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MieterEcho 362 / September 2013

Pleitegeier im Anflug?

Die Kosten des BER-Debakels bleiben unklar und werden
aus den parlamentarischen Haushaltsberatungen herausgehalten

Von Benedict Ugarte Chacón                               

Im Herbst letzten Jahres hatten sich die Gesellschafter der Flughafengesellschaft – Bund, Berlin und Brandenburg – zu einer Kapitalzuführung in Höhe von 1,2 Milliarden Euro entschlossen. Auf Berlin entfielen entsprechend seinem Anteil von 37% an der Gesellschaft 444 Millionen Euro. Notwendig geworden war die Finanzspritze durch die Nichtinbetriebnahme des Flughafens Berlin Brandenburg (BER) sowie durch die zu niedrig angesetzten Kosten der Schallschutzmaßnahmen für die Flughafenanwohner/innen. Ohne das zusätzliche Geld der Gesellschafter wäre die Flughafengesellschaft Ende 2012 pleite gewesen. Den hierfür nötigen Nachtragshaushalt beschloss das Abgeordnetenhaus mit den Stimmen der Großen Koalition. In der Zwischenzeit ist auf der BER-Baustelle nicht viel passiert – außer dass sie fortwährend Kosten und Mindereinnahmen verursacht.       


Offen darüber sprechen wollen Senat und Koalition in den Haushaltsberatungen und vor allem vor der Bundestagswahl nicht. Mit einer neuen finanziellen Hiobsbotschaft zu ihrer „Flughafen-Erfolgsgeschichte“ in den Wahlkampf zu ziehen, wäre für SPD und CDU nachvollziehbarerweise recht peinlich. Und so verwundert es nicht, dass sich in dem im Juni vom Senat beschlossenen Haushaltsentwurf nichts Relevantes zur Flughafengesellschaft findet. Das ist insofern erstaunlich, als der Berechnung der im letzten Jahr beschlossenen Kapitalzuführung eine Inbetriebnahme des Flughafens im Oktober 2013 zugrunde lag. Diese ist aber nach wie vor nicht abzusehen. Der finanzpolitische Sprecher der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus kritisierte das Vorgehen des Senats scharf: So lange die Kosten für das BER-Desaster nicht im Haushaltsentwurf eingepreist seien, „steht der behauptete Haushaltsausgleich 2015 auf tönernen Füßen“, schrieb Jochen Esser in einer Erklärung vom 25. Juni. Der vom Senat vorgelegte Haushaltsentwurf hätte somit das Verfallsdatum 22. September, den Tag der Bundestagswahl. Flughafenchef Hartmut Mehdorn würde zwar über alles Mögliche „philosophieren“, die entscheidenden Fragen zum Flughafen allerdings nicht beantworten: „Was muss auf der Baustelle alles in Ordnung gebracht werden? Und was wird das am Ende kosten?“ Esser selbst rechnet mit zusätzlichen Kosten von 200 bis 300 Millionen Euro. Anfang August berichtete das Nachrichtenmagazin Focus sogar über mögliche Zusatzkosten in Höhe von 400 Millionen Euro, mit denen sich der Aufsichtsrat auseinanderzusetzen habe.                               

 

Kaum Berichte ans Parlament       

Dem Abgeordnetenhaus wurde seitens des Senats bislang eher dürftig über die Situation von Flughafengesellschaft und BER berichtet. In mancherlei Hinsicht ist die Presse besser informiert als die Parlamentarier. Um ein wenig Klarheit in die Angelegenheit zu bringen, hatte die Piratenfraktion im Mai einen entsprechenden Antrag vorgelegt, mit dem der Senat aufgefordert werden sollte, nicht nur über die Mehrkosten für den Flughafenbau und deren Auswirkungen auf den Landeshaushalt zu berichten, sondern auch über die künftigen Risiken für das Land Berlin. Darüber hinaus sollten dem Parlament Wirtschaftlichkeitsberechnungen vorgelegt werden, um darzustellen, ob der Flughafen überhaupt jemals in der Lage sein wird, die für seine Errichtung angefallenen Kosten wieder einzuspielen. Wie zu erwarten wischten SPD und CDU dieses Ansinnen mit ihrer Mehrheit vom Tisch. Allerdings waren SPD und CDU in der Sitzung des Hauptausschusses, bei der der Antrag beraten werden sollte, nicht in der Lage, auch nur ein stichhaltiges Argument vorzubringen, das gegen eine solche Unterrichtung des Parlaments sprechen könnte, und beließen es bei hämischen Allgemeinplätzen. So gab der SPD-Abgeordnete Sven Heinemann an, er halte sich für ausreichend informiert, es bräuchte keine Berichte ans Parlament und außerdem sollten die Mitarbeiter/innen der Flughafengesellschaft lieber „ihre Arbeitskraft dafür nutzen, dass der Flughafen eröffnet werde“, wie es im Protokoll der Sitzung heißt. Sein Fraktionskollege Torsten Schneider ergänzte, dass die Zahlen zum BER-Debakel ja von den „Spatzen vom Dach“ gepfiffen würden. Wie wenig ernst die Regierungskoalition in Sachen BER zu nehmen ist, verdeutlicht auch das folgende Beispiel: Anfang des Jahres gab die Berliner CDU eine „Sonderausgabe“ ihrer Mitgliederzeitschrift „Berliner Rundschau“ heraus. Darin enthalten ist eine lange Liste von Maßnahmen, mit der die Partei dafür sorgen wolle, „dass aus dem BER doch noch eine Erfolgsgeschichte wird“. Hierzu bedürfe es als erstes „einer schonungslosen Analyse. Das BER-Projekt muss planerisch und finanziell völlig neu bewertet werden“. Zudem müsste „an verantwortlicher Stelle mehr Fachexpertise hinzugezogen werden“. Um Transparenz zu schaffen, „fordert die Berliner CDU, dem Abgeordnetenhaus von Berlin kontinuierlich alle sechs Wochen einen Bericht über den Projektfortschritt und den Realisierungsgrad am Flughafen BER zu geben“. In derselben Ausgabe der Zeitschrift sprach sich Innensenator und Flughafen-Aufsichtsratsmitglied Frank Henkel in einem Interview ebenfalls dafür aus, man müsse „Planung und Finanzierung des BER vollständig neu bewerten“. Resultiert ist aus diesen Absichtserklärungen bisher allerdings nur, dass die CDU gemeinsam mit der SPD entsprechende Ansinnen im Parlament konsequent niederstimmte. Selbst die Flughafengesellschaft arbeitet mittlerweile transparenter als der Senat und gibt nach jeder Aufsichtsratssitzung wenigstens einen öffentlich zugänglichen „Sachstandsbericht“ heraus.                                       

