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MieterEcho 374 / Mai 2014

Berliner Mietspiegel 2015

Wertvolles Instrument zur Mietbegrenzung nicht nur im bestehenden Mietverhältnis

Kommentar von Rechtsanwalt Marek Schauer                                      

Wie bisher wird auch dieser Mietspiegel Vermietern als Instrument dienen, Mieterhöhungsverlangen gegenüber Mieter/innen durchzusetzen. Und auch immer noch können Mieter/innen ihren Vermietern den Mietspiegel als Schranke mit dem Argument entgegenhalten, dass die im Mietspiegel ausgewiesene Miete nicht überschritten werden darf. Im preisfreien Wohnraum haben Vermieter bei bestehenden Vertragsverhältnissen über Mietspiegel-Mieterhöhungen hinaus keine Möglichkeit, die Nettokaltmiete zu erhöhen, ohne in die Mietsache – beispielsweise durch Modernisierungen – investieren zu müssen. Mitglieder der Berliner MieterGemeinschaft sind deshalb immer gut beraten, wenn sie ein Mieterhöhungsverlangen erhalten haben, umgehend eine Beratungsstelle aufzusuchen. Dort wird das Mieterhöhungsverlangen anwaltlich nicht nur auf formelle Wirksamkeit geprüft, sondern auch dahingehend, welche Miete im Mietspiegel als ortübliche Vergleichsmiete ausgewiesen ist und ob der Mieterhöhung zugestimmt werden muss.                                    


Ab diesem Jahr ist der Mietspiegel deutlich mehr als nur ein Mieterhöhungsinstrument. Der Berliner Mietspiegel 2015 wurde nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und vom Senat sowie einem Interessenverband der Vermieter und den Interessenvertretern der Mieter/innen anerkannt; er ist eine Anpassung des Mietspiegels von 2013 an die Marktentwicklung. Damit erfüllt er die gesetzlichen Anforderungen an einen qualifizierten Mietspiegel. Bei einem qualifizierten Mietspiegel wird gemäß § 558 d Absatz 3 BGB vermutet, dass die im Mietspiegel ausgewiesenen Mieten die ortsüblichen Vergleichsmieten ausdrücken. Daher ist der Berliner Mietspiegel aufgrund des Gesetzes zur Dämpfung des Mietanstiegs, der sogenannten Mietpreisbremse, nun nicht mehr nur Begründungsmittel von Mieterhöhungen in bestehenden Mietverhältnissen, sondern dient bei Neuvermietungen als Grundlage der Mietbegrenzung auf 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete. Der Bund hat den Ländern überlassen, ob in welchem Gebiet die Mietpreisbremse lokal gelten soll. Hierzu müssen die Länder Verordnungen erlassen. Der Berliner Senat hat rasch gehandelt und am 28. April 2015 die Mietenbegrenzungsverordnung für ganz Berlin erlassen. Sie tritt am 1. Juni 2015 in Kraft (MieterEcho Nr. 372/Februar 2015). Bedeutung hat die Mietpreisbremse insbesondere für Mieter/innen, die eine Wohnung in denjenigen Berliner Bezirken suchen, in denen Mieten weit oberhalb des Mietspiegels verlangt werden.              

 

Rolle bei der Mietpreisbremse                

Es ist klar, dass die Mietpreisbremse keine Mietsteigerung verhindert. Das sagt bereits der Begriff „Bremse“. Zudem enthält sie eine Reihe Ausnahmen und macht es Mieter/innen nicht gerade leicht, eine dennoch verlangte überhöhte Miete „auszubremsen“. Mehr als eine kleine Entlastung der – dem Interesse der Vermieter an einer hohen Miete ohnehin ausgelieferten – Mieter/innen stellt dieses Gesetz also nicht dar. Vielmehr hält das Gesetz sogar fest, welche Miete nun definitiv verlangt werden darf: Ortsübliche Vergleichsmiete plus 10%. Und das werden die Vermieter ausschöpfen. Aber immerhin lohnt sich nun nicht mehr der alte Vermietertrick, Mieter/innen rauszuwerfen, um mit einem neuen Vertrag die doppelte Miete abzugreifen. Zudem haben Mieter/innen, die in nachgefragten Bezirken eine Wohnung anmieten, einen großen Nutzen davon, dass bei einer ortsüblichen Vergleichsmiete von beispielsweise 5,80 Euro/qm bei Neuvermietungen nicht 10 Euro/qm und mehr verlangt werden darf. Geschieht das trotzdem, können die Mieter/innen verlangen, nur 110% der ortsüblichen Vergleichsmiete anstelle der überhöhten Miete, die im Mietvertrag steht, zu zahlen. Und genau dazu leistet der neue Mietspiegel seinen Beitrag.                                    

