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MieterEcho 375 / Juli 2015

INFOSCHRIFT: Wohnungsbewerbung

Was Mieter/innen vor Abschluss eines Mietvertrags alles preisgeben müssen – und was nicht

Vor der Anmietung einer neuen Wohnung fordern Vermieter in der Regel von den Mieter/innen zahlreiche Unterlagen: eine Selbstauskunft, eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung, eine Kopie des Personalausweises, eine Schufa-Auskunft, eine Bürgschaft usw. Den Forderungen der Vermieter sind kaum Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, potenzielle Mieter/innen zu durchleuchten. Viele Mieter/innen fragen sich zu Recht, welche dieser Unterlagen sie überhaupt vorlegen müssen – und welche nicht.                                         


Rechtlich betrachtet sind Mieter/innen und Vermieter bei Vertragsabschluss – ebenso wie danach – gleichberechtigte Partner. Bei einem angespannten Wohnungsmarkt besteht jedoch ein Ungleichgewicht zulasten der Mieter/innen. Der Grund hierfür ist insbesondere, dass es sehr viele Bewerber/innen um eine Wohnung gibt und der Vermieter folglich die Wahl hat. So kann er Mieter/innen aussuchen, die seinen – möglicherweise überzogenen – Vorstellungen entsprechen, und er versucht vor Vertragsabschluss, so viel wie nur möglich über die Wohnungsbewerber/innen zu erfahren. Dass dies nicht ohne Grenzen hinnehmbar ist, ist durch höchstrichterliche Rechtsprechung entschieden. Im Mietrecht sind die für Einstellungsfragebögen im Arbeitsrecht entwickelten Grundsätze anzuwenden: Der Vermieter hat lediglich Anspruch auf Informationen, die von zentraler Bedeutung für das Mietverhältnis sind.                     

 

Selbstauskunft                        

Oft werden potenziellen Mieter/innen bereits bei der Wohnungsbesichtigung von Vermietern, bevollmächtigten Hausverwaltern oder Maklern Bögen ausgehändigt, auf denen sich eine Vielzahl von Fragen befinden, deren Beantwortung Auskunft über die Person gibt. Ob und in welchem Umfang diese Fragen zulässig sind, muss nach dem oben genannten Grundsatz beurteilt werden. Der Vermieter darf ausschließlich Auskünfte einholen, die für das Mietverhältnis wesentlich sind! Dabei muss das Recht der Mieter/innen auf informationelle Selbstbestimmung nach dem Grundgesetz berücksichtigt werden.        

So hat der Vermieter einen Anspruch darauf, zu erfahren, ob in der Person liegende Gründe gegen die Bewerber/innen sprechen, ob die Interessent/innen als Vertragspartner/innen ihrer Hauptpflicht – der regelmäßigen Mietzahlung – nachkommen können, also ob die Mieter/innen sich die Miete leisten können. Zulässig sind damit Fragen seitens des Vermieters zu Identität, Verdienst/Einkommen, Beruf, Arbeitgeber, Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses, Insolvenzverfahren oder Gehaltspfändungen, empfangenen Sozialleistungen, offenen Mietschulden (Auskunftspflicht besteht nur zu berechtigten noch offenen Zahlungsverpflichtungen), zum Familienstand und zur Anzahl der Personen, die in die Wohnung einziehen wollen, sowie zur Art und Anzahl der Haustiere.        

Nicht zulässig sind Fragen, die die Persönlichkeit der Interessent/innen betreffen und mit dem Mietverhältnis nichts oder nur am Rande zu tun haben. Unzulässig sind folglich auf jeden Fall Fragen seitens des Vermieters zu Nationalität, ethnischer Zugehörigkeit, Migrationshintergrund, Vorstrafen, Mitgliedschaften in politischen Parteien oder Mieterorganisationen, polizeilichen Ermittlungen, Religionszugehörigkeit (mit Ausnahme kirchlicher Wohnungsunternehmen, die Kirchenmitglieder mit Wohnraum versorgen), sexueller Orientierung, Krankheiten, Musikgeschmack, Häufigkeit geplanter Besuche von Gästen, Schwangerschaft, Familienplanung, dem früheren Mietverhältnis, dem Grund des Wohnungswechsels und der Bankverbindung. Soweit die rechtliche Einschätzung. Nur was tun, wenn im Selbstauskunftsbogen des Vermieters trotzdem unzulässige Fragen auftauchen? Sobald man diese Fragen nicht beantwortet, wird der Vermieter zumindest skeptisch werden. Die Chancen auf die Anmietung der Wohnung sinken also erheblich. Doch auch dieses Problem ist in der Rechtsprechung erkannt worden und die getroffenen Entscheidungen zeigen Mieter/innen einen praktikablen Weg auf, mit einer solchen Situation umzugehen: Bei der Beantwortung der unzulässigen Fragen dürfen Mieter/innen ihrer Fantasie freien Lauf lassen und so antworten, dass sie den Eindruck eines „Traummieters“ hinterlassen.    Die erlaubten Fragen hingegen müssen unbedingt wahrheitsgemäß beantwortet werden, da die Falschbeantwortung den Vermieter zu einer Anfechtung nach § 123 BGB oder zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Mietvertrags nach § 543 Absatz 1 BGB berechtigen und Schadensersatzansprüche zur Folge haben kann.     

