Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 362 / September 2013

Verdrängung am Stadtrand

Nach einer Serie von Verkäufen geraten Mieter/innen in Spandau zunehmend unter Druck

Von Jutta Blume                                        

Zwangsräumungen betreffen nicht nur Mieter/innen in beliebten Innenstadtgebieten. Die Räumung von Thomas Besuch aus seiner Wohnung im Pillnitzer Weg 15 in Staaken am 15. Juli 2013 machte deutlich, dass auch dort missliebige Mieter/innen weichen müssen, damit höhere Mieten  erzielt werden können. Der Protest von etwa 70 Nachbar/innen und Aktivist/innen des Bündnisses gegen Zwangsräumung konnte die Räumung nicht verhindern.    

                           

Die Häuser im Pillnitzer Weg gehören zur in Spandau-Staaken gelegenen Rudolf-Wissell-Siedlung, die Ende der 60er bis Anfang der 70er Jahre im kommunalen Wohnungsbau errichtet wurde. Die Siedlung besteht aus rund 8.000 Wohnungen und gehört seit 2005 zum Quartiersmanagementgebiet Heerstraße, da einkommensschwache Familien zuzogen und Besserverdienende wegzogen. Am Zuzug ärmerer Familien hat sich nichts geändert. Neu ist, dass eine Verdrängung alteingesessener, einkommensschwacher Bewohner/innen stattfindet.                                    

 

Mieterhöhungen unter Ypsilon        

Nach einer Serie von Verkäufen befindet sich seit 2011 ein Teil der Mietshäuser im Pillnitzer Weg im Eigentum der Ypsilon Liegenschaftsverwaltungs GmbH, die auch Häuser im Loschwitzer Weg besitzt. Seither wird Mieter/innen systematisch gekündigt, wie Thomas Besuch, der Sprecher der Mieterinitiative Staaken, berichtet. Besuch selbst erhielt mehrfach Kündigungen von Ypsilon, unter anderem wegen Verunglimpfung von Ypsilon bei ihren Vertragspartnern. Der Volkssolidarität wurde nach Aussage von Besuch die Kündigung ihres Ladenlokals angedroht, wenn sie weiterhin Mieterversammlungen in ihren Räumlichkeiten zulassen sollte. Inzwischen trifft sich die Mieterinitiative in Räumen, die nicht Ypsilon gehören.        

 

Der in Arbeitslosigkeit geratene KfZ-Mechaniker Thomas Besuch wohnte 11 Jahre in der Wohnung im Pillnitzer Weg 15. Nach mehreren Kündigungen setzte die Vermieterin Ypsilon-GmbH die Kündigung und Räumung wegen eines angeblichen Zwischenfalls mit einer Nachbarin durch. Ein Antrag auf Räumungsschutz wegen drohender Obdachlosigkeit war kurz zuvor abgelehnt worden. Etwa 70 Nachbar/innen und Unterstützer/innen hatten vergeblich versucht, den Zugang zum Haus zu blockieren.

 

„Unter Ypsilon hat es extreme Mieterhöhungen gegeben“, berichtet Besuch. Bei Neuvermietungen würden pro Wohnung etwa 60 bis 80 Euro mehr verlangt, sodass die Wohnungen inzwischen bis zu 13,33 Euro/qm warm kosten würden. Aufgrund der kleinen Wohnungsgrößen werden die Richtlinien des Jobcenters für die Kosten der Unterkunft dennoch nicht überschritten (siehe auch Seite 11). Die Vermutung liegt nahe, dass Ypsilon versucht, von der Verdrängung von ALG-II-Beziehenden aus der Innenstadt zu profitieren und ihrerseits langjährige Mieter/innen, die auf ALG II angewiesen sind, zu verdrängen. Die Mieterinitiative Staaken strebt an, die Mieter/innen besser zu vernetzen und Informationen auszutauschen. So wurden bislang immer wieder Gerüchte von fristlosen Kündigungen und Zwangsräumungen bekannt, teilweise aufgrund von um wenige Tage zu spät gezahlter Miete. Zunächst möchte sich die Initiative eine feste Struktur geben. „Wir haben uns die Mieterinitiative Kotti e.V. zum Vorbild genommen. Wir wollen uns als Verein eintragen lassen, damit die Mieter/innen eine Anlaufstelle haben“, so Besuch.                            

 

Undurchsichtige Eigentümerstruktur    

Über die neuen Eigentümer in Staaken sammelt die Mieterinitiative noch Informationen. Bei den Häusern der Ypsilon Liegenschaftsverwaltungs GmbH handelt es sich um ehemalige Bestände der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft Bewoge, die durch die In-sich-Verkäufe des Landes Berlin Tochtergesellschaft der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) wurde. Im Jahr 2004 wurden sie der ebenfalls zur WBM gehörenden IHZ übertragen. Es folgte 2005 der Verkauf an die Arwobau und 2008 an die australische Investmentgesellschaft Babcock & Brown, die 2009 in die Insolvenz ging. Trotz Insolvenz geht aus den Unterlagen von Mieter/innen aus dem Pillnitzer Weg hervor, dass erst 2011 ein Eigentümerwechsel an die Ypsilon Liegenschaftsverwaltungs GmbH erfolgte.                 

