Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 352 / Januar 2012

Wohnen und Arbeiten

Tipps für Mieter/innen, die in ihrer Wohnung ihren Lebensunterhalt verdienen oder deren Gewerberäume mit einer Wohnung verbunden sind

Christiane Hollander

Im Medienzeitalter wird es immer mehr zum Thema: zu Hause arbeiten. Während für manche die räumliche Trennung von Arbeit und Privatleben ein hohes Gut ist, schätzen andere kurze Wege. Im Mietrecht wird zwischen Wohn- und Gewerberäumen unterschieden. Wohnraummietverträge stehen unter einem besonderen mietrechtlichen Schutz, der für Gewerberaummietverträge nicht gilt. Beispielsweise sind Gewerberaummietverträge außerhalb der festen Vertragslaufzeiten jederzeit kündbar. Für Mieter/innen ist es daher natürlich vorteilhaft, wenn Wohnraummietrecht angewendet wird. Beim Thema Wohnen und Arbeiten gibt es zwei verschiedene Fallgruppen: zum einen die Berufsausübung in der Wohnung und zum anderen Wohnen und Arbeiten als Vertragszweck in sogenannten Mischmietverhältnissen.


Oft reichen schon ein Computer und eine Internetverbindung aus, um sich in der Wohnung ein kleines Büro einzurichten, von dem aus einem Beruf nachgegangen werden kann.  Foto: Keimzelle/Wikipedia

 

Der Vertragszweck eines Wohnraummietvertrags ist das Wohnen. Aber gehört das Arbeiten in der Wohnung zum Wohnen? Seit einem Urteil des Bundesgerichtshofs gibt es keine Zweifel mehr. Es kommt darauf an, ob Mieter/innen mit einer geschäftlichen Tätigkeit nach außen in Erscheinung treten, etwa indem sie die Wohnung als Geschäftsadresse angeben. Ein weiterer Hinweis: Kundenverkehr und Mitarbeiter/innen, die in den Räumen arbeiten.


Das Gericht stellte im Urteil klar, dass alle beruflichen Tätigkeiten von Mieter/innen, mit denen sie nicht nach außen in Erscheinung treten, unter den Begriff Wohnen fallen. Dazu gehört zum Beispiel die Unterrichtsvorbereitung einer Lehrerin, die Telearbeit eines Angestellten, die schriftstellerische Tätigkeit einer Autorin oder der Empfang oder die Bewirtung von Geschäftsfreund/innen in der Wohnung. Dabei spielt es keine Rolle, ob in der Wohnung ein Zimmer als separates Arbeitszimmer genutzt wird.    


Im Umkehrschluss liegt bei geschäftlichen Aktivitäten freiberuflicher oder gewerblicher Art, die nach außen in Erscheinung treten, eine genehmigungspflichtige Nutzung vor, die Vermieter ohne entsprechende Vereinbarung im Allgemeinen nicht dulden müssen. Aber es gibt Ausnahmen: Wenn eine Tätigkeit ohne Mitarbeiter/innen und ohne ins Gewicht fallenden Kundenverkehr in der Wohnung ausgeübt wird, können Vermieter/innen im Einzelfall verpflichtet sein, eine Erlaubnis zur sogenannten teilgewerblichen Nutzung zu erteilen. Das Gericht war der Meinung, dass auch eine selbständige berufliche Tätigkeit im Einzelfall so organisiert sein kann oder einen so geringen Umfang hat, dass sie im Wesentlichen am Schreibtisch erledigt wird, in der Wohnung keine Mitarbeiter/innen beschäftigt werden und von etwaigem Publikumsverkehr keine weitergehenden Einwirkungen auf die Mietsache oder Mitmieter/innen ausgehen als bei einer üblichen Wohnnutzung. Als Beispiele werden Schreibtischarbeiten einer Rechtsanwältin oder eines Maklers genannt oder die Existenzgründungsphase bei einer selbständigen Tätigkeit. Allerdings kommt ein Anspruch auf Gestattung nicht in Betracht, wenn für die geschäftliche Tätigkeit Mitarbeiter/innen in der Wohnung beschäftigt werden (BGH, Urteil vom 14. Juli 2009, AZ: VIII ZR 165/08).

