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MieterEcho 375 / Juli 2015

Führungszeugnis des Kapitalismus

Die höchst fragwürdige Einrichtung Schufa bedeutet für viele den Ausschluss aus dem Wohnungsmarkt

Von Stefan Hernádi        

 

„Mit meiner Schufa finde ich eh keine Wohnung mehr” , wirft Andrea Boschert* in die Runde. Die Tempelhoferin soll zwangsgeräumt werden, weshalb sie beim „Bündnis Zwangsräumung verhindern“ ist. Allein ist sie dort nicht mit ihrem Schufa-Problem. Auf den Treffen der Gruppe ist dieser Satz häufig zu hören, wenn Zwangsräumungsbedrohte ihre Chancen auf dem Wohnungsmarkt beurteilen. Spricht Andrea Boschert von „ihrer Schufa“ , meint sie damit Einträge über nicht vertragsgemäßes Verhalten. Diese werden zum Ausschlusskriterium auf dem Wohnungsmarkt, denn Wohnungssuchende müssen für eine neue Wohnung eine Schufa-Auskunft vorlegen.             

 

Die Schufa Holding AG ist eine Wirtschaftsauskunftei. Als privatwirtschaftliches Unternehmen sammelt sie Daten zu anderen Unternehmen und Personen, um deren Kreditwürdigkeit zu bewerten. Diese Daten kommen von Banken, Versicherungen, Telekommunikationsunternehmen oder Schuldnerverzeichnissen. Neben der Schufa, der Name steht für Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherheit, gibt es noch andere Auskunfteien wie Creditreform, Bürgel oder Infoscore. Aber wie Klebeband oft Tesafilm genannt wird, steht die Schufa als bekannteste Auskunftei stellvertretend für die Gruppe dieser Unternehmen.          

 

66 Millionen erfasst                    

Die Schufa speichert Daten von über 66 Millionen Personen und rühmt sich, somit drei Viertel aller Menschen in Deutschland erfasst zu haben. Für viele stellt die Schufa vorerst kein konkretes Problem dar. Wenn jemand allerdings in Zahlungsschwierigkeiten gerät, werden offene, gemahnte und unbeglichene Forderungen als nicht vertragsgemäßes Verhalten eingetragen, sobald sie vollstreckbar sind.            

Neben den Einträgen gibt es noch einen Score, der anhand personenbezogener Daten die Kreditfähigkeit einer Person voraussagen soll. Einträge und Score bilden den ersten Teil der Schufa-Selbstauskunft, im zweiten Teil werden alle gespeicherten Daten zu Girokonten, Kreditkarten, Handyverträgen, Leasingverträgen, Krediten und Versandhandelsgeschäften aufgeführt. Dieser erste Teil der Auskunft ist es, was Wohnungsanbieter bei Bewerbungen verlangen. Die Schufa-Selbstauskunft sollte man nur herausgeben, wenn es nicht anders geht, und dann keinesfalls den zweiten Teil mit allen persönlichen Informationen. Laut Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) hat jede Person das Recht auf eine Auskunft über die bei einem Unternehmen über sie gespeicherten Daten. Ebenfalls gibt es das Recht, fehlerhafte Daten korrigieren zu lassen. Eine kostenfreie Datenübersicht nach § 34 BDSG kann einmal im Jahr schriftlich beantragt werden. Die Bonitätsauskunft mit erstem und zweitem Teil kostet 24,95 Euro.                                 

 

Keine Wohnung mit Schufa-Eintrag            

Mit Schufa-Einträgen findet sich auf dem Berliner Wohnungsmarkt faktisch keine normale Wohnung mehr. Das ist nicht nur die Erfahrung von Andrea Boschert, sondern zu diesem Schluss kommt auch eine aktuelle Studie (Seite 4). Infolge der Wohnungsnot können es sich Vermieter großflächig leisten, die Schufa-Selbstauskunft zu fordern, wie alle wissen, die in letzter Zeit auf Wohnungssuche waren. Ein verlässlicher Gradmesser für solche Entwicklungen sind wie immer die städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Stadt und Land wählt ihre Mieter/innen nach der Schufa aus, erläutert eine Mitarbeiterin der Wohnhilfe in der Studie. Die Degewo verlangt für alle Wohnungsbewerbungen eine aktuelle Selbstauskunft. Sie äußert auf Anfrage, dass Bewerber/innen mit Schufa-Eintrag aber Zugang zum geschützten Marktsegment hätten. Wohnungen in diesem Segment sind Personen vorbehalten, die Schwierigkeiten auf dem Wohnungsmarkt haben. Die Wohnungen sollen von den Wohnungsbaugesellschaften oder anderen größeren Anbietern zur Verfügung gestellt werden. In den letzten Jahren ist das festgeschriebene Kontingent beständig geschrumpft und selbst dieses geminderte Kontingent wird in der Praxis noch nicht mal erfüllt (MieterEcho Nr. 359/ April 2013). In der Folge hat sich ein Auswahlprozess etabliert, bei dem Bewerber/innen wieder ihre Schufa-Auskunft vorlegen müssen und bei Einträgen erneut benachteiligt werden.                    

