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MieterEcho 352 / Januar 2012

Transparenz auf Sparflamme

Ein Sonderausschuss des Abgeordnetenhauses soll die offengelegten Verträge zu den Berliner Wasserbetrieben prüfen

Benedict Ugarte Chacón

 

Im Februar 2011 hatten beim Volksentscheid „Unser Wasser“ über 660.000 Berliner/innen für den von der Bürgerinitiative Berliner Wassertisch vorgelegten Gesetzestext gestimmt. Das Gesetz trat am 4. März 2011 in Kraft. Darin festgehalten ist nicht nur die komplette Offenlegung des Vertragswerks zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe von 1999, sondern auch die Verpflichtung des Abgeordnetenhauses, über die Verträge abzustimmen und sie vorher öffentlich zu prüfen.

 

Im § 3 des aus dem Volksentscheid hervorgegangenen Gesetzes heißt es: „Bestehende Verträge, Beschlüsse und Nebenabreden bedürfen einer eingehenden, öffentlichen Prüfung und öffentlichen Aussprache durch das Abgeordnetenhaus unter Hinzuziehung von unabhängigen Sachverständigen.“ Hierfür beschloss das Abgeordnetenhaus mit den Stimmen von SPD und CDU am 1. Dezember vergangenen Jahres die Einsetzung eines Sonderausschusses. Seit Januar tagen seine neun Mitglieder nun im Zweiwochenrhythmus. Die Arbeit des Ausschusses ist bis zum 31. Dezember 2012 befristet. Dabei setzte die Koalition den von ihr ins Parlament gebrachten Antrag durch. Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und Piratenpartei hatten zuvor einen eigenen Antrag vorgebracht. Dieser sah vor, dass vor Beginn der Ausschussarbeit überprüft werden sollte, in welchem Umfang zusätzliche Mittel für Personalkosten der Fraktionen und Parlamentsverwaltung bereitzustellen wären. Schließlich seien die zu untersuchenden Vertragsbestandteile umfangreich und hochkomplex, weswegen mit einer erheblichen Mehrarbeit zu rechnen sei. Zudem dürften die im Gesetz geforderten unabhängigen Expert/innen die Prüfungsaufgaben kaum gratis durchführen.

Keine Mittel für Sonderausschuss

Die Koalition wehrte sich gegen das Ansinnen. Zusätzliche Mittel für die Ausschussarbeit bereitzustellen sei „dummdreiste Verschwendung von Steuermitteln“, sagte der SPD-Abgeordnete und Sprecher für Rechts- und Netzpolitik Sven Kohlmeier in der Debatte des Abgeordnetenhauses am 1. Dezember 2011. Und weiter: „Sowas hätte man früher als Raubrittertum bezeichnet.“ Der Antrag der Koalitionsfraktionen entspräche genau dem, was der Wassertisch mit dem Volksentscheid durchgesetzt habe. In eine ähnliche Kerbe schlug der Abgeordnete Sven Rissmann für die CDU: Es gehe gar nicht um eine parlamentarische Aufklärung, sondern nur um „eine geordnete Offenlegung und Prüfung der Wasserverträge“. Deshalb seien zusätzliche Mittel weder nötig noch vertretbar. Der Wassertisch kritisierte den Beschluss umgehend. „Expertise für ‚lau plus Fahrgeld’“ würden CDU und SPD erwarten, heißt es einer Erklärung des Wassertischs. „Es wird also auf juristische Gutachten, die sich eingehend mit den damals geheimen, umfangreichen Verträgen auseinandersetzen, weitestgehend verzichtet.“ Ein Sonderausschuss ohne angemessene Ausstattung sei „eine Farce“. Die von der Koalition vorgenommene Einrichtung des Ausschusses würde dem Gesetz lediglich „pro forma“ genügen.

Ernsthaftigkeit zweifelhaft

Es kann durchaus bezweifelt werden, dass die Koalition an einer ernsthaften Überprüfung – geschweige denn einer Anfechtung – der Verträge gelegen ist. Zu erwarten ist eher, dass die Senatsfraktionen, ähnlich wie die Vorgängerregierung auch, auf die spezialisierten Juristen des Senats zurückgreifen und sich mit deren Erklärungen zufrieden geben werden. Zumindest war das beim Verkaufsverfahren der Berliner Sparkasse und auch bei der „Risikoabschirmung“ der Bankgesellschaft so, wo es beide Male ebenfalls um komplexe juristische Fragestellungen ging. Interessanterweise folgt die Große Koalition damit ihrer schon bei der Teilprivatisierung gefahrenen Strategie: die  Abgeordneten möglichst unwissend lassen und die eigene Expertise ohne Konkurrenz ins Rennen schicken. Um den Ausschuss doch noch mit kritischer Expertise zu begleiten, hat sich ein kleiner Kreis zusammengefunden, an dem auch vom Wassertisch benannte Expert/innen beteiligt sind. Es kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass ausgerechnet die beiden Parteien, die die Teilprivatisierung der Wasserbetriebe verbrochen haben, sich jetzt zu Vorreitern der politischen Aufarbeitung machen.



MieterEcho 352 / Januar 2012

Schlüsselbegriffe: Sonderausschuss, Verträge, Teilprivatisierung, Berliner Wasserbetriebe, Überprüfung, Berliner Wassertisch, Volksentscheid, unabhängige Sachverständige