Logo Berliner Mietergemeinschaft e.V.
MieterEcho 360 / Mai 2013

Was der aktuelle Mietspiegel 2013 im Vergleich zum Mietspiegel 2011 deutlich werden lässt

Kommentar von Joachim Oellerich

Der letzte Mietspiegel wurde von der durch ihre wohnungspolitische Abstinenz zu zweifelhaftem Ruhm gekommenen Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) verkündet. In diesem Jahr hatte ihr Nachfolger Michael Müller (SPD) seinen großen Auftritt. Über anderthalb Jahre ist er im Amt und hat in der Zeit immerhin erkannt, dass der Wohnungsmarkt nicht mehr als entspannt zu bezeichnen ist. Das war auch alles, wenn man davon absieht, dass ihn diese Erkenntnis veranlasst hat, mit dem sogenannten Mietenbündnis quasi ein Bündnis mit sich selbst abzuschließen und den Vorentwurf eines Stadtentwicklungsplans Wohnen zu liefern. Bei solchen wohnungspolitischen Großtaten ist es kein Wunder, dass die Mieten steigen. Die aus allen Ländern dieser Erde angelockten Investoren haben in Berlin freie Bahn und die nutzen sie, wie der Mietspiegel zeigt.                                

 

Das Tabellenschema hat sich gegenüber dem Mietspiegel von 2011 verändert. Aus elf Spalten wurden sieben. Verschwunden ist die Spalte der Halbstandardwohnungen bis 1918. Die ortsübliche Vergleichsmiete der rund 75.000 Wohnungen dieser Kategorie wird durch einen Abschlag von 1,28 Euro auf die entsprechenden Felder der Spalte für die Vollstandardwohnungen bis 1918 gebildet. Das gleiche Prinzip wird bei den ebenfalls verschwundenen Halbstandardwohnungen der Baualtersklasse 1919 – 1949 angewendet. Hier beträgt der Abschlag 1,48 Euro. Die Spalten der Neubauwohnungen 1950 – 1955 und 1956 – 1964 wurden zusammengefasst, desgleichen die Spalten 1973 – 1983 West und 1984 – 1990 West. Wegen der eingeschränkten Vergleichbarkeit werden nur vier Baualtersklassen näher betrachtet.

Baualtersklasse bis 1918                

Das Wohnen im Altbau entwickelt sich zum Luxus. Hatte der Mietspiegel 2011 bereits eine Steigerung von rund 10% ausgewiesen, setzt sich diese Tendenz weiter fort. Die Wohnlagen – einfach, mittel, gut – gleichen sich im Durchschnitt immer mehr an. Bei den Wohnungen bis 40 qm in einfacher Lage wurden 17% Mietsteigerung festgestellt und die Mieten der Wohnungen von über 40 bis 60 qm sind sogar um 19% gestiegen.

Dabei handelt es sich um Wohnungen, wie sie unter anderem in Neukölln zu finden sind. Die Untersuchungen des Planungsbüros Topos in diesem Bezirk haben teilweise bereits vor Jahren Mietsteigerungen in dieser Höhe festgestellt. Jetzt werden sie durch den Mietspiegel bestätigt. Eine kleine – von der Neuköllner Bezirksgruppe der Berliner MieterGemeinschaft durchgeführte – Untersuchung verdeutlicht die Ursache. Das ehemals rote Neukölln wurde zum Liebling der Immobilienbranche. Kleine und mittlere Investoren überfluten den Bezirk auf der Suche nach renditeträchtigen Altbauten. Meistens gelingt ihnen die lukrative Verwertung zulasten der Mieter/innen nach dem Schema Ankauf, Modernisierung und Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Im Wedding, in Moabit und anderen Stadtteilen ist das gleiche Muster zu finden. Die Forderungen nach einer Umwandlungsverordnung, die diesem Treiben wenigstens teilweise Einhalt bieten könnte, werden von den im Senat vertretenen Parteien nicht wahrgenommen.

