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MieterEcho 367 / Mai 2014

Narrenfreiheit für Spekulanten

Entmietung und Leerstand trotz Milieuschutz

Von Gaby Gottwald                                    

Das große Wohnhaus an der Boxhagener Straße 26/ Ecke Simon-Dach-Straße im hippen Szenekiez in Friedrichshain steht seit über fünf Jahren fast gänzlich leer. Neben den gewerblichen Nutzern im Erdgeschoss „überlebten“ nur zwei Mietparteien den jahrelangen Verdrängungsprozess, da sie sich zur Wehr setzen. Nun wurde das Haus erneut verkauft und in seltener Offenheit räumt das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg auf eine kleine Anfrage der Fraktion Die Linke ein, dass der Verdacht nahe liegt, „dass Spekulationsabsichten mit dem Haus verfolgt werden“. Dieses Eingeständnis kommt spät, denn die gezielte Entmietung in einem Milieuschutzgebiet begann unter den Augen des Bezirksamts.                                    


Bereits Mitte 2008 erhielt der ehemalige Eigentümer eine Genehmigung zum Umbau des Erdgeschosses und der ersten Etage zum Hotel. Der Eigentümer baute jedoch widerrechtlich eine ganze Haushälfte zum Hotel um. Erst knapp drei Jahre später, im Februar 2011, stoppte die Bauaufsicht den Umbau. Doch da war das Hotel bereits fertig und die ehemaligen Bewohner/innen vertrieben. Das Bezirksamt ordnete den Rückbau zu Wohnraum an, doch nichts geschah. Nach einem weiteren Jahr mit fast vollständigem Leerstand kaufte im Sommer 2012 die Leipziger Immobilienfirma Neutecta das Wohnhaus (MieterEcho Nr. 360/ Mai 2013) und bot es umgehend für über zehn Millionen Euro zum Kauf an. Die Mieter/innen erhielten Kündigungen, die sich jedoch als unwirksam erwiesen. Der schnelle Verkauf des Hauses misslang. Schon bald begannen Umbauarbeiten im Haus. Laut einem internen Exposé der Firma wurden kostspielige Kleinstwohnungen geplant, die für 18 bis 20 Euro/qm nettokalt vermietet werden sollten. Das Haus wurde für über 8,5 Millionen Euro erneut zum Kauf angeboten. Auf Nachfrage der Fraktion Die Linke im Bezirk, ob im Milieuschutzgebiet Luxuswohnungen geplant seien, beruhigte das Bezirksamt die aufgeregten Gemüter. Ein unangemeldeter Besuch der Baustelle am 12. März 2013 habe ergeben, dass ein Rückbau der Hotelzimmer zu Wohnraum stattfinde, welcher im Einklang mit dem Milieuschutz stünde. Doch aus dem bewilligten Rückbau ist nichts geworden, wie das Bezirksamt nun ein Jahr später mitteilt. Es habe seit 2013 weder nennenswerte Umbauarbeiten noch Vermietungen durch die Neutecta gegeben.                                              

 

Preiswerter Wohnraum zerstört    

Ohne jemals für neue Dauermietverhältnisse gesorgt zu haben, hat nun die Neutecta nach fast zwei Jahren das Haus verkauft. Die neue Eigentümerin ist nach Auskunft einer der verbliebenen Mieter/innen die K3 Property GmbH, eine der zahlreichen Immobilienfirmen der Göttinger Kurth Gruppe. Sie muss zunächst einen Bauantrag stellen. Das Wohnhaus bleibt also bis auf Weiteres überwiegend ungenutzt. In einem Milieuschutzgebiet wurde preiswerter Wohnraum durch bauliche Maßnahmen unter den Augen des Bezirksamts zerstört und auch nach fast sechs Jahren nicht wieder hergestellt. Das Bezirksamt selbst verweist auf die Grenzen des Instruments Milieuschutz und auf das Fehlen von Regulatorien am Wohnungsmarkt: „Leerstand und überteuerte Mieten können mit dem Erhaltungsrecht leider nicht verhindert werden. Um gegen Leerstand vorgehen zu können, muss die Zweckentfremdungsverbotsverordnung in Kraft gesetzt werden.“                

Der Berliner Senat hat Anfang März endlich ein Verbot gegen Zweckentfremdung beschlossen. Die Verordnung tritt im Mai in Kraft. Doch auch mit der zukünftigen Regelung, die von Experten als völlig unzureichend bezeichnet wird, ist nicht gesichert, dass in der Boxhagener Straße 26 bald wieder Mieter/innen einziehen. Der neue Eigentümer kann erst mal wieder ein Jahr lang umbauen. Zudem dürfte die Miete bei Neuvermietung für die angestammte Bevölkerung im Kiez unbezahlbar sein und nicht dem Erhalt der Sozialstruktur des Viertels dienen. Es gibt leider keine wirksamen Maßnahmen gegen ungezügelte Mietpreise bei Neuvermietung. Der Gesetzentwurf zur Mietpreisbremse ist leider ein Sammelsurium von Umgehungstatbeständen und wird kein wirksames Instrument zur Drosselung der Preise bei Neuvermietung werden.                                       

 


MieterEcho 367 / Mai 2014

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