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MieterEcho 361 / Juli 2013

Weiter Warteschlangen beim Wohngeld

Die Bearbeitung von Wohngeldanträgen dauert dort am längsten,
wo Mieter/innen am stärksten von Verdrängung betroffen sind

Von Christian Linde                                    

 

Mieter/innen mit geringen Einkommen haben einen Rechtsanspruch auf Wohngeld. Dennoch hat sich an den seit Jahren kritisierten langen Bearbeitungszeiträumen für Wohngeldanträge seit dem Amtsantritt von SPD und CDU Ende 2011 nichts geändert. Das belegt eine Erhebung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Vor allem die Kürzungspolitik der Landesregierung bei den Bezirken wirkt sich nachteilig für Mieter/innen aus.    


In einer Resolution warnte die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di letzten Dezember vor den Folgen der seit Jahren andauernden Kürzungspolitik des Berliner Senats für die Beschäftigten und die Bürger/innen. „Inzwischen stehen die Berliner Bezirke personell vor dem Kollaps“, so der Bezirksvorstand Berlin. Ämter müssten ihre Öffnungszeiten einschränken oder zeitweilig ganz schließen und Anträge könnten nicht bearbeitet werden. Spürbar wird dies nicht zuletzt für Mieter/innen. So werden seit Jahren die langen Bearbeitungszeiten der Wohngeldanträge kritisiert. „Neben Besonderheiten des Einzelfalls und damit verbundenem erhöhten Prüfaufwand beziehungsweise der Unvollständigkeit der notwendigen Antragsunterlagen beeinflusst die Personalausstattung der Wohngeldabteilungen nicht unerheblich die Dauer der Antragsbearbeitung.“ Dies räumte der Senat bereits 2008 in einer parlamentarischen Anfrage ein, schob allerdings den schwarzen Peter gleich weiter: „Für die Organisationsabläufe innerhalb der Bezirke sind jedoch diese eigenständig verantwortlich.“ Vonseiten der Opposition hagelte es seinerzeit Kritik am rot-roten Senat. „Die CDU-Fraktion setzt sich, genauso wie die anderen Mitglieder des Petitionsausschusses, auch weiterhin für einen schnelleren Bürgerservice in Berlin ein. Wir halten deshalb an einer auskömmlichen und qualifizierten Personalausstattung der Bezirke fest“, versicherte beispielsweise im Jahr 2009 der damalige sozialpolitische Sprecher der CDU Gregor Hoffmann.     

 

Zahl der Sachbearbeiter fast halbiert                

Verbessert hat sich seit der Regierungsübernahme von SPD und CDU Ende 2011 allerdings nichts. Wurden im Jahr 2007 insgesamt 75.154 Anträge auf Wohngeld gestellt, lag ihre Anzahl mit 74.802 im Jahr 2012 praktisch auf gleichem Niveau. Ein gravierender Unterschied ist jedoch festzustellen: Wurden die Aktenberge in allen Bezirken zusammengenommen vor knapp fünf Jahren noch von 143 Sachbearbeiter/innen abgetragen, beziffert der Senat die Personalstellen bei den Wohngeldämtern aktuell mit nur noch 80. Damit hat sich der Personalstand zwischen 2008 und 2013 nahezu halbiert. Zudem ist die durchschnittliche Bearbeitungsdauer in denjenigen Bezirken am längsten, die mit der größten Antragsflut zu kämpfen haben oder die größte Bedarfslücke beim Personal aufweisen. Dazu gehören neben Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln auch Pankow und Lichtenberg. Während Mieter/innen in Neukölln im Durchschnitt mehr als vier Monate auf einen Bescheid warten müssen, sind es in Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg immerhin drei Monate. Auch ist die Zahl der „nicht abschließend bearbeiteten Anträge“ mit Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte genau in den Stadtteilen am höchsten, in denen sich der Verdrängungsdruck aufgrund der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt am stärksten auswirkt. Insgesamt waren in Berlin Ende 2012 10.256 Anträge unerledigt. Unterdessen wurden Befürchtungen bestätigt, dass auch in Zukunft die Wohngeldstellen von den zwischen der Senatsfinanzverwaltung und den Bezirken vereinbarten Kürzungen nicht verschont bleiben. „Im Bezirk Marzahn-Hellersdorf fallen aufgrund des vereinbarten Stellenabbaus bis zum Jahr 2014 zwei und im Bezirk Mitte 1,5 Sachbearbeiterstellen weg“, so der Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Ephraim Gothe (SPD). Mieter/innen, denen aufgrund der langen Wartezeit Mietschulden drohen, haben die Möglichkeit vorzusorgen: Nach § 42 Absatz 1 Sozialgesetzbuch I (SGB I) kann die Wohngeldstelle nach pflichtgemäßem Ermessen einen Vorschuss zahlen, wenn ein Wohngeldanspruch dem Grunde nach besteht, zur Feststellung seiner Höhe aber voraussichtlich noch eine längere Zeit erforderlich ist.                 

 

Weitere Informationen zu Wohngeld:

www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/wohngeld/diwo.shtml

 

 


MieterEcho 361 / Juli 2013

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