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MieterEcho 365 / Februar 2014

Kommunal ist nicht gleich bezahlbar

Auch wenn die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften ihre Bestände durch Kauf und Neubau aufstocken, wird zu wenig günstiger Wohnraum geschaffen

Von Jutta Blume    

 

„Die Zahl der landeseigenen Wohnungen ist in zwei Jahren bereits um rund 18.500 gestiegen und die Wohnungsbaugesellschaften erhalten für weiteren Neubau und Zukauf von Wohnungen in Zukunft deutlich größere finanzielle Spielräume. Ziel unserer Wohnungspolitik ist der soziale Ausgleich, der Erhalt der sozialen Durchmischung.“  Dies erklärte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt am 13. Dezember 2013 anlässlich der Verabschiedung des Haushalts 2014/15 durch das Berliner Parlament.                                    


Die 18.500 neuen Wohnungen im Landesbesitz wurden zum größten Teil aufgekauft. Dabei erwarb die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) auch 363 Wohnungen am Bersarinplatz, die sie vor zehn Jahren veräußert hatte. Seinerzeit verfolgte die rot-rote Koalition eine Politik des Verkaufs der landeseigenen Wohnungsbestände. Seitdem die Berliner Politik eingesteht, dass in der Stadt Wohnungsmangel herrscht, sollen die landeseigenen Bestände wieder auf 300.000 Wohnungen aufgestockt werden. Gebaut haben die Wohnungsbaugesellschaften in den letzten zehn Jahren gar nichts und auch aus den vor Kurzem angelaufenen Neubauprogrammen wurden bislang noch keine Wohnungen fertig gestellt. So bleibt nur der Ankauf, um die Bestände kurzfristig zu erweitern. Im Mai 2014 sollen die ersten 52 Wohnungen in Marienfelde an der Waldsassener Straße fertig werden, kündigte die landeseigene Degewo im Dezember an. Im Durchschnitt sollen diese am Stadtrand gelegenen Wohnungen 8,50 Euro/qm nettokalt kosten. An Mietinteressent/innen mangelt es laut Degewo nicht.    

                                           

Neubauprojekte der landeseigenen Unternehmen    

Insgesamt wollen die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften in den kommenden Jahren rund 10.000 neue Wohnungen bauen. Damit haben sie die Anzahl ihrer geplanten Neubauwohnungen innerhalb des letzten Jahres deutlich erhöht, denn Anfang 2013 waren insgesamt nur 1.500 Neubauwohnungen geplant. Werden diese Pläne umgesetzt, entfällt immer noch nur ein Drittel der Neubauwohnungen, die laut Koalitionsvereinbarung in der Legislaturperiode bis 2018 neu entstehen sollen, auf die kommunalen Wohnungsunternehmen. Es könnten auch weniger sein, denn manche der Kommunalen nennen keinen genauen oder einen anderen Zeitraum. So kündigte die Degewo im vergangenen November an, 3.500 Wohnungen bis zum Jahr 2020 bauen zu wollen. Die Stadt und Land plant laut ihrer Website 1.000 Neubauwohnungen ebenfalls bis 2020, 1.000 weitere möchte sie auf dem Tempelhofer Feld errichten. Die Gesobau nennt als Ziel 1.010 Neubauwohnungen bis 2018. „Außerdem prüfen wir laufend weitere Grundstücke für den Neubau, um in den kommenden Jahren rund 2.000 weitere Mietwohnungen zu errichten“, heißt es auf der Unternehmenswebsite. Die Howoge will 1.500 Wohnungen bis 2018 fertig stellen und ihr Portfolio insgesamt um 6.000 Wohnungen auf 60.000 erweitern. Die Gewobag kündigte im Juni den Neubau von 3.000 Wohnungen an. „Mit einem konkreten Neubauprojekt steht sie bereits in den Startlöchern: Als erster Bezirk wird Prenzlauer Berg profitieren (…). 2015 werden nach aktueller Planung die Baumaßnahmen für 150 neue Wohnungen abgeschlossen sein. Für 15 weitere Neubauprojekte in den Bezirken Prenz-lauer Berg, Kreuzberg, Schöneberg und Charlottenburg laufen die Ausschreibungen, die entsprechenden Baumaßnahmen werden derzeit vorbereitet“, heißt es in einer Pressemitteilung vom 11. Juni 2013. Die WBM hat bislang lediglich 550 neue Wohnungen geplant. In manchen Fällen lassen die landeseigenen Gesellschaften auch einfach für sich bauen. So kaufte die Degewo in Rudow 109 Wohnungen, die bis Sommer 2015 schlüsselfertig übergeben werden sollen, von der MHMI Immobilien-Verwaltungen GmbH. Die Howoge erwarb ein Neubauprojekt mit 157 Mietwohnungen in Alt-Hohenschönhausen von der Townscape One-Gruppe. Die 2- bis 5-Zimmer-Wohnungen „im mittleren Preissegment“ sollen bis Anfang 2015 fertig gestellt sein.        