Die Geschäftsführer der Ypsilon sind Dr. Klaus Keunecke und Rubina Keunecke. Der  Name Klaus Keunecke taucht auch bei weiteren Immobiliengeschäften in Spandau auf. Am 4. Juni 2011 meldete der Tagesspiegel einen Paketverkauf von 1.087 Wohnungen an die FFIRE Immobilienverwaltung AG für 27 Millionen Euro. Zum Aufsichtsrat der FFIRE Immobilienverwaltung AG gehört Klaus Keunecke. Schaut man sich die Geschichte von FFIRE an, stellt sich ihre Tochtergesellschaft FFIRE Investment GmbH als direkte Nachfolgerin der Vivacon Immobilien Portfolio XXVI./2007 Verwaltungsgesellschaft mbH dar.       

Die 2009 in finanzielle Probleme geratene Vivacon hatte ihren Besitz in Teilgesellschaften aufgeteilt, sodass nicht alle gleichermaßen von der Unternehmenspleite betroffen waren. Im Februar 2012 verlegte die Vivacon Immobilien Portfolio XXVI./2007 Verwaltungsgesellschaft mbH ihren Geschäftssitz von Köln nach Berlin. Die Geschäftsführer waren zu dem Zeitpunkt Marc Schulten und Klaus Keunecke. Ebenfalls im Februar 2012 wird die Firma in Berlin als FFIRE Investment GmbH neu eingetragen und Klaus Keunecke als Geschäftsführer abgelöst.    

                           

Profit aus der Finanzkrise        

Die Filetierung der privatisierten Wohnungsbestände in Spandau und die zahlreichen Weiterverkäufe machen es bei vielen Häusern schwierig, die derzeitige Eigentümerstruktur nachzuvollziehen. Auch für die Mieterschaft ist es oft nicht einfach, die jeweiligen Eigentümer und Verwalter zu kennen, zumal Akteure wie Ypsilon sowohl als Eigentümer als auch als Hausverwaltung auftreten.         

Die in Spandau aktiven Immobilienunternehmen nutzen die Folgen der Finanzkrise kombiniert mit dem zunehmenden Wohnraummangel in Berlin. So  beschreibt FFIRE das eigene Geschäftsmodell: „Aufgrund der Verwerfungen als Auswirkungen der globalen Finanzkrise eröffnet die anstehende Refinanzierungswelle ein interessantes Investitionsfenster zur Akquisition von Wohnungsportfolien zu Discount-Preisen.“ Das heißt, dass für Immobilien, die zwischen 2005 und 2008 verkauft worden sind, inzwischen die Kredite auslaufen. Diese Immobilien kommen zu günstigen Preisen auf den Markt, entweder aufgrund von Insolvenzen oder weil ihre Eigentümer gezwungen sind zu verkaufen. FFIRE macht sich dies zunutze, kauft jedoch nicht mit eigenem Kapital, sondern tritt als „Mittler zwischen Bank und Co-Investor“ auf und verspricht so einen problemlosen Zugang für ausländische Investoren, „deren Engagement als vermeintliche ‚Heuschrecke’ noch immer als Reputationsrisiko für heimische Banken angesehen wird“.

„Wir sind eindeutig keine Heuschrecken“, versicherte Schulten 2011 gegenüber dem Tagesspiegel. Dennoch stellt sich die Frage, wie sich FFIRE mit ihrem Konzept des günstigen Erwerbs und relativ schnellen Exits davon unterscheidet. Sie nutzt ähnliche Strategien wie ihre Vorläuferin Vivacon, die ebenfalls einen schnellen Handel mit kleineren Wohnungspaketen betrieb. Nur könnte FFIRE hierfür angesichts des Wohnungsmangels einen günstigeren Zeitpunkt gewählt haben. Die Ypsilon hingegen lässt über ihre Strategien offiziell nichts verlautbaren. Nur die personellen Überschneidungen lassen hier Vermutungen zu.            

Klaus Keunecke und Marc Schulten dürften sich gut auf dem Berliner Markt auskennen. Keunecke betreibt mit „Dr. Keunecke und Partner“ ein Gutachterbüro für Immobilien. Er sitzt im Gutachterausschuss des Landes Berlin und berät Banken und Immobilienfonds. Schulten war von 1993 bis 1996 Berater der Treuhandanstalt Berlin für Immobilienrückgaben und die Reprivatisierung ostdeutscher Unternehmen und anschließend Geschäftsführer der brandenburgischen LEG Wohnen. Später war er im Management der IMW AG tätig, die ebenfalls Wohnungen in Berlin besitzt.    

 

Weitere Informationen:

www.zwangsraeumungverhindern.blogsport.de   

 

FFIRE und Capri-Portfolio

Im August 2008 soll die FFIRE Immobilienverwaltung zusammen mit einem Firmenkonsortium das sogenannte Capri-Portfolio erworben haben, berichtet das Internetportal thomas-daily.de. „Das mit rund 163 Millionen Euro bewertete Portfolio besteht aus acht Objekten mit 1.640 Wohnungen und 340 Gewerbeeinheiten. Fünf der Liegenschaften befinden sich in Berlin, die restlichen in Essen, Hamburg und Lübbenau (Spreewald).“ 1.089 Wohnungen des Portfolios sollen in Spandau liegen. Im März 2013 vermeldet die Finanzpresse einen weiteren Paketverkauf von 1.085 Wohnungen mit 75.300 qm Wohnfläche in Spandau an die Westgrund AG. Im Aufsichtsrat der Westgrund ist wiederum Marc Schulten vertreten. „Dabei handelt es sich nach TD-Informationen um einen Teil des sogenannten Capri-Portfolios, das die US-Investmentgesellschaft Strategic Value Partners (SVP) 2007 erwarb“, schreibt das Portal thomas-daily.de. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich um das-selbe Paket handelt, das 2012 an FFIRE ging.

MieterEcho 362 / September 2013

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