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MieterEcho 354 / Mai 2012

Hürden bei der Wohnungssuche

Mietvertragsabschlüsse bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen werden für Ärmere immer schwieriger

Christian Linde


Eine sozial orientierte Wohnraumversorgung durch die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften scheitert nicht nur an deren hohen Mietpreisen, sondern immer häufiger bereits an den Bedingungen, die von den Unternehmen für den Abschluss eines Mietvertrags gestellt werden. Mittlerweile müssen Mietinteressent/innen Einkommensnachweise über das Dreifache der geforderten Miethöhe vorlegen, um in die engere Wahl zu kommen.



Was von Vertretern der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften in der Vergangenheit häufig heruntergespielt wurde, ist nun schwarz auf weiß nachzulesen: Das  Auswahlverfahren bei Mietvertragsverhandlungen erfolgt nach strengeren Kriterien als sie auf dem „freien“ Markt häufig angewendet werden. So nehmen die städtischen Unternehmen – anders als zahlreiche Privateigentümer – die Bewerber/innen vor Mietvertragsabschlüssen sehr gründlich unter die Lupe. Alle sechs Wohnungsbaugesellschaften prüfen demnach grundsätzlich die Bonität der Mietinteressenten/innen, und unabhängig von anderen Vermietungskriterien ist die Bonität entscheidend für den Zuschlag. Zur Bonitätsprüfung gehören ein aktueller Einkommensnachweis, eine Schufa-Selbstauskunft sowie eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung der Vorvermieter. Eine eigene Abfrage der Wohnungsbaugesellschaft bei der Schufa oder anderen Dienstleistern zur Bonitätsbestimmung erfolge demgegenüber grundsätzlich nur mit dem Einverständnis der Mietinteressent/innen. Eine von der Landesregierung vorgegebene Generallinie existiere dabei nicht.

Bonität der Mieter/innen auf dem Prüfstand

„Die Auswahl der Mieter/innen zählt zu den operativen Aufgaben der Wohnungsbaugesellschaften, Gesellschafteranweisungen bzw. anderen (sic!) Vorgaben des Senates bestehen diesbezüglich nicht und sind auch künftig nicht geplant.“ So lautet die seit dem 22. März 2012 vorliegende Antwort der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt auf eine parlamentarische Anfrage mit dem Titel „Schufa-Auskunft und Einkommensnachweis bei städtischen Wohnungsbaugesellschaften – welche Vorgaben macht der Senat als Gesellschafter?“ Die Senatsverwaltung versichert in dieser Antwort: „Die Verfahren der städtischen Wohnungsbaugesellschaften bei der Wohnungsvermietung erfolgen nach den in der Wohnungswirtschaft allgemein angewandten Grundprinzipien.“ Die Verfahren seien diskriminierungsfrei und dienten dem berechtigten Interesse der Vermieter, dass die künftigen Mieter/innen ihre vertraglichen Zahlungsverpflichtungen auch erfüllen können. „Ein negativer Schufa/Bonitäts-Eintrag allein ist kein Ausschlusskriterium für die Begründung eines Mietverhältnisses. Auch hierzu wird im Einzelfall individuell geprüft und entschieden.“

Bonitätsprüfung oft negativ

Wie diese Prüfungen in der Regel ausfallen, darüber haben Ende März Sozialarbeiter/innen am Rande einer Fachtagung, die unter anderem die Wohnraumversorgung für wirtschaftlich Bedürftige zum Thema hatte, im Rathaus Schöneberg berichtet. Nämlich in der Regel negativ. Handelt es sich bei den Bewerber/innen um Geringverdienende, Hartz-IV-Beziehende oder um Menschen, die derzeit ohne eigenen Mietvertrag untergebracht sind, nehmen die landeseigenen Wohnungsgesellschaften immer häufiger von einem Vertragsabschluss Abstand. Im Rahmen der parlamentarischen Anfrage über die Höhe der verlangten Einkommensnachweise, wonach Mietinteressent/innen von Mitarbeitern städtischer Wohnungsbaugesellschaften aufgefordert werden, Einkommensnachweise über das Dreifache der geforderten Miethöhe vorzulegen, antwortete Staatssekretär Ephraim Gothe (SPD) zweideutig: „Verbindliche Festlegungen des Verhältnisses der Miete zum Einkommen gibt es bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften nicht. Alle sechs Wohnungsbaugesellschaften empfehlen ihren Wohnungsbewerber/innen jedoch, sich in ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht zu überfordern. Eine Mietbelastung von einem Drittel des Einkommens ist im Einzelfall kein Ausschlussgrund für die Vermietung.“ Aber nur im Einzelfall. Was das für ALG-II-Beziehende oder für prekär Beschäftigte bedeutet, wenn die durchschnittliche Nettokaltmiete bei den öffentlichen Wohnungsunternehmen bereits deutlich über dem Mittelwert des Mietspiegels liegt, kann man sich ausrechnen.

Download der parlamentarischen Anfrage und der Antwort im Internet:

http://www.linksfraktion-berlin.de/uploads/ media/ka17-10223.pdf


MieterEcho 354 / Mai 2012

Schlüsselbegriffe: landeseigenen Wohnungsunternehmen, Wohnungssuche, Mietvertragsabschlüsse, Wohnraumversorgung, Einkommensnachweise, Auswahlverfahren, Geringverdienende, Wohnungsbaugesellschaften, Bonitätsprüfung