Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 378 / Dezember 2015

Editorial MieterEcho

Editorial MieterEcho Dezember 2015

Liebe Leserinnen und Leser,    

Berlin ist eine Stadt, in der an die Stelle qualifizierter Analysen und Auseinandersetzungen dümmliche Sprüchlein treten. Wowereit („Berlin ist arm, aber sexy“) war trotz oder wegen eines Hauchs von Zynismus witzig. Die frühere Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer langweilte nur noch mit den permanenten Hinweisen auf den Leerstand in Berlin und die höheren Mieten in München, mit denen sie ihre vermieterfreundliche Nichtpolitik kaschierte. Die Folgen sind bereits seit 2007 spürbar. Der Wohnungsmarkt verengte sich zunehmend, der Mietermarkt der frühen 2000er Jahre machte wieder – wie zehn Jahre zuvor – einem Vermietermarkt Platz. Eine leichte Änderung der politischen Richtung wurde nach der Ablösung der neoliberalen rot-roten Koalition spürbar. Doch die Politik war und ist immer noch angesichts der verheerenden wohnungspolitischen Jahre zuvor und des rasant steigenden Nachfragedrucks längst nicht couragiert genug. Schüchtern wurde von Neubau gesprochen, den zu veranlassen, Aufgabe der Politik sei. Wie viele Wohnungen es denn sein sollten, diskutierten Experten, aber was sie auch erdachten, es war zu wenig. Plötzlich jedoch, bevor konkrete Programme erarbeitet waren und während die Neubauleistungen unverändert niedrig blieben, outeten sich die Anhänger der zumindest zeitweilig in der politischen Versenkung verschwundenen Stadtentwicklungssenatorin und krähten: „Neubau löst nicht die Probleme“. Das war ein umwerfend überraschendes Sprüchlein, dem sich ein kompromisslerisches „Neubau ist eine sehr teure Lösung“ beigesellte.Was denn wohl eine Lösung für das Problem Wohnungsmangel sei, blieb im Dunkeln. Weil es sich aber um eine Position handelte, die Anspruch auf ein Denken sozialkritischen Ursprungs erhob, wurde sie umwölkt durch eine Aufforderung zur Ablösung der herrschenden Immobilienverwertungskoalition durch freie demokratische Koalitionen der Mieter/innen-Initiativen, neuen Genossenschaften und anderer positiver Zusammenschlüsse à la Mietshäusersyndikat und es sollte dekommodifiziert werden. Soviele revolutionäre Illusionen gab es schon lange nicht mehr.        

Die Ankunft der vielen Flüchtlinge macht solchen Träumern schließlich ganz realistisch klar: Es fehlt an Wohnungen. Eine Situation, die schon lange existiert und nicht erst durch die Flüchtlinge geschaffen, sondern nur verschärft wird.         

Wenn heute noch eine Partei den politisch Verantwortlichen, die 30.000 Wohnungen im nächsten Jahr planen, entgegenhält, „sie reden immer von Neubau“, und damit meint, das sei eine ganz untaugliche Lösung, handelt sie unverantwortlich und stellt ihre Untauglichkeit für eine Regierungsbeteiligung im nächsten Jahr unter Beweis.


Die Redaktion bedankt sich für die in diesem Jahr geschenkte Aufmerksamkeit und wünscht allen Leser/innen schöne Weihnachtsfeiertage und einen guten Rutsch ins Jahr 2016.                


Ihr MieterEcho


MieterEcho 378 / Dezember 2015

Schlüsselbegriffe: Wohnungsmarkt, Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer, Wohnungsmangel, Mieter/innen-Initiativen, Mietshäusersyndikat, Genossenschaften, Neubau

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