 

Monatliche Millionenkosten       

Was also in der nächsten Zeit auf den Landeshaushalt zukommt und ob dafür ein weiterer Nachtragshaushalt – nach der Bundestagswahl – beschlossen werden muss, ist zurzeit unklar. Selbst was die vor sich hindämmernde Baustelle des BER monatlich kostet, scheinen weder Flughafengesellschaft noch Senat genau zu wissen. In einer Anhörung Anfang Juni im Bauausschuss sprach Mehdorn von monatlichen Kosten von „20 Millionen plus/minus“, die durch Strom, Reinigung, Gebühren und Versicherungen zustande kämen. Allerdings soll er nach einem Bericht des Handelsblatts vom Mai dieses Jahres dem Bundesverkehrsministerium monatliche Kosten in Höhe von 35 bis 40 Millionen Euro mitgeteilt haben. Der Senat wiederum schrieb in einer Antwort auf eine Anfrage des Abgeordneten Martin Delius (Piraten): „Die erwarteten Mehrkosten der Terminverschiebung für das operative Geschäft lassen sich zurzeit mit insgesamt rund 16,5 Millionen Euro pro Verzögerungsmonat beziffern.“        

Ob der BER, so er denn einmal in Betrieb genommen wird, die zu seiner Errichtung aufgewendeten Kosten wieder einspielen kann, steht in den Sternen. Zudem kamen immer wieder Vermutungen auf, dass der neue Flughafen in absehbarer Zeit an die Kapazitätsgrenze kommen könnte. Auch Mehdorns Überlegungen gehen in diese Richtung. In der erwähnten Anhörung im Bauausschuss gab er an, dass er zwar keine Engpässe beim Terminal erwarte, diese aber darin sehe, dass Berlin nach der Schließung von Tegel nur noch über zwei Landebahnen verfügen wird. „Da würde ich mir Sorgen machen“, ließ er die Abgeordneten wissen. Die von Mehdorn immer wieder ins Gespräch gebrachte Offenhaltung von Tegel mag dieser Erkenntnis geschuldet sein, denn eine weitere Landebahn am BER-Standort in Schönefeld zu bauen, dürfte einige Probleme mit sich bringen. Neben den reinen Baukosten würden Kosten für Umsiedlungen und Lärmschutzmaßnahmen auf die Flughafengesellschaft zukommen. Zudem könnte sich das von den neu festzulegenden Flugrouten betroffene Potsdam vehement gegen ein solches Ansinnen stemmen. Bei der Offenhaltung von Tegel wäre darüber hinaus zu bedenken, dass der Flughafen entsprechend saniert und auf den aktuellen Stand gebracht werden müsste, was ebenfalls einiges kosten dürfte. Nicht zuletzt wäre zu beachten, dass eine Offenhaltung von Tegel der rechtsgültigen Planfeststellung für den BER zuwiderliefe, wonach sechs Monate nach dessen Inbetriebnahme der Flughafen TXL zu schließen ist. Es wären also entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um auch hier wieder Rechtssicherheit zu erlangen. Die zusätzlichen Kosten für den Lärmschutz der Tegel-Anwohner/innen, auf den diese nach dem Fluglärmgesetz einen Anspruch hätten, hat Mehdorn bisher weder erwähnt, geschweige denn beziffert.                                                 


MieterEcho 362 / September 2013

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