Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 364 / Dezember 2013

Gegen Bedroom Tax und Sozialabbau

Der Widerstand von Mieterorganisationen und Gewerkschaften nimmt zunehmend Gestalt an

 

Von Patrick Carmody                                                     

Die britische Regierung praktiziert derzeit einen großen Kahlschlag gegen den Sozialstaat. Die berüchtigste Maßnahme aus dem Bündel der 2012 beschlossenen „Reformen“ ist die sogenannte Bedroom Tax. Diese „Schlafzimmersteuer“ trat im April dieses Jahres in Kraft (MieterEcho Nr. 360/ Mai 2013).     

 

Patrick Carmody ist Mitglied im Lenkungsausschuss der „Anti Bedroom Tax and Benefit Justice Federation“.

Blog: www.antibedroomtax.org.uk

                                            

Mieter/innen, die in Sozialwohnungen leben und Mietzuschüsse bekommen, müssen diese Abgabe zahlen, wenn sie mehr Zimmer bewohnen, als ihnen zugebilligt wird. Pro Person oder Paar wird ein Schlafzimmer als notwendig anerkannt. Kinder unter zehn Jahren sollen sich ein Zimmer teilen, ebenso gleichgeschlechtliche Kinder unter 16 Jahren. Hat die Wohnung mehr Schlafzimmer, wird die Bedroom Tax fällig. Sie bedeutet eine Kürzung der Mietzuschüsse von 14% bei einem „Extrazimmer“ und von 25% bei zwei oder mehr. Insgesamt sind rund 670.000 Mieter/innen betroffen. Bei rund zwei Dritteln von ihnen lebt mindestens eine behinderte oder pflegebedürftige Person im Haushalt, was den erhöhten Wohnflächenbedarf erklärt. Eine Ausnahme von der restriktiven Regel gibt es nur, wenn die Notwendigkeit einer über Nacht anwesenden Pflegekraft nachgewiesen wird.                         

Die Regierung bezeichnet die Bedroom Tax als „Sanktion gegen Unterbelegung“. Es sei nicht hinzunehmen, dass sozialer Wohnraum untergenutzt bliebe, während gleichzeitig viele Menschen auf Wartelisten stehen oder in überbelegten Wohnungen leben. Tatsächlich aber geht es um den Abbau sozialstaatlicher Leistungen im Rahmen der Sparpolitik, da es gar nicht genügend kleine und günstige Wohnungen gibt, auf die betroffene Mieter/innen ausweichen könnten. Die Bedroom Tax bekämpft keine Wohnungsnot, sondern produziert sie. Viele Mieter/innen haben durch die Abgabe Probleme, ihre Miete zu zahlen, und sind vom Verlust ihrer Wohnung bedroht. Schon häufiger kam es zu Zwangsräumungen und Pfändungen infolge von Mietrückständen. Auch forderte die Bedroom Tax bereits Todesopfer: Stephanie Bottrill, eine 53-jährige Großmutter aus der Nähe von Birmingham warf sich im Mai dieses Jahres auf der unweit ihrer Wohnung gelegenen Autobahn vor einen Sattelschlepper. Sie war verzweifelt, weil sie nicht wusste, wie sie die 20 Pfund Bedroom Tax pro Woche bezahlen sollte und keine Aussicht auf eine andere Wohnung hatte. Im Abschiedsbrief an ihre Familie schrieb sie: „Macht euch keine Vorwürfe, dass ich meinem Leben ein Ende setze, die einzigen Leute die Schuld haben, sitzen in der Regierung.“                                                    

 

„Kann nicht zahlen – werde nicht ausziehen“        

Die Wut ist groß und der Widerstand wächst. In verschiedenen Kampagnen vereinigen sich der Protest gegen die Bedroom Tax und die damit verbundenen Zwangsumzüge mit dem Widerstand gegen andere Sozialkürzungen. Die Forderung nach Aussetzung der Zwangsräumungen erzielte bereits erste Erfolge: Einigen Dutzend Lokalverwaltungen wurde die Zusicherung abgerungen, keine weiteren Familien infolge der Bedroom Tax aus ihren Wohnungen zu werfen. Aus einigen schottischen Regionen wird berichtet, dass die Quote der Zahlungsverweigerung bei etwa 80% liegt. Viele Kommunen geraten in Bedrängnis, weil immer mehr Mieter/innen die Zahlungen nicht leisten können und wollen. In zahlreichen britischen Großstädten wie Leeds, Manchester oder Liverpool gibt es Kampagnen unter dem Motto „Can’t Pay – Won’t Leave“ (Kann nicht zahlen – werde nicht ausziehen). In Manchester wurde vor Kurzem die Zwangsräumung einer Alleinerziehenden durch Proteste vor dem Gericht verhindert. Und auch Rachel Rolnik, UN-Sonderberichterstatterin für Wohnungsfragen, prangerte jüngst bei einer Visite in Großbritannien die Bedroom Tax an. Der Protest organisiert sich zunehmend: Im Mai dieses Jahres gründete sich auf einer Konferenz mit über 350 Delegierten aus Mieterorganisationen, Gewerkschaften und lokalen Initiativen ein Bündnis gegen die Bedroom Tax und für mehr Gerechtigkeit bei staatlicher Unterstützung. Ein schottisches Pendant war bereits wenige Wochen zuvor entstanden. Diese Bündnisse koordinieren nationale Aktionstage, bieten Unterstützung und Beratung für die Betroffenen und helfen beim Aufbau neuer Gruppen.                                                

 

Übersetzung aus dem Englischen und redaktionelle Bearbeitung: Philipp Mattern.


MieterEcho 364 / Dezember 2013

Schlüsselbegriffe: Bedroom Tax, Sozialabbau, Mieterorganisationen, Gewerkschaften, Sozialwohnungen, Mietzuschüsse, Großbritannien, Zwangsräumungen, Pfändungen, Widerstand

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