Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 365 / Februar 2014

Die Masche mit der Kunst

Wenn aus einem Mietshaus ein Engelshaus wird

Von Susanne Torka                                    

 

Lange wurde am Altbau Perleberger Straße 29 im Moabiter Stephankiez gebaut. Erst seit wenigen Monaten sind die letzten Engelfiguren des Pop-Art-Künstlers Sergej Alexander Dott an der Fassade installiert. Und die Eigentümerin des Hauses, die spark::ling AG, zog von der Kollwitzstraße nach Moabit, „wo Berlin noch herb ist“ .                                    


Doch was ist mit den Mieter/innen geschehen? Sind sie, wie es ein Passant ausdrückte, „wie die Englein mit einem Arschtritt aus ihren Wohnungen geflogen“? Die erste Modernisierungsankündigung kam 2011. Ihr folgten weitere und die angekündigten Mieten wurden immer höher. Modernisiert werden sollten auch bereits mit Bad und Heizung ausgestattete Wohnungen. Also haben die Mieter/innen der Modernisierung nicht zugestimmt. Sie sahen nicht ein, warum eine neue Zentralheizung eine Modernisierung sein soll, denn schließlich stammte die alte und erneuerungsbedürftige Ölzentralheizung aus dem Jahr 1972. Die Kunst von Modernisierungsfirmen besteht darin, die Kosten für notwendige Instandsetzungen in Modernisierungen zu verstecken und damit auf die Mieter/innen umzulegen. Eine gängige Praxis, man könnte es auch Betrug nennen. Deshalb sollten Mieter/innen entsprechende Bauarbeiten genau beobachten.    

Die Bauarbeiten in der Perleberger Straße 29 begannen im Februar 2011. Im Mai 2011 gab die alte Hausverwaltung bekannt, dass das Haus verkauft worden sei, zunächst an die MIB Perleberger Straße 29 GmbH, später umfirmiert in moving berlin GmbH. Auch für weitere Häuser wie die Sonnenallee 162 oder die Silbersteinstraße 117 wurden Gesellschaften gegründet, deren Namen aus der jeweiligen Straße und Hausnummer bestehen. Der Sitz all dieser Firmen war bis vor Kurzem die Kollwitzstraße 60 in Prenzlauer Berg. Hausverwalter wurde die J. Schröder & Co. GmbH. Es gibt ein Firmengeflecht, zu dem auch Künstler und die Kunstmanufaktur Roter Klee gehören. Die jetzige Eigentümerin spark::ling AG hat ihren Geschäftssitz nun in der Perleberger Straße 29.                                

 

Abschreckung durch Umlagen    

Die Mieter/innen der Perleberger Straße 29 berichteten von Schikanen und dass ihnen mit bösen Briefen unterstellt worden sei, Müll nicht zu trennen und Türen nicht zu schließen. Zudem hätte die neue Hausverwaltung den Wachschutz mit der Betriebskostenabrechnung auf die Mieter/innen umlegen wollen. Doch der Wachschutz habe dazu gedient, die Baustelle zu bewachen – aus Angst vor Kupferdieben. Wenn Baustellen monatelang brach liegen, ist es wenig verwunderlich, wenn Material verschwindet. Und in der Perleberger Straße 29 stand die Baustelle sogar fast ein ganzes Jahr lang still, nachdem die Baufirma im Februar 2012 pleite ging. Auch in der Perleberger Straße 29 hat die berüchtigte Entmietungsfirma Pro Soluta mit einigem „Erfolg“ gearbeitet. Am Klingeltableau ist abzulesen, dass eine Menge Wohnungen leer stehen. Auch das gehört zur Kunst von Modernisierungsfirmen: Mieter/innen mit hohen Modernisierungskosten erschrecken. Wenn sich die Miete nach der Modernisierung verdoppelt, werden diejenigen, die sich das nicht leisten können, schon ausziehen. Das Kalkül ging in der Perleberger Straße 29 teilweise auf, denn einige Mieter/innen suchten schnell das Weite. Einige Wohnungen wurden im Internet als Eigentumswohnungen angeboten und zufällig trafen Mieter/innen Kaufinteressenten im Treppenhaus.         

Die Perleberger Straße 29 wird als Engelshaus vermarktet. Es finden sich Stuckelemente in Form von Flügeln im Treppenhaus und es gibt Engeltapete im Eingang, Lilien auf der Hinterhoffassade und dem angebauten Aufzug sowie die Engel an der Fassade. Die Verwendung von Kunst (oder Kitsch) gehört zum Konzept der spark::ling. Die Kunstprojekte können durchaus die Akzeptanz von Modernisierungen erhöhen, sowohl bei Presse und Öffentlichkeit als auch bei Bauämtern. Und somit ist vielleicht auch die Popart eine Modernisierungsmasche.    

                        

Weitere Informationen:

Mieter/innen aus der Perleberger Straße 29 freuen sich über Kontakte und Austausch mit Mieter/innen aus andern Häusern. 

Kontakt: kontakt@wem-gehoert-moabit.de

 

 


MieterEcho 365 / Februar 2014

Schlüsselbegriffe: Perleberger Straße 29, Stephankiez, Moabit, Modernisierungsankündigung, Engelfiguren, moving berlin GmbH, spark::ling AG, Pro Soluta, Modernisierungskosten

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