Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 359 / April 2013

Flächen sind noch keine Wohnungen

Der Stadtentwicklungsplan Wohnen soll die Frage beantworten, wo die dringend benötigten neuen Wohnungen gebaut werden können

Von Jutta Blume

Dem Vorentwurf des Stadtentwicklungsplans Wohnen zufolge verfügt Berlin über ausreichend Flächen, um die Wohnungsnachfrage durch Neubau zu decken. Doch nicht überall wird sich problemlos bauen lassen.     


Berlin braucht weit mehr neue Wohnungen als die in der Koalitionsvereinbarung angestrebten 30.000 in fünf Jahren. Diese Erkenntnis wird nicht nur vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), sondern inzwischen auch vom Berliner Senat verbreitet. Aufgrund eines erwarteten Bevölkerungswachstums von 7% bis zum Jahr 2025 sowie einer weiteren Verkleinerung der Haushaltsgrößen rechnet die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mit 139.000 neuen Haushalten. Daraus wird ein Bedarf von mindestens 137.000 Wohnungen bis zum Jahr 2025 abgeleitet, also rund 10.000 neue Wohnungen pro Jahr. So steht es im Stadtentwicklungsplan (StEP) Wohnen, von dem aktuell der Vorentwurf vorliegt und der Ende September vom Berliner Senat beschlossen werden soll. Der derzeitige Entwurf des StEP Wohnen ist die Analyse eines längst offenkundig gewordenen Mangels, für dessen schnelle Beseitigung auch hier keine Handlungsstrategien zu finden sind. Am konkretesten wird der Vorentwurf noch hinsichtlich der Identifikation von Flächen für mögliche größere Neubaugebiete. So weist eine Karte 25 potenzielle Neubaubereiche mit zwischen 350 bis 4.800 realisierbaren Wohneinheiten aus. Die größten davon sind der ehemalige Flughafen Tempelhof, „Oberspree“ in Friedrichshain, Buch sowie Lichterfelde Süd. Zusätzlich markieren einzelne Punkte auf der Karte weitere Standorte, an denen über 250 Wohnungen gebaut werden könnten.

Wie es im Vorentwurf heißt, „liegt die inhaltliche Fokussierung des neuen StEP Wohnen auf der Flächenvorsorge für den Wohnungsneubau“ mit vier Schwerpunkten. Dazu zählen die Priorisierung und Aktivierung von Potenzialflächen, die Prüfung weiterer Flächenpotenziale sowie die Erarbeitung bezirklicher Wohnkonzepte.

 

 

Teilweise grobe Schätzungen als Grundlage

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung schätzt die Flächenpotenziale der Stadt als ausreichend für die Errichtung von 211.000 Wohnungen. Die Schätzung beruht auf mehreren Quellen mit unterschiedlicher Genauigkeit. Die größeren Potenziale beruhen auf dem Flächenmonitoring der Senatsverwaltung, das zuletzt 2010 vorgenommen und Ende 2012 in Abstimmung mit den Bezirken aktualisiert wurde. Hier werden bebaubare Flächen identifiziert, die größer als ein Hektar sind. Weiterhin wurde das Baulückenmanagement herangezogen, das Informationen über leere Grundstücke aus den einzelnen Bezirken zusammenführt. Aber weder die Bezirke noch der Senat sind beim Baulückenmanagement immer auf einem aktuellen Stand. Weitere Verdichtungsmöglichkeiten in der Innenstadt wurden auf der Grundlage des Planwerks „Innere Stadt“ geschätzt. Die Flächenpotenziale in den äußeren Lagen wurden ohne Erhebung grob geschätzt und resultieren aus der Differenz zwischen der planungsrechtlich möglichen und der tatsächlichen Baudichte, wovon pauschal 50% als nicht aktivierbar abgezogen wurden. Darüber hinaus geht die Senatsverwaltung davon aus, dass in Zukunft weitere Flächen – etwa durch die Aufgabe jetziger Nutzungen – frei werden.