Rechtsprechung

Da Wohnräume dem Wohnen und grundsätzlich nicht der gewerblichen Tätigkeit dienen, kann die gewerbliche Nutzung untersagt werden (AG Köln, Urteil vom 16. August 1989, AZ: 581 OWi 195/89). Die neue Rechtsprechung des BGH führt dazu, dass die frühere Rechtsprechung der unteren Instanzen kritisch überprüft werden muss.


Es dürfte zum vertragsgemäßen Gebrauch gehören, wenn Nachhilfeunterricht an einzelne Schüler oder gelegentlicher Musikunterricht gegeben wird (AG Freiburg, Urteil vom 14. Dezember 1990, AZ: 10 C 2250/90). Keine eindeutige Aussage über die Rechtmäßigkeit der Nutzung lässt sich bei der Betreuung von fremden Kindern als Tagesmutter machen, die teilweise früher gestattet war und von der Anzahl der betreuten Kinder und der Größe der Wohnung abhängt (LG Hamburg, Urteil vom 22. April 1982, AZ: 7 S 63/82). Der vertragsgemäße Gebrauch war bereits vom Landgericht Berlin bei einer Betreuung von fünf Kindern bezweifelt worden (LG Berlin, Urteil vom 6. Juli 1992, AZ: 61 S 56/922). Eine Betreuung von zwei Kindern in einer durchschnittlich großen 3-Zimmer-Wohnung sollte weiterhin zulässig sein.


Die nebenberufliche Tätigkeit als Psychotherapeutin in geringem Umfang wurde in Berlin als zulässige Heimarbeit bewertet (AG Berlin-Spandau, Urteil vom 6. März 1997, 2b C 776/96). In solchen Fällen muss nun geprüft werden, ob eine Außenwirkung vorliegt und ob Vermieter verpflichtet sind, den Mieter/innen die erweiterte Nutzung einzuräumen, wenn die Beeinträchtigungen durch die Außenwirkung nur geringfügig sind. Das kann nur im Einzelfall entschieden werden. Bei ein bis zwei Patienten am Tag dürfte keine Gefahr der Nutzungsuntersagung bestehen. Wer bei einer nicht duldungspflichtigen Tätigkeit in der Wohnung trotz Abmahnung weitermacht, riskiert eine Kündigung. Ist ein zusätzlicher Mietzuschlag als Entgelt für die Gebrauchserweiterung vereinbart worden, führt die Einstellung der zusätzlich gestatteten Nutzungsart nicht zum Wegfall des „Gewerbezuschlags“. Denn die Vereinbarung über die Zahlung des Gewerbezuschlags ist nicht selbstständig kündbar (LG Hamburg, Urteil vom 11. Juli 2000, AZ: 316 S 80/00).

Mischmietverträge

Sind Wohnräume und gewerblich genutzte Räume durch einen einheitlichen Vertrag geregelt, ist das ein sogenanntes Mischmietverhältnis. Beispiele sind eine Gaststätte mit Wirtswohnung oder ein Ladenlokal mit Durchgang zur Wohnung. Für Mischmietverhältnisse gibt es keine besonderen Regelungen im Gesetz. Es gilt daher entweder das Wohnraum- oder das allgemeine, auch für Gewerberäume anzuwendende, Mietrecht.


Häufig ist der wahre Vertragszweck, das heißt in welchem Bereich das Mietverhältnis seinen Schwerpunkt hat, schwierig zu erkennen. Da das soziale Mietrecht Wohnraum vorbehalten ist, muss eine Klärung erfolgen. Für Mieter/innen ist es meist vorteilhafter, wenn das Mietverhältnis überwiegend Wohnen als Vertragszweck hat, denn so gilt der Schutz des Wohnraummietrechts. Das ist bei Kündigungen und Mieterhöhungen von großer Bedeutung. Vermieter, die meist das Mietvertragsformular stellen und somit die Bedingungen vorgeben, wollen natürlich lieber, dass das allgemeine Mietrecht gilt und somit den Mieterschutz umgehen.   


