

10000 Berlin


Gernot Gierig

Wucherzeile 12

10000 Berlin


Betr.: Mietpreisüberhöhung gemäß § 556 d Absatz 1 BGB

 

Sehr geehrter Herr Gierig,


hiermit erhebe ich eine qualifizierte Rüge nach § 556 g Abs. 2 BGB.


Mit Vertrag vom (Mietvertragsdatum einsetzen) habe ich von Ihnen die Wohnung … (Wohnadresse und evtl. Lage bzw. Wohnungsnummer einsetzen) zu einer Nettokaltmiete von … Euro gemietet. Bei einer Wohnungsgröße von … qm entspricht dies einer Nettokaltmiete von … Euro/qm. Nach dem Berliner Mietspiegel 2015 ist eine wesentlich niedrigere Nettokaltmiete pro Quadratmeter ortsüblich.

Hierzu im Einzelnen:

Die Wohnung ist in das Feld … des Berliner Mietspiegels 2015 einzuordnen. Sondermerkmale sind nicht vorhanden (alternativ: Es sind die folgenden Sondermerkmale vorhanden …). Darüber hinaus überwiegen bei den zusätzlichen Merkmalen in den Merkmalgruppen … wohnwertmindernde (alternativ wohnwerterhöhende) Merkmale, wie Sie der beigefügten Orientierungshilfe für die Einordnung der Miete innerhalb der Spanne des Mietspiegelfelds entnehmen können. Demnach ergibt sich für die Wohnung eine ortsübliche Vergleichsmiete von … Euro/qm, bzw. bezogen auf die Wohnungsgröße … Euro nettokalt.


Gemäß § 556 d BGB in Verbindung mit der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung ist die vereinbarte Miete insoweit nichtig, als sie die ortsübliche Miete um mehr als 10% übersteigt. Dies bedeutet konkret für die von mir gemietete Wohnung:


ortsübliche Miete         … Euro/qm bzw.      …Euro

plus 10%        … Euro/qm bzw.      …Euro

zulässige Miete gemäß § 556 d Absatz 1 BGB …Euro/qm bzw. … Euro


Die von Ihnen geforderte Miete übersteigt die höchst zulässige Miete um … Euro. Da die mietvertragliche Vereinbarung in dieser Höhe nichtig ist, reduziert sich die derzeitige Miete ab der nächsten Fälligkeit auf die zulässige Höhe, nämlich auf … Euro nettokalt.


Ich fordere Sie zur Vermeidung einer gerichtlichen Klärung auf, mir bis zum … 2015 (Frist 14 Tage, genaues Datum einsetzen!) schriftlich mitzuteilen, ob Sie der hier ermittelten Reduzierung der Nettokaltmiete zustimmen. Die überhöhte Miete zahle ich ab sofort ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Rückforderung.


Mit freundlichen Grüßen

Martina Mustermieterin



Empfehlung:
Lassen Sie Ihr Schreiben vorsorglich in einer Beratungsstelle anwaltlich prüfen, bevor Sie es abschicken.



MieterEcho 375 / Juli 2015

Schlüsselbegriffe: Mietpreisbremse, Mietenbegrenzungsverordnung, Mietspiegel 2015, Mietvertragsabschluss, Nettokaltmiete, Spanneneinordnung, Kappungsgrenze, Mieterhöhungsverlangen, § 558 BGB, Mietminderung