Filetstück-Fachmarkt fusioniert
Der Liegenschaftsfonds hat ausgedient, aber die
Neuausrichtung der Berliner Liegenschaftspolitik bleibt neoliberal
Von Jutta Blume
15 Jahre hat der Berliner Liegenschaftsfonds Landesgrundstücke zu Geld gemacht. Zum 1. März wurde er mit der Berliner Immobilien Management GmbH (BIM) fusioniert. Angeblich soll die seit drei Jahren angekündigte neue Liegenschaftspolitik in diesem Jahr greifen und eine entsprechende Bestandsanalyse erfolgen. Die Verfahren wie auch die Verkaufspolitik insgesamt sind höchst kritikwürdig.
Über die Ausrichtung der Liegenschaftspolitik wird bereits seit über fünf Jahren geredet. Am 3. Juni 2010 beschloss das Abgeordnetenhaus unter dem Titel „Grundstücksentwicklung mit Augenmaß“ eine Neuausrichtung. 2011 fand sie Eingang in den Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU. Es dauerte bis Ende 2012, dass der Senat das „Konzept zur transparenten Liegenschaftspolitik“ vorlegte und erst im Juli 2014 erfolgte der Beschluss zur Umsetzung und zur Einsetzung des Portfolioausschusses. Das Konzept sieht eine Bestandsaufnahme der landeseigenen Grundstücke und Immobilien vor, die in unterschiedliche Kategorien, sogenannte Cluster, eingeordnet werden sollen. Je nachdem, wie der aus Vertreter/innen der Senatsverwaltungen und der Bezirke bestehende Portfolioausschuss die Liegenschaften bewertet, könnten Verkäufe an Höchstbietende zur Ausnahme werden. Nicht verkauft werden sollen Grundstücke, die von den Fachverwaltungen genutzt werden oder die in den nächsten fünf bis zehn Jahren für die Daseinsvorsorge gebraucht werden. Weiterhin verkauft werden sollen „Grundstücke mit Entwicklungsperspektive“ sowie „Grundstücke mit Verkaufsperspektive“. Während letztere weiterhin zum Höchstpreis erworben werden können, werden erstere in Konzeptverfahren, die Auflagen für die zukünftige Nutzung beinhalten, angeboten. Entscheidungen soll der Ausschuss im Konsens treffen. Die „Clusterung“ der Liegenschaften in vier Kategorien hätte eigentlich bis Ende 2014 abgeschlossen sein sollen, jedoch verzögerte sich die Arbeitsaufnahme des Portfolioausschusses.
Liegenschaftsfonds sollte Kasse machen
Die Diskussion um die Neuausrichtung schlug sich erst 2014 in den Verkaufszahlen nieder. „Viele Liegenschaften blieben erst mal im Bestand. Darum sanken die Erlöse im Vergleich zum Jahre 2013 von rund 118 Millionen Euro auf knapp 70 Millionen bis Ende November 2014“, schreibt der Liegenschaftsfonds in einer Pressemitteilung vom 18. Dezember 2014. In den Jahren 2011 und 2012, als bereits eine neue Liegenschaftspolitik beschlossen war, hatte die Institution noch munter weiter verkauft. 2011 wurden mit 122 Hektar 157 Millionen Euro erzielt, 2012 mit 108 Hektar 193 Millionen. Insgesamt veräußerte der Liegenschaftsfonds Grundstücke im Wert von über zwei Milliarden Euro. Der Liegenschaftsfonds wurde 2001 unter einem schwarz-roten Senat und Stadtentwicklungssenator Peter Strieder eingerichtet. Der Auftrag des Liegenschaftsfonds war es, möglichst hohe Verkaufserlöse in die Landeskassen zu spülen. Die Bezirke wurden gedrängt, nicht benötigte Gebäude und Grundstücke schnell an das Land abzugeben und damit die Privatisierung zu ermöglichen – was in manchen Bezirken bereits zum Mangel an Schul- und Kitastandorten führte (MieterEcho Nr. 353/ März 2012). Rot-rot setzte die neoliberale Privatisierungspolitik gut zehn Jahre lang fort. Erst mit der spät einsetzenden Erkenntnis einer neuen Wohnungsknappheit kam es zum Rückgang der Verkäufe.
Neben der zukünftigen Verkaufspolitik wird nun auch über die Übertragung von Grundstücken an die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften diskutiert. 98 Grundstücke seien für eine Sachwerteinbringung vorgesehen, wurden bereits eingebracht oder seien in Prüfung. Auf Nachfrage des MieterEchos erklärte Pressesprecherin Marlies Masche lediglich: „Die Wohnungsbaugesellschaften haben einen Zugang auf die Datenbank des Liegenschaftsfonds erhalten. Die Prüfung der Grundstücke durch die Wohnungsbaugesellschaften ist noch nicht abgeschlossen.“ Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup sprach bei einer Fachkonferenz im November 2014 von 37 Grundstücken, die bei städtischen Gesellschaften als Sachwerte eingelegt worden seien. Transparenz geht anders.