Ein Vertrag kann unter anderem angefochten werden, wenn eine arglistige Täuschung den Vertragspartner zum Abschluss des Vertrags bewogen hat. Eine Anfechtung des abgeschlossenen Mietvertrags erfolgt in der Regel vor Beginn des Mietverhältnisses und des Einzugs der Mieter/innen. Die Anfechtung führt dazu, dass das Mietverhältnis von Beginn an nichtig ist. Sind die Mieter/innen bereits eingezogen, ist eine fristlose Kündigung seitens des Vermieters möglich. Bei einer Kündigung aufgrund einer zurückliegenden Falschauskunft bei der Wohnungsbewerbung muss aber auch geprüft werden, ob die Kündigung nicht unverhältnismäßig ist. Dies ist der Fall, wenn bereits eine normale Entwicklung des Mietverhältnisses eingetreten ist und die Tatsache, die Gegenstand der Falschangabe gewesen ist, sich nicht zum Nachteil des Vermieters ausgewirkt hat.    

Beispiel: Der Mieter hat bei Vertragsabschluss wahrheitswidrig angegeben, in einem Arbeitsverhältnis zu stehen, zahlt aber immer vollständig und pünktlich die Miete. Eine Kündigung dürfte in diesem Fall unverhältnismäßig sein.        

Als Faustregel gilt also: Zulässige Fragen müssen wahrheitsgemäß beantwortet werden. Unzulässige Fragen sollten ebenfalls beantwortet werden – jedoch darf der Kreativität freien Lauf gelassen werden!        Tipp: Bitte lassen Sie im Zweifel den Selbstauskunftsbogen in einer unserer Beratungsstellen auf zulässige und unzulässige Fragen hin überprüfen!    

                                                

Schufa                            

Häufig werden Wohnungsbewerber/innen dazu gedrängt, bei der Schufa eine sogenannte Selbstauskunft einzuholen und sie dem Vermieter vorzulegen. Diese Auskunft besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil werden lediglich vollstreckbare offene, gemahnte und unbeglichene Forderungen eingetragen. Der zweite Teil, der detaillierte Daten zu Konten, Kreditkarten, Handy- und Leasingverträgen etc. enthält, sollte nach Möglichkeit nicht herausgegeben werden.                

Möglich ist auch, dass sich der potenzielle Vermieter eine sogenannte Schufa-Klausel unterschreiben lässt, die ihn zur eigenen Abfrage berechtigt.                    

Obwohl der Vermieter keinen Anspruch darauf hat, werden es Mietinteressent/innen in der Praxis kaum ablehnen können, derartige Auskünfte vorzulegen. Immerhin steht es, wie bereits erwähnt, dem Vermieter frei, sich seine Mieter/innen auszusuchen. Eine verweigerte Schufa-Auskunft kann sich daher nachteilig auf die Chancen bei der Anmietung der Wohnung auswirken. Gleiches gilt im Übrigen für Kopien des Personalausweises oder ähnlicher Dokumente.            

 

Mietschuldenfreiheitsbescheinigung            

Auch eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung wird zwar oft gefordert, Vermieter haben aber auch auf diese keinen Anspruch. Das wird bereits daraus deutlich, dass der aktuelle bzw. ehemalige Vermieter nicht verpflichtet ist, eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung auszustellen (BGH, Urteil vom 30. September 2009, AZ: VIII ZR 238/08). Doch Mieter/innen werden es in der Praxis kaum vermeiden können, auch dieses Dokument einzuholen und vorzulegen – aus den oben geschilderten Gründen.                            