Bei der Frage, ob Wohnraum- oder Gewerbemietrecht auf ein Mischmietverhältnis anzuwenden ist, richtet sich die Antwort nach dem vereinbarten Vertragszweck. Vermieter und Mieter entscheiden selbstständig und eigenverantwortlich, welche Vertragszwecke sie verfolgen wollen. Von dieser keiner gesetzlichen Regulierung unterliegenden Entscheidung hängt ab, welche gesetzlichen Regeln auf das Vertragsverhältnis anzuwenden sind. Dabei entscheidet der wahre Vertragszweck, also das, was dem tatsächlichen und übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien entspricht. Dieser ist nach allgemeinen Regeln auszulegen, und um Klarheit zu schaffen, sind im Rahmen der Prüfung alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Überwiegt danach die Nutzung als Wohnraum, ist Wohnraummietrecht anzuwenden. Überwiegt die gewerbliche Nutzung, ist allgemeines Mietrecht anzuwenden. (OLG Düsseldorf, Urteil vom 3. Mai 2011, AZ: 24 U 150/1010; BGH, Urteil vom 16. April 1986, AZ: VIII ZR 60/85).

Überschrift der Vertrags

Mieter/innen ohne Rechtskenntnisse sind oft der Meinung, dass sich alles aus der Überschrift des Vertrags ergibt. Stimmt nicht! Die Überschrift des Vertrags ist nur ein Indiz. Der wahre Parteiwille ergibt sich regelmäßig aus der Formulierung auf der ersten Seite: Steht dort „Wohnen“ oder „Gründung einer Wohngemeinschaft“, ist es eindeutig ein Wohnraummietverhältnis, auch wenn in der Überschrift „Mietvertrag über Gewerberäume“ steht.

Flächenverhältnis und Lebensmittelpunkt

Aufschluss über den Vertragszweck könnte auch das Verhältnis der Wohnfläche zur gewerblich genutzten Fläche geben. Tatsächlich ist das ebenso von untergeordneter Bedeutung wie der jeweilige Mietpreis oder die Tatsache, ob Mieter/innen in der Mietsache ihren Lebensmittelpunkt haben. Lediglich als schwache Indizien können diese Faktoren herangezogen werden.

Lebensunterhalt

Eines der wichtigsten Kriterien ist die Frage, ob die Mieter/innen in den Räumen ihren Lebensunterhalt verdienen. Dann wird ein Geschäftsraummietverhältnis angenommen. Dies gilt auch dann, wenn ein Mietobjekt aus einem kleinen Laden und einer großen Wohnung besteht (LG Hamburg, Urteil vom 3. Dezember 1992, AZ: 334 S 88/92).


Das Kammergericht Berlin hatte im letzten Jahr einen Fall zu entscheiden, in dem der Vertragszweck folgendermaßen angegeben wurde: „Die Vermietung erfolgt zum Betrieb einer Naturheilpraxis sowie einer Heilpraktikerschule sowie zu Teilen zu Wohnzwecken.“ Die Mieterin wollte in den Räumlichkeiten nicht ihren Lebensunterhalt verdienen. Außerdem hatte sie bereits bei Vertragsabschluss vor, auf 40% der Fläche eine Schule einzurichten, und 60% sollten als Wohnung genutzt werden. Da die Kriterien „Fläche“ und „Lebensunterhalt“ entfallen, könnte man meinen, dass von einem Wohnraummietverhältnis auszugehen ist. Falsch, meinte das Kammergericht. Der Mietvertrag sei ausdrücklich als Mietvertrag über gewerbliche Räume bezeichnet worden. Als Vertragszweck wurde zuerst die Heilpraktikerschule und an letzter Stelle das Wohnen aufgeführt, was den vereinbarten gewerblichen Vertragszweck unterstreiche. Aus dem Fehlen des Merkmals „Erwirtschaften des Lebensunterhalts“ könne nicht geschlossen werden, dass es sich dann um ein Wohnraummietverhältnis handeln müsse. Die Annahme eines Geschäftsraummietverhältnisses setze nicht voraus, dass die Mieter/innen dort ihren Lebensunterhalt verdienen wollen (KG Berlin, Beschluss vom 17. Juni 2010, AZ: 12 U 51/09). Alle Kriterien müssen also abgewogen werden. Es gibt keine allgemeingültigen Regeln.