Mängel des Konzeptverfahrens
Auf der Bilanzpressekonferenz im Dezember betonte Geschäftsführerin Birgit Möhring die erfolgreiche Durchführung von Konzeptverfahren, die auch in Zukunft verstärkt zum Einsatz kommen sollen. So erhielt im September 2014 die Howoge den Zuschlag für ein Grundstück an der Rathausstraße in Lichtenberg, auf dem sie nun 130 Wohnungen, immerhin zum Teil mit einem Mietpreis von 6,50 Euro/qm, sowie eine Kita mit 100 Plätzen errichten will. Die beim Mietshäuser Syndikat angesiedelte Gruppe Rathaussterne, die ebenfalls ein Konzept mit einer Mischnutzung aus Wohnen und sozialen Einrichtungen vorgelegt hatte, ging leer aus. „Das Konzept der Howoge ist sicherlich sinnvoll und Wohnraum wird gebraucht“, erklärte Renee Somnitz von den Rathaussternen, „wir kritisieren aber, dass sich das Konzept auf Wohnen und Kitaplätze reduziert hat“. Die Rathaussterne wollten darüber hinaus betreutes Wohnen oder für den Kiez offene Projekte schaffen. Sie bemängeln auch, dass von den Bietenden ein Nachweis gefordert wurde, bereits Projekte im Umfang von fünf Millionen Euro realisiert zu haben, denn das schließe viele aus. Vor dem gleichen Problem steht die Projektgenossenschaft Stadtbad Lichtenberg, die sich für den Erhalt des öffentlichen Badebetriebs im ehemaligen Hubertusbad einsetzt. Das 1928 eröffnete und 1991 geschlossene Bad wurde im Januar vom Liegenschaftsfonds ausgeschrieben.
Privatisierung auf Raten
Wenn es um die Schaffung günstigen Wohnraums geht, vertritt der Liegenschaftsfonds die Auffassung, dass eine Preis- und Nutzungsbindung nur für einen begrenzten Zeitraum gefordert werden kann. „Man geht davon aus, dass eine Nutzungsbindung für den Zeitraum von zehn Jahren in jedem Fall rechtssicher vereinbart werden kann“, so Pressesprecherin Masche. In der Lichtenberger Rathausstraße wurde lediglich eine Preisbindung von fünf Jahren gefordert. Insofern bietet die Übertragung der Grundstücke an landeseigene Wohnungsunternehmen gegen-über dem Verkauf an private Akteure den entscheidenden Vorteil, dass Berlin als Eigentümerin im Nachhinein auf die Mietenpolitik einwirken kann.Neben der Frage, wann die viel diskutierte neue Liegenschaftspolitik endlich in Gang kommt, bleibt abzuwarten, welcher Anteil von Grundstücken dann noch meistbietend und welcher im Konzeptverfahren verkauft wird. Auch an klaren Vorstellungen zur Ausgestaltung der Konzeptverfahren mangelt es bisher. Am 18. November 2014 fand unter der Leitung Engelbert Lütke Daldrups ein Fachgespräch statt, bei dem deutlich wurde, dass sich die Konzeptverfahren von Grundstück zu Grundstück unterscheiden. Susanne Klabe vom Liegenschaftsfonds vertrat die Meinung, dass es kein Verfahren gebe, das für alle Flächen passe. Den Bezirken käme eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der zukünftigen Verfahren zu, da sie – und nicht der Liegenschaftsfonds – Kenntnisse über die Bedarfe vor Ort hätten. Die Öffentlichkeit sei frühzeitig einzubinden, da ein Grundstück, wenn es einmal einer Kategorie zugeordnet sei, dort fünf Jahre nicht mehr hinauskomme.
Der von der „Initiative Stadt Neudenken“ ins Leben gerufene Runde Tisch zur Liegenschaftspolitik schlägt darüber hinaus einen „Rat für die Räume“ vor, der die Arbeit des Portfolioausschusses begleiten soll. „Dieses Gremium soll sich aus Vertretern der Stadtgesellschaft zusammensetzen und soll über alle Vorgänge, die dem Portfolioausschuss zur Beratung vorgelegt werden, informiert werden. Die Berufung der Vertreter erfolgt durch die Teilnehmer des Runden Tischs.“ Die „Initiative Stadt Neudenken“ und die Teilnehmer/innen des Runden Tischs mögen dabei eigene Interessen verfolgen, schließlich sind so manche von ihnen im stadtplanerischen Bereich tätig. Zwar richtet sich die Initiative gegen eine Politik des Ausverkaufs an Großinvestoren, ist aber grundsätzlich einer Stadtentwicklung durch Private nicht abgeneigt.
MieterEcho 373 / März 2015
Schlüsselbegriffe: Liegenschaftsfond, Liegenschaftspolitik, Berliner Immobilien Management GmbH, BIM, Portfolioausschuss, Privatisierungspolitik, Wohnungsknappheit, Konzeptverfahren, Howoge