Baualtersklasse 1919 - 1949                

Die Steigerungen in dieser Baualtersklasse nehmen sich daneben fast bescheiden aus. Das zeigt, welche Mieterhöhungspotenziale noch zu nutzen sind. Kleine und mittelgroße Wohnungen bis 90 qm in einfacher Lage zeigen nur geringe Steigerungen. Es ist nicht auszuschließen, dass von den Genossenschaften, die über einen großen Teil der Bestände dieser Baualtersklasse verfügen, eine  mietpreisdämpfende Wirkung ausgeht. Um durchschnittlich 5% sind die Mieten der Wohnungen dieser Baualtersklasse in mittleren Lagen gestiegen. Durchweg moderat ist die Mietentwicklung bei Wohnungen in guter Lage. Allerdings bilden sie nur ein kleines Kontingent.       

Baualtersklasse 1965 - 1972                

Mit knapp 113.000 Wohnungen ist diese Baualtersklasse eine der kleineren. Sie umfasst viele Bestände des ehemaligen sozialen Wohnungsbaus. Die enormen Mietsteigerungen der kleinen Wohnungen in einfachen und mittleren Lagen (15% bei Wohnungen unter 40 qm in einfacher und 18% in mittlerer Lage sowie 10% bei Wohnungen zwischen 40 und 60 qm in einfacher Lage) sind auf die stark gestiegene Nachfrage in diesem Segment zurückzuführen. Seit Jahren weist die Fachöffentlichkeit auf den Mangel an kleinen und preiswerten Wohnungen hin – ohne politische Resonanz. Die normalen Einkommen steigen nicht, prekäre Beschäftigungen nehmen zu, bezahlbare Wohnungen werden zur Mangelware. Und dort, wo sie bisher noch zu finden waren, treibt die Nachfrage die Mieten in die Höhe.

Baualtersklasse 1973 - 1990 Ost            

Zu dieser Baualtersklasse gehören über 204.000 Wohnungen. Die meisten von ihnen befinden sich in Marzahn, Hellersdorf, Lichtenberg und Hohenschönhausen. In den zurückliegenden Jahren gelang es den Wohnungsbaugesellschaften immer wieder, die Mieten durch Modernisierungsmaßnahmen anzuheben. Wenn die Mietentwicklung nun einen geringeren Anstieg zeigt, ist das ein Ausdruck dafür, dass bereits in der Vergangenheit Modernisierungsmöglichkeiten voll ausgenutzt wurden. Die kleinen Wohnungen sind auch in diesen Beständen teuer.

Baualtersklasse 2003 - 2011                

Die von 2003 bis 2011 gebauten Wohnungen haben im aktuellen Mietspiegel keine eigene Spalte. Sie fallen durch das Schüttelrost, weil in all den Jahren der rot-roten Koalition nur 7.700 Mietwohnungen gebaut wurden. Diese Menge ist für eine Erfassung mit den Instrumenten des Mietspiegels zu gering. Dennoch ist die Wirkung dieser Phantombaualtersklasse groß, denn sie repräsentiert die Ursache für den engen Wohnungsmarkt und den preistreibenden Nachfrageüberhang.

Fazit                            

Der nächste Mietspiegel wird durch die aktuellen Angebotsmieten vorbereitet. Ein Blick in die Zeitungsinserate oder auf die entsprechenden Internetseiten lässt nichts Gutes erwarten. Zwar wird immer lautstärker Neubau gefordert, doch eine Realisierung ist nicht in Sicht. Vor allem aber gibt es keine Antwort auf die Frage nach der Bezahlbarkeit. Der Wohnungsbau kann nicht dem Markt überlassen bleiben. Ein öffentlicher Wohnungsbau mit Mietpreisbindung ist das Gebot der Stunde.

 


MieterEcho 360 / Mai 2013

Schlüsselbegriffe: Berliner Mietspiegel 2013, Stadtentwicklungsplan Wohnen, Mietenbündnis, Ingeborg Junge-Reyer, Michael Müller, Mieterhöhungspotenziale, Mietpreisbindung