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MieterEcho 373 / März 2015

Blackbox Bima

Warum die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben zum Höchstgebot verkauft

Von Hannes Strobel                                                

Die Verkaufspolitik der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) rückte durch Mieterproteste in den vergangenen Monaten ins Licht der Berliner Öffentlichkeit (MieterEcho Nr. 367/ Mai 2014). Auch anderswo stößt das Geschäftsgebaren der Bundesbehörde immer wieder auf Unmut. Bima-Chef Jürgen Gehb rechtfertigt die Immobilienverkäufe an höchstbietende Investoren als den einzig legalen Weg für seine Behörde. „Wenn ich das nicht mache, dann sitzt mir nicht nur der Rechnungshof, sondern auch der Staatsanwalt im Nacken“ , erklärte er im Juli 2014 gegenüber der Presse. Wie aber kommt es zu dieser angeblich alternativlosen Einengung von Handlungsspielräumen? Um das zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die Entstehungsgeschichte und den politischen Willen, der zur Gründung dieser Institution führte.     

 

Die Vorgeschichte der Bima reicht zurück bis in die frühe Bundesrepublik. Ihre organisatorischen und personellen Strukturen basieren auf der ehemaligen Bundesvermögensverwaltung, einer 1950 gegründeten Bundesbehörde, die die meiste Zeit der Bundesfinanzverwaltung unterstand. Zu den vorrangigen Aufgaben in den Anfangsjahren gehörte die Überführung von ehemaligem Reichsvermögen in Bundesvermögen. Bereits seit dieser Zeit bildete die Verwaltung von militärisch genutztem Gelände einen Schwerpunkt der Behörde. Die Kernaufgabe blieb in den Jahren von 1950 bis 2004 immer die Gleiche: die Verwaltung bundeseigener Liegenschaften, Forstflächen und Immobilien. Das änderte sich mit der Schaffung der heutigen Bima grundlegend.                                                    

Kind rot-grüner Reformpolitik                

Die Bima wurde 2004 durch die rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) als Bundesanstalt öffentlichen Rechts mit Sitz in Bonn gegründet. In den folgenden Jahren übertrug man der Behörde schrittweise das Personal weiterer staatlicher Körperschaften und das Eigentum an fast allen inländischen Grundstücken des Bundes. Um Verwaltungskosten einzusparen, sollte die neue Behörde wie ein Unternehmen effizient und mit „modernen Managementmethoden“ (Eigendarstellung Bima) geführt werden. Neben der Zentrale in Bonn unterhält die Bima heute weitere neun große Büros – sogenannte Direktionen – in Berlin, Dortmund, Erfurt, Freiburg, Koblenz, Magdeburg, München, Potsdam und Rostock. Daneben bestehen über hundert weitere Haupt- und Nebenstellen im gesamten Bundesgebiet. Insgesamt arbeiten 6.500 Menschen für die Bima. Sie verwalten ein Portfolio, das vor allem Grundstücke und Wohnungen beinhaltet. Bemerkenswert ist, dass das Grundeigentum eine Gesamtfläche von rund 500.000 Hektar umfasst. Das entspricht knapp fünfeinhalb Mal der Fläche von Berlin. Ein großer Teil davon sind ehemals militärisch genutzte Flächen. Durch den Abzug der alliierten Streitkräfte und die Bundeswehrreform wird der Bestand in den nächsten Jahren um weitere Kasernengelände, Munitionsdepots, Truppenübungsplätze und Flugplätze anwachsen. Zwar hat der Bund seit 1994 über 350.000 seiner Wohnungen verkauft, doch noch heute gehören ungefähr 39.000 Wohnungen der Bima, davon rund 5.400 allein in Berlin. Jährlich werden im Schnitt 2.000 bis 3.000 Objekte verkauft. Auch von den Berliner Wohnungen sollen bis 2018 etwa 1.700 abgestoßen werden.            

Geleitet wird die Bima vom Vorstandsvorsitzenden Jürgen Gehb, einem langjährigen CDU-Bundestagsabgeordneten. Den Vorstand berät ein zehnköpfiger Verwaltungsrat. Dessen Mitglieder werden vom Haushaltsausschuss des Bundestags gewählt. Der Verwaltungsrat setzt sich hauptsächlich aus Bundestagsabgeordneten aller Parteien und Vertretern der Immobilienwirtschaft zusammen. Die Behörde bezeichnet sich selbst als „Unternehmen“ und beschreibt in ihrer Selbstdarstellung ihren Weg vom bloßen „Verwalter“ staatlichen Vermögens zum „Dienstleister“ des Bundes. Rechtlich gesehen ist die Bima jedoch kein privatwirtschaftliches Unternehmen und unterliegt der vollen Rechts- und Fachaufsicht des Bundesfinanzministeriums. Allerdings ist der Charakter als Unternehmen politisch gewollt und wurde per Gesetz festgeschrieben.                                         

