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MieterEcho 395 / Mai 2018

Editorial

Editorial MieterEcho

Liebe Leserinnen und Leser,

durch die Föderalismusreform wurde den Ländern ab 2007 die alleinige Verantwortlichkeit für den sozialen Wohnungsbau übertragen. Als Ausgleich für den damit verbundenen Wegfall der Finanzierungsanteile des Bundes erhielten sie bis Ende 2019 sogenannte Kompensationszahlungen aus dem Bundeshaushalt. In den Jahren 2017 und 2018 betrugen diese 1,5 Milliarden Euro. In den Koalitionsverhandlungen einigten sich die Parteien auf eine Fortführung der Finanzierungsbeihilfe des Bundes bis zum Jahr 2021, allerdings nur in Höhe von 1 Milliarde Euro jährlich. So kärglich diese Maßnahme erscheint, ihre rechtliche Fundamentierung hat es in sich, denn zu ihrer Durchsetzung muss das Grundgesetz um den Artikel 104d erweitert werden. Eine entsprechende Vorlage wurde jetzt vom Finanzministerium erarbeitet.
Die Wohnungswirtschaft wittert Morgenluft. „Die Grundgesetzänderung wäre ein großer Erfolg für die Wohnungswirtschaft“, meint Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW. Und ganz in diesem Sinne äußert sich auch Thomas Meyer, Chef der Wertgrund Immobilien AG: „Der geförderte Wohnungsbau ist ein Zukunftsthema.“ Das überrascht, denn bisher war die Neigung der privaten Investoren, sich um Förderungen zu bemühen, zumindest in Berlin kaum erkennbar. Dies vor allem, weil in der Kalkulation der Investoren angesichts der niedrigen Zinsen die Vorteile durch die Förderung die als Nachteile empfundenen Miethöhebeschränkungen kaum aufgewogen haben. Doch der private Markt wird auch für die Investoren enger und außerdem lockt der Zugang zu bisher noch vorenthaltenen öffentlichen Grundstücken. Gute Gründe, den zukünftigen sozialen Wohnungsbau zu einer neuen Asset-Klasse werden zu lassen. Dazu bedarf es, darin sind sich die Akteure der Wohnungswirtschaft einig, investorenfreundlichere Förderungsbedingungen, vor allem hinsichtlich der Bindungen, der Ausgestaltung der Förderprogramme und selbstverständlich der Höhe der Subventionen. Von dem im Koalitionsvertrag vereinbarten und noch für dieses Jahr geplanten „Wohngipfel 2018“ versprechen sich die privaten Immobilienunternehmen eine Weichenstellung in Richtung profitabler sozialer Wohnungsbau.
Die von den Parteien Grüne und Linke entworfene neue Gemeinnützigkeit taucht in der aktuellen politischen Diskussion ebenso wenig auf wie die Forderung nach einem kommunalen Wohnungsbau. Dabei ist es gerade diese Form sozialen Wohnungsbaus, die nicht nur die Mittel gegen aktuelle Versorgungskrisen bereitstellt, sondern die immer wieder beschworene Nachhaltigkeit bewirkt. Bestätigung liefert nicht nur der Gemeindewohnungsbau in Wien, sondern vor allem der Wohnungsbau des Council Housing in England, der trotz aller massiven Angriffe durch die Thatcher-Regierung und der liberalen Blair-Administration noch immer einen wichtigen Beitrag der Wohnungsversorgung in Großbritannien leistet.

                                                                                                             Ihr MieterEcho


MieterEcho 395 / Mai 2018

Schlüsselbegriffe: Föderalismusreform, sozialer Wohnungsbau, Kompensationszahlungen, Förderungsbedingungen, Investoren, Wohnungspolitik, Gemeinnützigkeit, Gemeindewohnungsbau, Council Housing