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MieterEcho 354 / Mai 2012

Sei Werbung, sei kostenlos, sei Berlin

Neben Touristen zielt das Hauptstadtmarketing auf internationale Führungskräfte

Jutta Blume

Die Imagekampagne „be Berlin“ verbreitet positiv klingende Plattheiten: „sei international, sei vielfältig, sei Berlin“. Nicht von Werbefachleuten, sondern von den Berliner/innen selbst getextet. Mit ihren Beiträgen bringen Menschen in Kurzform zum Ausdruck, wie sie in die Stadt gekommen sind, wie sie sich erfolgreich selbstständig gemacht haben, oder warum sie Berlin für multikulturell halten.

 

„Die Autoren werden so zu Botschaftern für Berlin“, heißt es in der Pressemitteilung des Senats zum Kampagnenstart 2008. „Der Berliner Senat möchte damit Berlin national und international als Marke positionieren.“ Die Stadt als Marke mit einem dazugehörigen Leitspruch und Logo sind zentrale Elemente des Stadtmarketings, wie es inzwischen nicht nur Berlin betreibt. Interessant an „be Berlin“ ist vor allem, dass die Kampagne nicht die Besonderheit bestimmter Orte oder historischer Ereignisse in den Mittelpunkt stellt, sondern die vermeintlich individuellen Geschichten der  Bewohner/innen.

Werbung mit kreativen Überlebensstrategien

Als Besonderheit Berlins stechen die leeren Haushaltskassen, die hohe Arbeitslosigkeit und ein gewisser alternativer Lebensstil hervor, was der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) in die Worte „arm, aber sexy“ verpackte. Was eignet sich also besser für eine Imagekampagne als die kreativen Überlebensstrategien der Berliner/innen? Allerdings zeigten sich die Bewohner/innen der Hauptstadt zum Kampagnenauftakt wenig überzeugt. 60% der Befragten hielten den Slogan „be Berlin“ für schlecht. Nach vier Jahren Laufzeit der Kampagne dürfte es kaum noch eine Rolle spielen, wie sehr die Berliner/innen hinter ihrer Vermarktung stehen, denn genügend Geschichten haben sie in diesem Zeitraum zumindest geliefert. „Be Berlin“ konzentriert sich nach Angaben von Senatssprecher Richard Meng fortan darauf, Berlin national und international weiter aufzuwerten. Drei Millionen Euro will der Senat zukünftig jährlich dafür ausgeben.        
18,5 Millionen Euro aus der Berliner Landeskasse flossen laut Senatsangaben in den ersten vier Jahren in die Kampagne. Ein ähnlich hoher Beitrag kam von den beteiligten Unternehmen. Die Auswirkungen der Berlinwerbung sind hingegen schwer messbar. Fest steht, dass die Zahl der Übernachtungen stetig steigt, im Jahr 2010 waren es über 20 Millionen (siehe auch Seite 6). Die Berlin Partner GmbH bemüht sich, ihren Erfolg mit „Imagemessungen“ nachzuweisen. So konnten sich bei einer Umfrage von Infratest 2010 immer mehr internationale Führungskräfte vorstellen, in Berlin zu leben und zu arbeiten. Ein entsprechendes  Angebot luxuriöser Eigentums- und Mietwohnungen dürften sie bereits finden.

Unregelmäßigkeiten und Rücktritte

Die wenig messbaren Erfolge der Berlin Partner GmbH werden seit einiger Zeit zusätzlich von der Kritik an ihrem Umgang mit öffentlichen Geldern getrübt. Der ehemalige Geschäftsführer René Gurka legte im vergangenen Jahr sein Amt nieder, nachdem bekannt geworden war, dass er mehrfach gegen die Vergaberichtlinien des Unternehmens verstoßen hatte. So waren nach Angaben des Tagesspiegels der Umbau der Geschäftsräume für 180.000 Euro und die Anschaffung von Möbeln im Wert von 145.000 Euro ohne öffentliche Ausschreibung erfolgt. Zudem gab es Unregelmäßigkeiten bei der Beratung der Berlin Partner GmbH durch eine Rechtsanwaltskanzlei, bei der der Ehemann einer Angestellten beschäftigt ist. Pikanterweise sind die Wirtschaftsprüfer von KPMG, die mit der Prüfung der Jahresabschlüsse und der Unregelmäßigkeiten beauftragt wurden, selbst Sponsoren der Berlin Partner GmbH. „Aus Kreisen von Berlin Partner ist zu hören, dass die Gesellschaft nicht nur in Einzelfällen Aufträge an Mitgliedsfirmen vergeben haben soll“, schrieb Ralf Schönball am 31. August 2011 im Tagesspiegel.       
Auch an anderer Stelle nahm es Gurka nicht so genau: In seinem Lebenslauf tauchte ein „Bachelor of Law“ als Universitätsabschluss auf, den er nie gemacht hatte. Später wurde dieser aus der Internetseite der Berlin Partner GmbH und anderen Dokumenten des Unternehmens gelöscht. Der Aufsichtsratsvorsitzende Peter Zühlsdorff stellte sich trotz aller Verfehlungen hinter Gurka. Ende Februar legte Zühlsdorff selbst sein Amt nieder, wofür er persönliche Gründe angab. Auch Pressesprecher Christoph Lang schied Ende März aus. Hintergrund vor allem für Zühlsdorffs Rücktritt könnte sein, dass die neue Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz zukünftig mehr Transparenz und messbare Ergebnisse von der Berliner Wirtschaftsförderung erwartet. Auch die Zusammenarbeit der Berlin Partner GmbH, der Technologiestiftung, der landeseigenen Investitionsbank (die 45% der Anteile von Berlin Partner hält) und der Tourismus-Marketinggesellschaft Visit Berlin (ebenfalls mit der IBB und dem Land Berlin als Gesellschafter) soll besser organisiert werden, um eventuelle Doppelstrukturen abzubauen.

Berlin Partner GmbH

Professionelles Stadtmarketing gibt es in Berlin seit über einem halben Jahrhundert. Die heutige Berlin Partner GmbH ist aus dem Zusammenschluss von drei Vorläuferorganisationen hervorgegangen. Die älteste war die 1950 gegründete Berliner Absatz-Organisation (BAO), die vor allem Berliner Produkte auf dem westdeutschen Markt platzieren sollte. 1977 wurde die Wirtschaftsförderung Berlin (WFB) aus der Senatsverwaltung für Wirtschaft herausgelöst, um sich um die Interessen von Investoren zu kümmern. 1994 entstand dann als öffentlich-private Partnerschaft die Partner für Berlin (PFB), die fortan für das Hauptstadtmarketing verantwortlich war. 2005 gingen alle drei Gesellschaften in der Berlin Partner GmbH auf, die heute unter anderem für „be berlin“ verantwortlich ist. Die Vorgängerorganisation PFB bewarb das neue Berlin nach dem Mauerfall. Eine zentrale Kampagne war die „Schaustelle Berlin“, die sich um die Großbaustelle Potsdamer Platz drehte. Mit der Infobox, Baustellenführungen aber auch kulturellen Ereignissen auf der Baustelle inszenierte sie die neue, artifizielle Mitte der Stadt. Dabei knüpfte man gern an den Mythos der 20er Jahre an, die Nazizeit als Ursache für die Zerstörung und Teilung des Platzes wurde kaum erwähnt. (jb)

MieterEcho 354 / Mai 2012

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