 

 

Kurzfristige Engpässe erwartet

Entsprechend der unterschiedlichen Quellen und dem mehr oder weniger konkreten Flächenbezug nennt der Vorentwurf des StEP Wohnen auch nur für die knappe Hälfte des Potenzials einen Zeitraum, in dem diese beplant und bebaut werden könnten. Demnach wären nur 12.000 Wohneinheiten sofort umsetzbar, weitere 15.500 bis 2016 und der Rest eher mittel- bis langfristig. Nach Einschätzung der Senatsverwaltung verfügt Berlin daher über ausreichend Flächen, um den Wohnungsbedarf zu decken, allerdings sieht sie auch einen kurzfristigen Engpass bis 2016. Die verfügbaren Flächen würden nicht ausreichen, um knappheitsbedingte Preissteigerungen zu dämpfen.Geht man davon aus, dass die Schätzungen richtig sind, stellt sich noch eine Reihe von Problemen, die ebenfalls im StEP-Entwurf benannt sind. Die verfügbaren Flächen liegen nicht unbedingt dort, wo auch die größte Nachfrage herrscht. In der Innenstadt bleiben die bebaubaren Flächen begehrt und es wird mit erheblichen Preissteigerungen zu rechnen sein. Notwendige Planungs- und Genehmigungsverfahren machen die kurzfristige Erschließung von Flächen schwierig.

Die Ausweisung von Neubaugebieten kann auch zu erheblichen politischen Konflikten führen, etwa wenn die Flächen von den Berliner/innen bereits anderweitig genutzt werden. So stoßen die Pläne, die Ränder des ehemaligen Flugfelds Tempelhof zu bebauen, auf erheblichen Widerstand aus der Nachbarschaft. Die Anwohner/innen haben die Freiflächen längst für sich entdeckt und befürchten außerdem eine weitere Aufwertung ihrer eigenen Wohnquartiere. Zu den im StEP-Entwurf benannten Potenzialflächen gehören auch Kleingartenanlagen, etwa im Bezirk Pankow. Hier versucht der Bezirk, der Umwandlung in Wohnungsbauflächen entgegenzuwirken. So beschloss die Bezirksverordnetenversammlung Pankow am 30. Januar 2013, dass sich das Bezirksamt gegen die Ausweisung von Wohnungsbaupotenzialflächen auf dem Gebiet von Kleingartenanlagen im Bezirk einsetzen möge.

 

 

Unterschiedliche Haltung der Bezirke

Die im StEP-Entwurf vorgeschlagenen bezirklichen Wohnkonzepte wären eine Möglichkeit, die Entwicklungsplanung auch kleinräumig mit der Realität abzugleichen. Ein Vorreiter ist dabei der Bezirk Lichtenberg, der spätestens im April dieses Jahres seinen ersten Bezirksentwicklungsplan Wohnen vorlegen will. Bereits im vergangenen Jahr hatte der Bezirk in einem „Bündnis für Wohnen“ versucht, Flächenpotenziale für den Wohnungsbau zu identifizieren. „Wir haben uns an die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt gewandt, und sie haben uns Mittel für einen Bezirksentwicklungsplan zur Verfügung gestellt“, berichtet Baustadtrat Wilfried Nünthel (CDU). Es sei nicht üblich, dass die Bezirke ihre eigenen Planungsmittel für solche Entwicklungspläne einsetzen, so Nünthel, denn diese würden an anderer Stelle gebraucht. Durch die Unterstützung des Senats konnte ein Planungsbüro beauftragt werden. Mit den bisher im StEP identifizierten Flächenpotenzialen zeigt sich der Baustadtrat einverstanden, und auch bei der Genehmigungsplanung – sollten sich künftig Investoren für den Wohnungsbau in Lichtenberg interessieren – sieht er noch keine personellen Engpässe auf die Bezirksverwaltung zukommen. Andere Bezirke sind weniger mit dem derzeitigen Stand des StEP Wohnen einverstanden, wie die jüngste Initiative der Bezirksverordnetenversammlung Pankow zum Schutz ihrer Kleingartenanlagen gezeigt hat. Einem Bericht des Internetportals „Prenzlberger Stimme“ zufolge, hält der Bezirk anstelle von 18.000 neuen Wohnung nur den Neubau von 7.850 Wohnungen auf seinem Gebiet für möglich.   

 

 

 


MieterEcho 359 / April 2013

Schlüsselbegriffe: Stadtentwicklungsplan Wohnen, StEP, Berlin, Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, BBU, Neubaugebiete, Flughafen Tempelhof, „Oberspree“, Friedrichshain, Buch, Lichterfelde Süd, Flächenmonitoring, Bezirksentwicklungsplan Wohnen

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