 

Wohnungsbedarf weiterhin nicht gedeckt        

Dem gestiegenen Wohnungsbedarf in Berlin werden die Planungen nach wie vor nicht gerecht. Im Entwurf des Stadtentwicklungsplans Wohnen wird ein Bedarf von jährlich 10.000 neuen Wohnungen geschätzt. Damit übersteigt der von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung geschätzte Bedarf bereits die geplanten 30.000 Wohnungen in fünf Jahren, die in der Berliner Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und CDU vereinbart sind. Unabhängig davon, ob 6.000 oder 10.000 Wohnungen pro Jahr realisiert werden, kommt privaten Investoren weiterhin die wichtigste Rolle zu. Aber auch mit den privatwirtschaftlich gebauten Wohnungen kann die Zahl der neu gebauten Wohnungen bei Weitem nicht den tatsächlichen Bedarf in Berlin erfüllen. 2012 wurden in Berlin lediglich 5.417 Wohnungen fertiggestellt. Die Zahl der Baugenehmigungen ist laut statistischem Landesamt in den ersten 9 Monaten des Jahres 2013 immerhin um 40% gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen. Von Januar bis September 2013 wurden in Berlin 7.117 Baugenehmigungen für Neubauwohnungen erteilt. Die größten Steigerungen gab es bei Mehrfamilienhäusern. Aus der Statistik geht jedoch nicht hervor, ob es sich um Miet- oder Eigentumswohnungen handelt.      

 

 

Nettokaltmiete 8 Euro/qm und mehr            

Die Bautätigkeit wie auch der Ankauf von Wohnungen durch die landeseigenen Gesellschaften wird wohl nur in geringem Maß zu sozialem Ausgleich und zu sozialer Durchmischung führen, wie sie von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung angestrebt werden. Für Geringverdiener/innen und für Personen, die auf Transferleistungen angewiesen sind, sind die Neubauwohnungen der kommunalen Wohnungsunternehmen genauso wenig bezahlbar wie die Wohnungen privater Investoren. In der Regel rechnen die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften mit Nettokaltmieten von 8 bis 10 Euro/qm. In einzelnen Fällen streben sie eine noch höhere Miete an. Nur bei einigen wenigen Projekten wird damit geworben, dass auch Wohnungen zu „bezahlbaren“ oder „günstigen“ Mieten entstehen sollen. Bezahlbare Mieten liegen nach der Vorstellung von Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) zwischen 6 und 8 Euro/qm nettokalt. Aber selbst eine Miete von 6 Euro/qm übersteigt üblicherweise die vom Jobcenter übernommenen Kosten. 850 Wohnungen im Mietsegment zwischen 6 und 8 Euro/qm nettokalt sollen ab 2016 auf dem Tempelhofer Feld auf der Seite des Tempelhofer Damms gebaut werden. Insgesamt 1.700 Wohnungen wollen Degewo, Stadt und Land und die Genossenschaft Ideal dort im westlichen Randbereich des ehemaligen Flugfelds bauen, vorausgesetzt, dass die Bebauung nicht per Volksbegehren verhindert wird.             

 

Kein günstiger Wohnraum durch Renditeorientierung    

Im Landeshaushalt 2014/15 sind 90 Millionen Euro vorgesehen, um die Bundesmittel für Städtebauförderung in vollem Umfang ausschöpfen zu können. Außerdem soll ein Wohnungsneubaufonds mit rund 320 Millionen Euro für bauwillige Investoren geschaffen werden. Die Gelder können sowohl landeseigene als auch private Unternehmen abrufen. Die Kredite, die über die Investitionsbank Berlin vergeben werden sollen, wären mit einer Belegungsbindung für mindestens ein Drittel der jeweils gebauten Wohnungen verknüpft.             

Solange aber die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften angehalten sind, renditeorientiert zu wirtschaften, werden sie weder durch Rückkauf von Wohnungen noch durch Neubau kaum günstigere Bedingungen für Mieter/innen schaffen als private Immobilienunternehmen. Dass die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften im Gegenteil auch mietpreistreibend sein können, zeigt die Gesobau in Pankow, die nach Modernisierung einiger Häuser die Mieten bis über die Mittel- und Höchstwerte des Mietspiegels erhöhen will.        

 

 

 


MieterEcho 365 / Februar 2014

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