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MieterEcho 354 / Mai 2012

„Die verdammte Miete ist zu hoch!“

Eine Stadtteilumfrage rund um die Neuköllner Hermannstraße

Kiezinitiative AntiGen


Die Schließung des Flughafens Tempelhof hat die noch vor Jahren ausschließlich als „Problemviertel“ geltenden Kieze rund um die Hermannstraße deutlich verändert. Vom Schillerkiez wirkt der Aufwertungsdruck aufgrund der nun verbesserten Wohnlage auch in die weiter östlich gelegenen Stadtteile hinein, und aus dem Norden schwappt die „Kreuzköllner“ Trendiness mit entsprechenden Mietsteigerungen herüber. Um die Veränderungen aus der Sicht derer, die die gestiegenen Mieten zahlen müssen, deutlich zu machen und die von vielen gefühlte Entwicklung in Zahlen abzubilden, führten wir, die Stadtteilgruppe AntiGen, im vergangenen Jahr eine Kiezumfrage durch.


Die Bestandsaufnahme zur Wohnsituation sollte uns eine Grundlage geben, als Nachbarschaft gemeinsam auf die Veränderungen zu reagieren. Als Stadtteilgruppe wollten wir dazu mit Anwohner/innen und Gewerbetreibenden in Kontakt kommen und stellten dafür an zentralen Orten im Kiez – hauptsächlich Kioske und Kneipen oder Bars – „Briefkästen“ auf. An diesen gelb-blauen „Stationen“ konnten Interessierte Fragebögen mitnehmen und – nach anonymisiertem Ausfüllen – einwerfen.

Umfrage und Vernetzung

Beim Wiederauffüllen der Briefkästen mit Fragebögen und Einsammeln der ausgefüllten Exemplare steckte uns der Spätkaufinhaber Abed nicht nur einmal Informationen zu, welches Haus für wie viel Euro an wen verkauft wurde und wo die Miete besonders stark gestiegen ist. Bei den Unterhaltungen mit ihm und anderen Gewerbetreibenden, die unsere Briefkästen aufgestellt hatten, kamen oftmals Dritte hinzu und berichteten von ihren Erfahrungen mit steigenden Mieten, dem Druck vom Jobcenter, die Miete zu senken, oder von der Unmöglichkeit, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Durch das Briefkastensystem erfuhren wir von aktuellen Problemen im Kiez und haben uns mit anderen vernetzt und die Kiezinitiative als Ansprechpartnerin bekannt gemacht. Die Erfahrung, dass sich abgesehen von Freunden und Familie andere Menschen für die Probleme mit der Mietsituation interessieren, und die Erkenntnis, mit ihren Schwierigkeiten nicht allein zu sein, hat viele Leute motiviert, sich zu wehren und zu einer Mieterberatung zu gehen.

 

Mieten und Betriebskosten steigen

Die Auswertung der Umfrageergebnisse zeigte, dass große Teile der Bewohner/innen rund um die Hermannstraße  sowohl von Miet- als auch von Betriebskostenerhöhungen betroffen sind. 64% der insgesamt 85 Umfrage-Teilnehmer/innen gaben an, innerhalb der letzten drei Jahre eine Miet- und/oder Betriebskostenerhöhung erhalten zu haben. Die Erhöhungen beliefen sich dabei auf durchschnittlich 53 Euro im Monat. Außerdem gaben 28% der Teilnehmer/innen einen Eigentümerwechsel im gleichen Zeitraum an. Von diesen 28% erhielten wiederum 71% eine Miet- und/oder Betriebskostenerhöhung. Es wurde deutlich: Eigentumswechsel haben sehr häufig Miet- und/oder Betriebskostenerhöhungen zur Folge.

 

Der Protest wächst!

Verdrängung durch erhöhte Betriebskosten, Modernisierungen und Mieterhöhungen durch das Angleichen an den Mietspiegel waren Themen bei der Präsentation der Fragebogenergebnisse Ende letzten Jahres. Unter den rund 50 Anwesenden waren etliche Mieter/innen, die zu diesem Zeitpunkt von Miet-erhöhungen bedroht waren. Es blieb nicht nur beim Austausch über die jeweiligen Probleme mit den Vermietern. So berichteten beispielsweise mehrere Bewohner/innen eines Häuserkomplexes in der Emser Straße über ihre nachbarschaftliche Organisierung gegen die geplanten Modernisierungsarbeiten in ihren Wohnungen. Die Veranstaltung endete mit dem Sammeln von Möglichkeiten, sich gemeinsam zu wehren. Das Gestalten von Protesttransparenten, die an den Häusern und im Straßenbild sichtbar werden sollen, wurde bereits umgesetzt. Andere Vorschläge wie Lärm- und Protestumzüge oder ein Austausch inklusive Kaffeetrinken auf der Schillerpromenade warten noch auf warme Frühlingstage. Nicht zuletzt sind durch die Umfrage und die Veranstaltung neue Austausch-, Unterstützungs- und Protestnetzwerke entstanden. So wurde AntiGen von einer Mieterin um Unterstützung bei einem Gespräch mit der Hausverwaltung gebeten.

Die Erfahrungen bei unserer Umfrage haben bestätigt, dass es viel Ärger und  Wut in den Kiezen gibt. Wir machen also weiter und versprechen einen bewegten Neuköllner Frühling.

Kontakt: antigen@gmx.de

Weitere Infos:

http://nk44.blogsport.de

http://mietenstopp.blogsport.de

 


MieterEcho 354 / Mai 2012

Schlüsselbegriffe: Stadtteilumfrage, Neukölln, Hermannstraße, Kreuzkölln, Stadtteilgruppe, Bestandsaufnahme Wohnsituation, Betriebskostenerhöhungen, Eigentümerwechsel, Mieterhöhungen, AntiGen