Beispiele

Bei einem einheitlichen Mietvertrag über eine Gaststätte mit zugehörender Wohnung für das Personal beziehungsweise die Betreiber/innen liegt der Schwerpunkt des Vertrags auf der gewerblichen Nutzung, wenn der Vertrag als „Mietvertrag über gewerbliche Räume“ bezeichnet ist, der Anteil der Miete für den Wohnraum lediglich 18% der Gesamtmiete beträgt und die Kaution die zulässige Obergrenze für Kautionen bei Wohnraumvermietung um mehr als das Zwölffache überschreitet (OLG Düsseldorf, Urteil vom 2. März 2006, AZ: 10 U 120/05).


Gewerbemietrecht ist anzuwenden, wenn ein Rechtsanwalt in den gemieteten Räumen sowohl wohnt als auch seine Kanzlei betreibt (BGH, Urteil vom 16.04.1986, VIII ZR 60/85).

Bei der Vermietung einheitlicher Räume an einen Freiberufler, sowohl für dessen Berufsausübung – im vorliegenden Fall ein Zahnarzt – als auch zu Wohnzwecken, ist im Zweifel anzunehmen, dass die Vermietung in erster Linie zu gewerblichen Zwecken erfolgt (OLG Köln, Urteil vom 12. Juni 2001, AZ: 3 U 172/00).                


Werden zu gewerblichen Zwecken vermietete Räume später zu Wohnzwecken genutzt, bleibt der Vertrag, soweit die Parteien den Nutzungszweck nicht einvernehmlich ändern, ein Geschäftsraummietvertrag (OLG Stutt-gart, Urteil vom 31. März 2008, AZ: 5 U 199/07).

Atelierräume sind nicht nur zum Wohnen da, sondern dienen auch als Gewerberäume, in denen freischaffende Künstler/innen ihre Berufung ausüben sollen. Im Allgemeinen werden solche Verträge als Gewerbemietverträge angesehen. Die mit der Wohnung überlassene Gewerbefläche soll dazu dienen, den Künstler/innen den Lebensunterhalt zu sichern (KG Berlin, Urteil vom 11. März 2002, AZ: 8 U 6289/00).


Wird als Vertragszweck „Weitervermietung als Wohnraum“ angegeben, liegt ein Gewerbemietvertrag vor, auch wenn die Überschrift „Mietvertrag für Wohnraum“ lautet. Die Überschrift und die Vertragsfassung soll nur klarstellen, dass die überlassenen Räume bei der Weitervermietung ausschließlich zu Wohnzwecken vermietet werden konnten (OLG Frankfurt, Urteil vom 16. Juni 2010, AZ: 2 U 220/09).

Scheingeschäft

Um im Abschluss eines Gewerbemietvertrags ein Scheingeschäft zu sehen, reicht es nicht aus, wenn die Vertragsparteien in einem schriftlichen Mietvertrag eine gewerbliche Nutzung der Mieträume als „Ladenbüro“ vereinbaren, obwohl die Hausverwaltung weiß, dass Mieter/innen in den Räumen wohnen wollen. Das gilt auch dann, wenn die Mieträume bereits vor Abschluss des Mietvertrags ausschließlich als Wohnung genutzt worden waren (KG Berlin, Urteil vom 29. Oktober 1998, AZ U 7892/96).

Fazit

Insbesondere bei Mischmietverhältnissen haben Mieter/innen häufig das Nachsehen, denn regelmäßig wird vom Gewerbemietrecht ausgegangen. Dies ist besonders in Städten mit Wohnungsnot oder Wohnraumknappheit bitter. Wer einmal ins Hamburger Gängeviertel fährt, kann sich die Geschichten der Kunstschaffenden anhören, wie es ist, wenn sowohl Arbeits- als auch Wohnraum permanent gefährdet sind. Die Nutzer/innen kamen aus allen Stadtteilen und hatten eines gemeinsam: wenig Geld und keine Räume. Gut, dass die Künstler/innen-Genossenschaft nun eigenverantwortlich handeln und Räume vergeben kann.

 

Zum Thema Mischmietvertrag und der Frage, ob Wohnraum- oder Gewerberaummietrecht anzuwenden ist, siehe auch Urteil zur Abgrenzung von Gewerbe- und Wohnraummietrecht.

 

 


MieterEcho 352 / Januar 2012

Schlüsselbegriffe: Wohnen und Arbeiten, Wohnraummietverträge, Gewerberaummietverträge, Arbeitszimmer, Mischmietverträge, Vertragszweck, Lebensmittelpunkt, Gewerbemietrecht, Wohnraumecht

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