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MieterEcho 358 / Februar 2013

Gelbe Linien und bemalte Verteilerkästen

Wie sich die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Förderung urbaner Zentren vorstellt

Rainer Balcerowiak

Da soll noch mal jemand sagen, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung nichts tun würde, um Stadtteilzentren zu fördern. 100.000 Euro wurden im vergangenen Jahr für einen Wettbewerb unter dem Motto „MittendrIn Berlin! Die Zentren-Initiative“ ausgelobt. Mitte Dezember wurden die drei Gewinner bekannt gegeben.

 

Dass die Interessen der Mieter/innen und das Problem der Verdrängung Einkommensschwacher durch horrende Mietsteigerungen und Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen beim Wettbewerb keine Rolle spielen, machen die Laudationen deutlich. So erhält die Interessengemeinschaft CastingCarrée e. V. in der Kastanienallee in Prenzlauer Berg die Förderung für ein im Sommer 2013 geplantes dreitägiges Event mit dem Titel „Gestern, Heute, Morgen“. Geplant seien unter anderem „Specials in lokalen Geschäften und Hinterhöfen“, Night-Shopping, eine mobile Modenschau und ein Bühnenprogramm mit Live-Musik. CastingCarrée gehe „spielerisch mit Klischees um und will damit zeigen, was die Kastanienallee tatsächlich zu bieten hat“, lobte die Jury.

Turmstraße unter Preisträgern

Auch der Wettbewerbsbeitrag der Vereinigung Wirtschaftshof Spandau e. V. und der „Partner für Spandau GmbH“ fand das Gefallen der Senatsverwaltung. Über das prämierte Event erfährt man Folgendes: „Die Farbe gelb – auch in Form einer über einen Kilometer langen gelben Linie – kennzeichnet die Veranstaltungen und Aktionen rund um den Wettbewerbsbeitrag“. Drei kulturelle Veranstaltungen im Sommer 2013 sollen das „gewachsene Hauptzentrum Altstadt Spandau als attraktive, überraschende und interessante Einkaufs-, Kultur-, und Flaniermeile berlinweit bekannt machen“. Kunst sei dabei verbindendes Element und bringe „engagierte Bürger mit vielfältigen kulturellen Hintergründen, Händler, Künstler, Kulturschaffende und Vereine zusammen, um die größte Fußgängerzone Berlins nachhaltig attraktiv zu machen“.

Die Krönung ist allerdings der Preis, den das im Moabiter Sanierungsgebiet tätige Stadtentwicklungsbüro „Die Raumplaner“ für das Projekt „Aktive Turmstraße: Bewegt – belebt – beliebt“ erhält. Kernelement sei „die künstlerische Gestaltung von 14 Verteilerkästen und weiteren Straßenmöbeln an markanten Stellen im Kiez. Die Motive werden unter Beteiligung von Anwohnern, lokalen Händlern, Schulen, Kitas und weiteren Partnern ausgewählt“. Ziel sei es, „den öffentlichen Raum in der Turmstraße lebenswerter zu gestalten und die Aufenthaltsqualität zu erhöhen“. Den Rahmen für die Kunstaktion rund um die bemalten Verteilerkästen sollen „Festveranstaltungen“ setzen, „in die die lokalen Gewerbetreibenden eng eingebunden sind und mit ihren Angeboten auf sich aufmerksam machen können“. Für das Abschlussfest ist ein „großer Markt der lokalen Händler und Akteure geplant“. Zur Begründung heißt es dann noch etwas verschwurbelt: „Durch die gemeinsame Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Raum in der Turmstraße soll das Projekt zu bewussterem Handeln bewegen und nachhaltig zur Verbesserung des Images der Turmstraße beitragen.“

Bezirksamt sieht keine Verdrängung

Wer den Kiez rund um die Turmstraße ein wenig kennt, reibt sich ungläubig die Augen. Selbst für Berliner Verhältnisse ist die Armutsrate extrem hoch und Spielkasinos sowie Billigläden dominieren das Bild.  Auf der anderen Seite unterliegt der Bereich einem erheblichen Aufwertungsdruck, nicht zuletzt befördert durch die offizielle Festlegung als Sanierungsgebiet. Investoren aus halb Europa kaufen dort Miethäuser und drängen alteingesessene Mieter/innen durch Luxusmodernisierungen und Umwandlungen in Eigentums- und Ferienwohnungen aus ihren Behausungen. Wohnungen, die den Richtwerten für Mietkostenübernahme der Jobcenter entsprechen, sind kaum noch zu finden. Die Zunft AG als Betreiberin der Markthalle setzt offen auf neue Anwohnerschichten, um die „Eventorientierung“ der Halle profitabel zu machen. Und obwohl die Zahlen auf dem Tisch liegen, leugnet das Bezirksamt kategorisch, dass es überhaupt ein Verdrängungsproblem gibt. Auch die im Sanierungsgebiet gewählte „Stadtteilvertretung“ widmet sich lieber der Verschönerung von „Stadtmöbeln“ als den sozialen Problemen im Kiez. So gesehen, passt der Preis der „Zentren-Initiative“ der Senatsverwaltung sehr gut in die Landschaft. Das zeigt auch ein Blick auf die Kooperationspartner des Wettbewerbs. Neben Handelsunternehmen wie Rewe, Edeka und Galeria Kaufhof gehören dazu Gewerbeimmobilienentwickler wie Boether RealtyPartner und Multi Development Germany, sowie der Werbekonzern Ströer und der Handelsverband Berlin-Brandenburg e. V.


MieterEcho 358 / Februar 2013

Schlüsselbegriffe: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, MittendrIn Berlin! Die Zentren-Initiative, Wettbewerb, Stadtteilzentren, Mietsteigerungen, Verdrängung, Turmstraße, Eigentumswohnungen, Ferienwohnungen