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MieterEcho 362 / September 2013

„Das Angebot an öffentlich geförderten Wohnheimplätzen ist in den letzten Jahren stetig gesunken.“

Interview mit Achim Meyer auf der Heyde (Deutsches Studentenwerk) und Jürgen Morgenstern (Studentenwerk Berlin)

Die Wohnraumversorgung für Studierende wird auch zum nahenden Wintersemester angespannt bleiben. Die Politik hat es versäumt, die soziale Infrastruktur an die gestiegenen Studierendenzahlen anzupassen, meinen die Studentenwerkssprecher Jürgen Morgenstern und Achim Meyer auf der Heyde. Sie fordern einen stärkeren Ausbau öffentlich geförderter und preisgünstiger Wohnheimplätze.    


MieterEcho: Zu Beginn des letzten Wintersemesters war vielerorts von einer „studentischen Wohnungsnot“ die Rede. Was erwartet uns diesen Herbst?  

 

 Achim Meyer auf der Heyde: Wir erwarten eine vergleichbar hohe Nachfrage wie im letzten Jahr. Den doppelten Abiturjahrgang gibt es dieses Jahr in Nordrhein-Westfalen, letztes Jahr war es in Baden-Württemberg. Deshalb kann sich die Nach-frage regional etwas verschieben. Die Studierenden sind allerdings sehr mobil.                            

 

Jürgen Morgenstern: Die Zahl der Studierenden wird in Berlin auch im kommenden Semester steigen. Die Attraktivität des Hochschulstandorts und der Stadt selbst ist ungebrochen. Wir gehen davon aus, dass zum Semesterbeginn alle Wohnheimplätze vermietet sein werden, von baubedingtem Leerstand einmal abgesehen. Bereits jetzt stehen rund 1.000 Studierende auf der Warteliste für einen Wohnheimplatz.          

 

 

Die Probleme, die die erhöhten Studierendenzahlen mit sich bringen, waren doch vorauszusehen. Was wurde versäumt, dass es überhaupt so weit kommen konnte?                                  

 

 A.M.a.d.H.: Die Politik hat auf die hohen Studienanfängerzahlen ja durchaus reagiert, mit den Hochschulpakten von Bund und Ländern. Nur leider waren und sind die eben beschränkt auf die Hochschulen selbst – der Ausbau der sozialen Infrastruktur wurde trotz unserer unermüdlichen Mahnungen „übersehen“. Nur einige wenige Länder, wie Bayern und Baden-Württemberg, haben den Ausbau von Wohnheimen mit Landesmitteln gefördert. So stieg die Zahl der Wohnheimplätze bundesweit in den letzten fünf Jahren um etwa 3%, die Studierendenzahlen dagegen um über 20%.    

 

 

Wie wohnen Studierende heute eigentlich?                                  

 

 A.M.a.d.H.: Im bundesweiten Durchschnitt versorgen sich rund zwei Drittel über den freien Wohnungsmarkt, gut ein Fünftel wohnt bei den Eltern und etwa ein Zehntel im Studentenwohnheim. Bei Studienanfänger/innen liegt der Anteil der Elternwohner/innen und der Wohnheimbewohner/innen aber höher. Die durchschnittlichen Mietausgaben liegen bundesweit bei 298 Euro bruttowarm pro Monat. Nur 10% der Studierenden können sich Ausgaben von 400 Euro oder mehr leisten, das sind dann fast ausnahmslos ältere Studierende mit eigener Wohnung. Am preiswertesten leben Wohnheimbewohner/innen: 240 Euro zahlen sie laut der jüngsten Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, in der aber auch private Träger enthalten sind. Bei den Wohnheimen der Studentenwerke sind es im Schnitt dagegen nur 215 Euro bruttowarm.    

 

J.M.: Was die Wohnheimversorgung angeht, steht Berlin im Ländervergleich an vorletzter Stelle. Nur 6,7% der Berliner Studierenden standen 2012 öffentlich geförderte Wohnheimplätze zur Verfügung, während es im Bundesdurchschnitt 10,6% waren. Dahinter kommt nur Bremen mit 6,4%.

