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MieterEcho 361 / Juli 2013

„Platz für gut 10.000 Wohnungen“

Flughafen Tegel bietet viel mehr Möglichkeiten für neue Wohnungen, als der Senat bislang vorsieht, meint der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen

Interview mit Maren Kern 

 

Maren Kern ist Vorstandsmitglied des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU). Im BBU sind 355 Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften der Länder Berlin und Brandenburg zusammengeschlossen. 

 

MieterEcho: Ende April hat der Senat den „Masterplan TXL“ für die Nachnutzung des Tegeler Flughafengeländes beschlossen. Dieser sieht nach der Schließung des Airports neben der Ansiedlung moderner Industrieunternehmen und Forschungseinrichtungen auch den Bau von 1.000 Wohnungen vor. Halten Sie diese Größenordnung für angemessen?    

Maren Kern: Nein. Bis 2030 sollen rund 254.000 Menschen mehr in der Stadt leben als heute. Bei der Nachnutzung des Tegeler Flughafens müsste deshalb unserer Ansicht nach Platz für gut 10.000 Wohnungen vorgesehen werden. Hier finden sich große, gut an die Innenstadt angeschlossene Flächen, mit deren Beplanung für die Zeit nach Beendigung des Flugbetriebs jetzt schon begonnen werden sollte. Die Menschen, die neu in unsere Stadt ziehen, brauchen eine Wohnperspektive. Wir haben jetzt die Chance, auf diesem Areal eine wegweisende Mischung von Wohnen und Arbeiten zu schaffen, die speziell auch für junge Familien interessant wäre.                                     

 

Handelt es sich bei der im Masterplan genannten Zahl von 1.000 nur um eine grobe Orientierung, oder sind darin schon konkrete planerische Vorgaben formuliert, beispielsweise wo diese Wohnungen entstehen sollen?        

Die Planungen gehen derzeit nach unseren Informationen überwiegend auf eine Bebauung des westlichen Randstücks zum Kurt-Schumacher-Damm ein. Dieser Teil des Flughafens gehört dem Land Berlin. Da der Großteil der TXL-Flächen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben gehört, dürften sich noch weitere Wohnungsbaupotenziale ergeben.                 


In welchen Bereichen des jetzigen Flughafengeländes sehen Sie zusätzliches Potenzial? Wo könnten Schwerpunkte des Wohnungsneubaus liegen?        

Die vorgesehenen Gewerbegebiete sollten kompakter und auf den nordöstlichen Teil konzentriert werden, statt des derzeit überlegten langgestreckten Industriebands. Dann könnte mehr Wohnungsbau im westlichen und mittleren Bereich des Geländes ermöglicht werden. Der gesamte Bereich zwischen dem alten Nordhangar, dem Westzipfel und der Cité Pasteur bietet sich aufgrund der guten Anbindung zur U-Bahn und der Forschungseinrichtungen im Flughafengebäude an. Vorteilhaft wäre es auch, wenn die Straßenachsen beziehungsweise die Brücken zum Kurt-Schumacher-Damm teilweise zurückgebaut werden könnten. Dies würde die Lebensqualität am Kurt-Schumacher-Platz deutlich verbessern. Vor allem stellt sich auch die Frage nach der Größe der angedachten Grünfläche, der sogenannten „Tegeler Stadtheide“. Schließlich ist Berlin im Brandenburgischen umgeben von zahlreichen wunderbaren Grünflächen – Naturschutzgebiete, Biosphärenreservate, Seen, Wälder. Und auch Tegel ist schon heute ein sehr grüner Stadtteil.                                    

 

Welche Möglichkeiten bietet aus Ihrer Sicht der derzeit noch militärisch genutzte Teil des Flughafens?        

Der Flugbetrieb wird nach Angaben des Senats komplett eingestellt. Die Flugbereitschaft zieht ebenfalls nach Schönefeld. Es ist aber noch zu früh, für diesen Bereich im Norden über konkrete Nutzungen zu sprechen, weil hierzu auch noch Altlastenuntersuchungen abzuwarten sind. Der Senat hat hier eine teilweise Wohnbebauung bereits im Auge. Vielleicht bieten sich aber auch hier universitäre Einrichtungen oder innovative Wohnprojekte für Studierende an. Die nördlich angrenzende Cité Guynemer bietet hier gute Anknüpfungspunkte.                             


Am südöstlichen Rand des Flughafengeländes liegt die ehemalige Alliiertensiedlung Cité Pasteur. Hier leben etwa 600 Menschen. Der Eigentümer, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima), ließ Anfang des Jahres prüfen, ob hier eine weitere bauliche Verdichtung infrage kommt. Welche Perspektive für die Cité Pasteur sehen Sie?       

Ich denke, dass das Areal als Ganzes betrachtet und entwickelt werden muss, ohne dabei die Chancen einer vielfältigen Struktur aus den Augen zu verlieren. Es gilt ja, Urbanität zu schaffen, ein Gebiet, in dem sich ganz unterschiedliche Menschen wohl fühlen und Wohnangebote finden. Gerade die Integration dieser gewachsenen Wohnstandorte, Cité Pasteur und Cité Guynemer, könnte dabei zur positiven Entwicklung des gesamten Areals beitragen. Zunächst gibt es aber auf der Flughafenfläche selbst genug Potenziale, über deren Erschließung man sich Gedanken machen muss.        


Welche Entscheidungen müsste der Senat jetzt auf den Weg bringen?    

Auf jeden Fall sollte der Masterplan jetzt noch weiterentwickelt werden – dass der Flughafenbetrieb noch einige Zeit fortgesetzt wird, bietet hierfür zum Glück den notwendigen zeitlichen Rahmen. Deshalb sollte der Masterplan in seiner grundsätzlichen Aufteilung nochmal sehr gründlich überprüft und im Licht der Anforderungen der Stadtentwicklung überarbeitet werden. Das ist Part eins. Part zwei ist aus unserer Sicht, jetzt auch schon mit den Planungen und den Budgetierungen für den Ausbau der Infrastruktur zu beginnen, vor allem in Sachen Nahverkehr und Kinderbetreuung. Auch hier gilt es, ganzheitlich vorzugehen, und das passt auch sehr gut zur jetzt beginnenden Erarbeitung des Stadtentwicklungskonzepts Wohnen 2030.            


Vielen Dank für das Gespräch.                                     


Das Interview führte Jörn Boewe.     

    


MieterEcho 361 / Juli 2013

Schlüsselbegriffe: Flughafen Tegel, Maren Kern, Berlin-Brandenburgische Wohnungsunternehmen, BBU, Masterplan TXL, Kurt-Schumacher-Damm, Wohnungsneubaus, Cité Pasteur, Cité Guynemer, Stadtentwicklung