Sowohl Immobilienscout als auch die Schufa raten, auch ohne Verlangen der Vermieter den ersten Teil der Schufa-Auskunft beizulegen. Eine entsprechende Onlinefunktion zur Übermittlung (und Bezahlung) wird in Kooperation der beiden angeboten. Neben dem Interesse an Einnahmen wird so dem Trend auf dem Wohnungsmarkt gefolgt. Denn wer sich im Gerangel um die begehrten Wohnungen als verlässlich präsentieren will, soll mehr Angaben als nötig machen.                

Vermieter können die Auskunft auch selbst einholen. Wohnungsbewerber/innen müssen ihre Einwilligung geben, indem sie die sogenannte Schufa-Klausel unterschreiben.         

Hängt der Abschluss eines Mietvertrags von der Bonität der Bewerber/innen ab, dürfen Vermieter Informationen auch ohne Einwilligung abrufen. Allerdings tragen die Kosten der Abfrage die Vermieter. Auch deshalb wird die Einholung der Auskunft den Wohnungssuchenden überlassen. Laut mehreren Quellen wie Verbraucherzentralen oder der Caritas zählen größere gewerbliche Vermieter zu den Vertragspartnern der Schufa.    

                                

Für Privatpersonen nur Nachteile            

„Der war früher schon mal Schuldner, der ist nicht zuverlässig”, fasst Petra Wojciechowski zusammen, was negative Schufa-Einträge aussagen sollen. Als Schuldnerberaterin in Kreuzberg hat sie täglich damit zu tun. Laut einer Studie der Creditreform ist jede/r Achte in Berlin verschuldet, hat also wahrscheinlich einen oder mehrere Einträge in der Schufa. Schulden sind häufig eine Begleiterscheinung von Erwerbslosigkeit, Benachteiligungen oder Schicksalsschlägen. Bei Petra Wojciechowski geht es oft um die Bereinigung der Einträge. Vollstreckungsforderungen sind 30 Jahre gültig, selbst nach deren Begleichung stehen sie noch drei Jahre in der Auskunft. Die anschließend vorgesehene Löschung wird von der Schufa gern vergessen.     

Die Schufa nütze allen, heißt es. Denn nicht nur Vertragsanbieter würden vor möglichen säumigen Kund/innen geschützt, sondern diese auch vor der eigenen Überschuldung. „Die Schufa nützt am Ende den Privatkund/innen gar nicht”, meint Petra Wojciechowski dagegen. Das vorgetragene Argument sei scheinheilig. Wenn es wirklich darum ginge, Menschen vor finanziellen Verbindlichkeiten zu bewahren, dann müsste es bei den Anbietern gewissenhaftes Verhalten und eine gute Beratung geben, meint sie. In der Praxis sähe es aber so aus, dass selbst Sparkassen Menschen mit geringen Einkommen ohne zu zögern Dispokredite hinterherwerfen. Anbieter kennen keine Hemmungen, Neukund/innen an Land zu ziehen, haben aber mit der Schufa ein Instrument auszusieben.    

Als privater Akteur ist die Schufa kaum kontrollierbar und führt ein regelrechtes Schattendasein. Über das Zustandekommen des Scores ist kaum etwas bekannt. Häufig werden fehlerhafte Einträge beklagt. Dennoch hat ihre Datensammlung beachtliche Konsequenzen für das Leben vieler Menschen. Ein mehr als fragwürdiger Zustand.      

 

Erweitertes Führungszeugnis                

Die Schufa registriert, wer sich auf dem Markt falsch verhält. Jede Verfehlung als Konsument/in wird vermerkt. Die Schufa funktioniert wie ein erweitertes Führungszeugnis des Kapitalismus. Sie schützt die wirtschaftlichen Erwartungen der Anbieter und schließt die aus, die diese Erwartungen möglicherweise nicht erfüllen. Für Mieter/innen hat die Schufa keinen Nutzen. Zudem sind Vermieter auch ohne sie umfassend gegen Mietausfälle abgesichert. Nach spätestens zwei Monaten Mietrückstand in Höhe von einer Monatsmiete oder bei ständig unpünktlicher Mietzahlung können Vermieter ohnehin außerordentlich fristlos kündigen. Und ihre neuen Mieter/innen durchleuchten sie mit Einkommensnachweisen und Mietschuldenfreiheitsbescheinigung schon zur Genüge. Die Schufa dient einzig dazu, auf dem angespannten Wohnungsmarkt auszusortieren. Sie ist ein willkommenes Instrument bei der Suche nach dem „Wunschmieter“ und so lange diese Möglichkeit besteht, werden Vermieter darauf zurückgreifen. Daher wäre eine Gesetzgebung angebracht, die Mieter/innen vor den Konsequenzen dieser Datenkrake schützt. In Berlin könnten die städtischen Wohnungsbaugesellschaften per Selbstverpflichtung mit gutem Beispiel vorangehen und auf die Auskunft verzichten. Sie sollten stattdessen alle Berliner/innen mit Wohnraum versorgen, auch Andrea Boschert.                        

 

 


MieterEcho 375 / Juli 2015

Schlüsselbegriffe: Schufa, „Bündnis Zwangsräumung verhindern“, Schufa-Einträge, Wohnungsmarkt, Kreditwürdigkeit, Schuldnerverzeichnis, Zahlungsschwierigkeiten, Bundesdatenschutzgesetz, Bonitätsauskunft, Immobilienscout, Führungszeugnis