 

 

Warum ist das Angebot an Wohnheimplätzen in Berlin so niedrig?  

 

J.M.: In Berlin ist das Angebot an öffentlich geförderten Wohnheimplätzen in den letzten Jahren stetig gesunken. Ursachen dafür waren der entspannte Wohnungsmarkt und die vergleichsweise günstigen Mieten. In der Vergangenheit haben Studierende praktisch problemlos bezahlbaren Wohnraum in den beliebten studentischen Wohngebieten wie Friedrichshain, Kreuzberg, Mitte oder Prenzlauer Berg bekommen. Einige Studentenwohnheime wurden auch wegen mangelnder Nachfrage aufgegeben. In den Sommermonaten lag die Leerstandsquote in den Wohnheimen bei bis zu 10%. Seit zwei, drei Jahren ist aber eine Umkehr zu beobachten: Wohnraum in Berlin wird teurer und knapper und die Wohnheime erfreuen sich einer zunehmenden Beliebtheit. Wir verzeichnen eine höhere Nachfrage, mussten Wartelisten einführen und haben eine geringere Fluktuation. Die Vermietung möblierter Wohnungen und Zimmer in unseren Wohnheimen entspricht auch immer mehr den Erfordernissen der deutschland- und europaweiten Mobilität der Studierenden.    

 

 

Immer mehr private Investoren entdecken Studierende als Zielgruppe. So entstehen vor allem hochpreisige Unterkünfte in Campusnähe. Wie bewerten Sie das?                

 

A.M.a.d.H.: Grundsätzlich ist jedes zusätzliche Angebot hilfreich. Die Investoren wollen allerdings natürlich Renditen erwirtschaften, das geht mit ihren eher hochpreisigen Wohnangeboten aber nur bei einem sehr kleinen Teil der Studierenden. Die Hälfte der Wohnheimbewohner hat weniger als 675 Euro im Monat zur Verfügung. Viele ausländische Studierende haben jetzt schon Probleme, ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Mieten von um die 400 Euro im Monat oder sogar mehr sind da einfach nicht drin. Preisgünstigen Wohnraum können wir nur mit öffentlicher Förderung und öffentlicher Mietpreis- und Belegungsbindung schaffen.         

 

 

Wie soll diese öffentliche Förderung aussehen?                          

 

A.M.a.d.H.: Wir wollen einen Ausbau der Bund-Länder-Hochschulpakte um einen Hochschulpakt soziale Infrastruktur. Dazu gehört dann auch ein Förderprogramm für 25.000 zusätzliche preiswerte Wohnheimplätze. Derzeit gibt es davon bundesweit knapp 230.000, von denen sich rund 185.000 in Trägerschaft der Studentenwerke befinden. Öffentliche Förderung heißt Investitionszuschüsse. Hier kann Bayern mit seinem Studentenwohnraumförderprogramm sicherlich ein Vorbild sein.    

 

 

Welcher Handlungsbedarf besteht konkret in Berlin?  

 

J.M.: Das Studentenwerk sieht einen ganz aktuellen Bedarf an neuen öffentlich geförderten Wohnheimplätzen in der Nähe der Berliner Hochschulen sowie im Stadtzentrum. Dazu gab es bereits ein Gespräch zwischen dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und der Geschäftsführerin des Studentenwerks Berlin Petra Mai-Hartung. Im Ergebnis sollen 5.000 zusätzliche, öffentlich geförderte Wohnheimplätze in Berlin geschaffen werden. Bisher hat diese Zusage des Senats trotz intensiver Bemühungen des Studentenwerks aber noch keine praktischen Konsequenzen.      

 

 

Vielen Dank für das Gespräch.                

Das Gespräch führte Philipp Mattern.     


MieterEcho 362 / September 2013

Schlüsselbegriffe: Achim Meyer auf der Heyde, Deutsches Studentenwerk, Jürgen Morgenstern, Studentenwerk Berlin, Wohnheimplätze, Nachfrage, erhöhte Studierendenzahlen, Bund-Länder-Hochschulpakte, private Investoren, öffentliche Förderung, Studentenwohnraumförderprogramm