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MieterEcho 364 / Dezember 2013

Barrierefreiheit darf kein Luxus sein

Die Enge auf dem Wohnungsmarkt trifft Menschen mit Behinderungen besonders hart

 

Von Jutta Blume        

Bundesweit beträgt der Anteil barrierefreier Wohnungen nach Angaben des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung rund 1%. Bei einer insgesamt alternden Bevölkerung ist das viel zu wenig. „Es gibt schon jetzt nicht wenige alte Leute, die ihre Wohnungen nicht mehr verlassen, weil sie die Treppen nicht mehr bewältigen“, sagt Luna Weineck, Gründungsmitglied der im Juli 2013 entstandenen AG Barrierefrei Wohnen Friedrichshain-Kreuzberg. Bis 2030 wird der Anteil der in ihrer Mobilität eingeschränkten Senior/innen weiter zunehmen. Aufgrund der demografischen Entwicklung und des bereits bestehenden Mangels fordert die AG Barrierefrei Wohnen daher kurzfristige Lösungen.    

                                        

Eigentlich sollte im Juli im Nachbarschaftshaus Urbanstraße eine Informationsveranstaltung des Handwerkernetzwerks „Die Rampenleger“ zu barrierefreiem Bauen stattfinden. „Wir kamen gar nicht dazu, über Umbau- und Fördermöglichkeiten zu sprechen, weil eine Reihe von Leuten so frustriert über die derzeitige Situation war“, berichtet Luna Weineck, die das Handwerkernetzwerk berät. Noch am selben Abend entstand so die Idee der Arbeitsgruppe Barrierefrei Wohnen Friedrichshain-Kreuzberg, in der sich seither Betroffene, Unterstützer/innen, Vertreter/innen des Behindertenbeirats und Seniorenvertreter/innen des Bezirks regelmäßig treffen. Im Oktober veröffentlichte die AG Barrierefrei Wohnen erste Forderungen. Vor allem soll der Umbau von Wohnungen erleichtert werden. Zudem sollen Vermieter/innen keinen Rückbau verlangen dürfen, da die Anpassungen ja grundsätzlich die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Handicap verbessere. Vielmehr sollten Mieter/innen, die den Umbau selbst vornehmen lassen, dafür entschädigt werden. Außerdem müsse der Umbau Vorrang vor etwaigem Denkmalschutz haben. Bei Wohnungsneubau fordert die Arbeitsgemeinschaft einen höheren Anteil barrierefreier Wohnungen als bislang gesetzlich vorgeschrieben ist. Außerdem müssten die Bauämter die Umsetzung überprüfen. Luna Weineck zufolge fehlt den Ämtern hierfür entsprechend geschultes Personal.                                        

 

Barrierefreiheit als Standard        

Die Schaffung barrierefreier Wohnungen soll nicht dazu führen, dass die Mieten noch weiter steigen. Nach dem Berliner Mietspiegel gilt Barrierefreiheit als wohnwerterhöhendes Merkmal. Dagegen argumentiert die AG Barrierefrei Wohnen in ihrer Resolution: „Vermeidbare Barrieren stellen eine Benachteiligung für Menschen mit Handicap dar. Dementsprechend dürfen Wohnungsausstattungen, die zur Herstellung von Barrierefreiheit dienen, nicht als Luxusmerkmal bei der Berechnung der angemessenen Miete gelten.“    Neben solchen wohnungspolitischen Forderungen geht es der Arbeitsgemeinschaft auch um Aufklärung. „Hausbesitzer sind nicht alle beratungsresistent“, findet Luna Weineck. Gerade wenn es darum gehe, Senior/innen als Mieter/innen zu halten, wären Vermieter durchaus aufgeschlossen. Auch wüssten die betroffenen Mieter/innen oft nicht, dass sie Anspruch auf den Umbau ihrer Wohnung hätten und dass es finanzielle Beihilfen gibt. Bis zu einem Betrag von 2.500 Euro sei die Pflegekasse in der Pflicht, darüber hinaus könnte bei geringem Einkommen die Sozialkasse in Anspruch genommen werden, allerdings oft verbunden mit einer langen Bearbeitungszeit. Mieter/innen mit höherem Einkommen könnten zinsgünstige Kredite über die KfW beantragen.            

In Berlin fehle außerdem eine zentrale Anlaufstelle für Wohnungssuchende mit Handicap. Zwar werden auf der Internet-Plattform www.rb-wohnungen.de Angebote von rollstuhlgerechten und barrierearmen Wohnungen gesammelt, nur leider finden sich dort in ganz Berlin nur rund 20 Wohnungen. Eine Meldepflicht für diese Wohnungen gibt es nicht, das Portal wird ehrenamtlich betreut. Da über das Internet aber nur ein Teil der Wohnungssuchenden erreicht wird, wären telefonische oder persönliche Beratungszeiten wünschenswert.    Die AG Barrierefrei Wohnen bemüht sich zurzeit, das Thema in die Öffentlichkeit und in die Berliner Politik zu bringen, zunächst auf Bezirks- und später auf Landesebene.                  

 

Weitere Informationen:

Kontakt zur AG Barrierefrei Wohnen erhalten Interessierte per E-Mail unter: kontakt@die-rampenleger.de

 

 


MieterEcho 364 / Dezember 2013

Schlüsselbegriffe: Barrierefreiheit, barrierefreie Wohnungen, Mobilität, rollstuhlgerecht, Senior/innen, AG Barrierefrei Wohnen Friedrichshain-Kreuzberg, wohnwerterhöhendes Merkmal, Berliner Mietspiegel