Streit um das Höchstbieterverfahren             

Ihre rechtliche Verankerung hat die Bima im sogenannten Bima-Errichtungsgesetz (BimaG), das am 9. Dezember 2004 in Kraft trat. In § 1 ist der zentrale Zweck der Körperschaft festgelegt: „Die Bundesanstalt hat das Ziel, eine einheitliche Verwaltung des Liegenschaftsvermögens des Bundes nach kaufmännischen Grundsätzen vorzunehmen und nicht betriebsnotwendiges Vermögen wirtschaftlich zu veräußern.“ Die Grundlage dafür bildet ein Wirtschaftsplan, der nach den engen Vorgaben des Bundesfinanzministeriums aufgestellt wird. Im Wirtschaftsplan ist insbesondere festgelegt, wie viel die Bima am Ende des jeweiligen Geschäftsjahrs nach Abzug der eigenen Personal- und Sachkosten an den Bundeshaushalt abzuführen hat. Die aktuelle Wirtschaftsplanung reicht bis ins Jahr 2018. Für 2015 ist vorgesehen, dass die Bima 2,7 Milliarden Euro an die Staatskasse liefern muss. Doch wie erwirtschaftet eine Behörde solch immense Überschüsse?             

Die Bima hat derzeit zwei zentrale Tätigkeitsfelder. Das eine umfasst Verwaltungsaufgaben wie die Vermietung und Verpachtung von Wohnungen, Grundstücken, Wäldern und sonstigen Liegenschaften. Etwa 80% der Gesamteinnahmen der Bima sind Mieteinnahmen, zwei Drittel davon überweist die Bundeswehr. Zusätzlich betreibt die Bima ein eigenes Facility Management. Sämtliche Verwaltungsaufgaben werden nach Maßgabe der Wirtschaftlichkeit betrieben – was auch erklärt, warum sich bundesweit Bima-Mieter/innen über vernachlässigte Wohnanlagen beschweren.                     

Das zweite Aufgabenfeld ist die „Verwertung von Grundstücken, die für Zwecke des Bundes nicht mehr benötigt werden“. Gemeint ist der Verkauf von Liegenschaften. Diese Erlöse machten in den letzten Jahren ungefähr 10% des gesamten Gewinns aus. Bei diesen Verkäufen ist die Behörde per Gesetz an die Bundeshaushaltsordnung gebunden. Darin ist in den §§ 63 und 64 geregelt, dass Vermögenswerte nur „zu ihrem vollen Wert“ veräußert werden dürfen. Die Bima interpretiert diese Formulierung dahingehend, dass Veräußerungen ausschließlich im Höchstbieterverfahren durchgeführt werden. Jedoch sind auch Ausnahmen vorgesehen. Nämlich dann, wenn ein „dringendes Bundesinteresse“ besteht. Eine solche Ausnahme wurde mit Beschluss des Haushaltsausschusses des Bundestags im März 2012 unter der schwarz-gelben Bundesregierung konkretisiert. Dabei wurde Kommunen ermöglicht, sogenannte Konversionsflächen, also vormals militärisch genutztes Gelände, zum „Gutachterpreis“ zu kaufen. In diesem Fall bekommt die Kommune den Zuschlag ohne Bieterverfahren und zu dem von einem Gutachter festgelegten Preis, der dem Verkehrswert des Grundstückes entsprechen soll. Ein politischer Streit, der bis heute andauert, dreht sich darum, ob und inwiefern dieses Verfahren auch auf Wohnimmobilien und andere Grundstücke im Bima-Besitz auszuweiten ist.                                                 

Bima als neoliberales Instrument             

Die Bima ist ein Kind ihrer Zeit. Sie wurde in der Hochphase der neoliberalen Umgestaltung der Bundesrepublik geschaffen. Der Verkauf erster Bundesimmobilien durch die Behörde begann am 1. Januar 2005. Am selben Tag trat auch Hartz IV in Kraft und führte die neuen Arbeitslosengelder I und II ein. Die Privatisierungspolitik ist also kein Unfall, sondern war von der rot-grünen „Reformregierung“ gewollt. Sie folgte dem Credo vom schlanken Staat, der sich auf die nötigsten Aufgaben zurückzieht und sein Tafelsilber verkaufen soll. Unter der Maßgabe von Schuldenbremse und „schwarzer Null“ wird diese Politik unter der aktuellen Regierung nahtlos fortgeführt. Sie wird solange die Regel bleiben, bis es gelingt, eine gesellschaftliche Mehrheit gegen die neoliberalen Glaubenssätze zu organisieren und Alternativen dazu durchzusetzen. Verschiedene Modelle für einen Umgang mit dem Bima-Besitz im Interesse der Mieter/innen werden derzeit am Beispiel einiger Berliner Liegenschaften diskutiert. Die Mehrheit der im Bundestag vertretenen Parteien trägt jedoch den neoliberalen Kurs im Kern weiter mit. Da hilft es nur wenig, wenn sich Parteivertreter/innen ab und an öffentlichkeitswirksam und in Einzelfällen auf die Seite der Mieter/innen in ihrem Wahlkreis schlagen.                  


MieterEcho 373 / März 2015

Schlüsselbegriffe: Bima, Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, Kasernengelände, Jürgen Gehb, Immobilienwirtschaft, Höchstbieterverfahren, Konversionsflächen, Neoliberalismus, Schuldenbremse