Tipp: Falls Ihr aktueller bzw. ehemaliger Vermieter nicht bereit ist, Ihnen eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung auszustellen, können Sie das Problem lösen, indem Sie Ihre Mietzahlungen anhand von Kopien entsprechender Kontoauszüge und des aktuellen bzw. ehemaligen Mietvertrags darlegen.    

                                    

Bürgschaft                        

Gerade bei geringen oder unsicheren Einkommen verlangen Vermieter häufig eine Bürgschaft. Durch sie verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger, für die Verbindlichkeiten eines anderen einzustehen. Bei der Mietbürgschaft etwa übernimmt ein Dritter (z. B. Eltern, Freunde, Verwandte) die Haftung für Mietschulden der Mieter/innen und eventuelle Schadensersatzansprüche des Vermieters.                

Verlangt der Vermieter eine schriftliche Bürgschaft, ist es wichtig zu wissen, dass eine Mietsicherheit nur in Höhe von maximal drei Nettomieten zulässig ist (§ 551 BGB). Wurde eine höhere Mietsicherheit als gesetzlich zulässig vereinbart, ist die Vereinbarung nicht gänzlich unwirksam, sondern die Mietsicherheit wird auf die gesetzliche Höhe begrenzt.

Verlangt der Vermieter zusätzlich zur Barkaution in gesetzlich zulässiger Höhe eine Bürgschaft, liegt eine „Übersicherung“ vor. In diesem Fall ist die Vereinbarung über die Barkaution wirksam, die Bürgschaftsvereinbarung jedoch gemäß § 551 Absatz 4 BGB von Beginn an nichtig (BGH, Urteil vom 30. Juni 2004, AZ: VIII ZR 243/03).                

Vorsicht: Wenn dem Vermieter freiwillig und unaufgefordert zusätzlich eine Bürgschaft angeboten wird, bleibt neben der Kautionsvereinbarung auch die Bürgschaftsvereinbarung wirksam. Detaillierte Informationen hierzu finden Sie in unserer Infoschrift „Mietsicherheit“.                                            

 

Diskriminierung bei der Wohnungssuche        

„An Ausländer vermieten wir nicht“, so oder so ähnlich wird heutzutage kaum mehr ein Vermieter eine Absage formulieren. Das Diskriminierungsverbot gilt auch auf dem Wohnungsmarkt. Vermieter dürfen Mietinteressent/innen folglich nicht aufgrund ethnischer Herkunft, Alters, Geschlechts, sexueller Identität, Behinderung, Religion oder Weltanschauung ablehnen. Tun sie es dennoch, besteht zumindest theoretisch die Möglichkeit, Schadensersatz geltend zu machen. In der Praxis ist der Nachweis einer auf die oben genannten Merkmale zurückzuführenden Benachteiligung jedoch schwer möglich. Der soziale bzw. ökonomische Status der Wohnungsbewerber/innen stellt ausdrücklich kein Diskriminierungsmerkmal dar. Außerdem ist zu beachten, dass das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) aufgrund starker Interventionen der Vermieterlobby auf dem Wohnungsmarkt nur eingeschränkt gilt. Trotz der bescheidenen Möglichkeiten ist es dennoch ratsam, zumindest den Versuch zu unternehmen, Diskriminierungen bei der Wohnungssuche zu ahnden. Ein kompetenter Ansprechpartner ist diesbezüglich etwa das Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin des Türkischen Bunds (www.adnb.de).         


Wir vermitteln Ihnen hiermit zwar viele Tipps und Informationen, jedoch können wir nur eine Übersicht geben und auch nur die Rechtslage bei Drucklegung einbeziehen. Diese allgemeinen Informationen ersetzen nicht die für den konkreten Fall nötige individuelle Rechtsberatung. Nehmen Sie zur Beratung die erforderlichen Unterlagen mit – insbesondere den Mietvertrag – und einen Nachweis über Ihre Mitgliedschaft (das aktuelle MieterEcho auf Ihren Namen oder einen Zahlungsbeleg).


MieterEcho 375 / Juli 2015

Schlüsselbegriffe: Wohnungsbewerbung, Selbstauskunft, Mietschuldenfreiheitsbescheinigung, Kopie des Personalausweises, Schufa-Auskunft, Bürgschaft, Mietvertrag, Diskriminierung, Wohnungssuche, Gleichbehandlungsgesetz