Vermieter greifen Mietspiegel juristisch an        

Das schmeckt den Vermietern freilich nicht. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass bei der Erstellung des Mietspiegels 2015 zwei der drei Interessenvertreter der Vermieter am Ende bekanntgaben, den Mietspiegel nicht als „qualifiziert“ anzuerkennen. Die Interessen der Vermieter werden von folgenden Vereinen vertreten: Bund der Berliner Haus- und Grundbesitzervereine, Bund freier Wohnungsunternehmen Landesverband Berlin/Brandenburg (BFW) und Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU). Die Seite der Mieter/innen vertreten die Interessenvereine Berliner Mieterverein, Mieterschutzbund Berlin und selbstverständlich auch die Berliner MieterGemeinschaft. In den letzten Jahren konnten sich alle Beteiligten auf einen qualifizierten, also die Ortsüblichkeit der Vergleichsmieten ausdrückenden, Mietspiegel verständigen. Zuletzt erfolgte dies beim Mietspiegel 2013, der eine „Neuerstellung“ darstellte, während der Mietspiegel 2015 lediglich datenmäßig angepasst wurde. Nunmehr soll nach Ansicht zweier der Lobbyvereine der Vermieter eine Qualifiziertheit des Mietspiegels nicht mehr gegeben sein. Das Interesse der Vermieterclubs ist klar: Wenn insbesondere die Gerichte den Mietspiegel nicht als qualifiziert anerkennen, wird die Umsetzung der Mietpreisbremse schwierig. Entsprechende Versuche, die Qualifiziertheit gerichtlich anzugreifen, gab es bereits in der Vergangenheit und genau als solcher Angriff soll die Nichtanerkennung der Qualifiziertheit des Mietspiegels verstanden werden. Denn wenn bei Neuvermietungen die ortsübliche Vergleichsmiete Dreh- und Angelpunkt ist und diese nicht hinreichend durch den qualifizierten Mietspiegel bestimmt ist, kommt es zu Rechtsunsicherheit hinsichtlich eben jener ortsüblichen Vergleichsmiete. Diese Rechtsunsicherheit wird dazu führen, dass viele ohnehin um ihren Wohnraum besorgte Mieter/innen von dem oben angesprochenen Vorgehen, nicht mehr als 110% der ortsüblichen Vergleichsmiete bei überteuerten Mieten zu zahlen, Abstand nehmen werden und die Mietpreisbremse selbst ausgebremst wird. Es bleibt abzuwarten, wie die Gerichte mit den Angriffen der Vermieterseite umgehen werden. Glücklicherweise gibt es derzeit auch Tendenzen in der Rechtsprechung, diese Angriffe abzuwehren und die Qualifiziertheit des Mietspiegels – zumindest den Mietspiegel 2013 betreffend – nicht infrage zu stellen.                                                   

 

Erfolge der Mieterorganisationen            

Im Einzelnen lässt sich über den neuen Mietspiegel Gutes und Ärgerliches sagen. Zunächst – das ist die relativ gute Nachricht – ist der Mietsteigerungstrend, welcher beim letzten Mietspiegel festzustellen war, rückläufig. Die Mietpreisentwicklung hat sich von 2013 zu 2015 mit einer durchschnittlichen Steigerung von 5,4% beruhigt. Dämpfende Effekte lagen wohl vor allem darin, dass für die vor mehr als vier Jahren vereinbarten hohen Neuvertragsmieten eine Mietspiegelerhöhung nicht möglich war, weil diese bereits über der ortsüblichen Miete lagen, und dass aufgrund der angespannten Wohnraumsituation weniger Mieter/innen die Wohnung gewechselt haben und deshalb der Anteil von in die Erhebung eingeflossenen Neuvertragsmieten geringer war. Zudem gibt es in einzelnen Feldern des Mietspiegels gesunkene Werte.                     

Bei den Inhalten, auf die die Berliner MieterGemeinschaft mit den anderen Mieterorganisationen Einfluss nehmen konnte, lassen sich zudem Erfolge verbuchen: Erstens konnten die Versuche der Vermieterseite, bei den Wohnlagen Aufstufungen vorzunehmen, weitgehend zurückgewiesen werden. Insgesamt sind relativ wenige Aufstufungen auf mittlere und gute Wohnlage zu verzeichnen. Bei Abstufungen ist dies allerdings ebenso, hier gab es bedauerlicherweise jedoch nur sehr wenige Anträge der Mieter/innen. Zweitens wollte die Vermieterseite bei den sogenannten Substandardwohnungen (Wohnungen ohne Sammelheizung oder/und ohne Bad) die gegenüber dem Mietspiegel 2013 deutlich gestiegenen harten Abschläge streichen – und auch das wurde verhindert. Drittens konnten bei der Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung der Wohnung in das entsprechende Mietspiegelfeld Klarstellungen zugunsten der Mieter/innen erreicht werden.     

Ärgerlich sind freilich die im Ergebnis der Erhebungen festgestellten Steigerungen bei den Sondermerkmalen in bestimmten Baualtersklassen (moderne Küche, modernes Bad, hochwertiger Bodenbelag), sowie das Hinzukommen weiterer Sondermerkmale wie Aufzug und Isolierglasfenster. Hier gab es jedoch keine Einflussmöglichkeit der Mieterorganisationen auf grundsätzliche Änderungen, da der Mietspiegel 2015 eine Anpassung, also eine Fortschreibung, des Mietspiegels 2013 ist. Es bleibt nun abzuwarten, ob der Mietspiegel den Angriffen der Vermieterseite standhält. Gut aufgestellt ist er dafür.              


MieterEcho 374 / Mai 2014

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