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MieterEcho 355 / Juli 2012

Das Protest-Camp von Kotti & Co.

Mieter/innen wehren sich gegen steigende Mieten im privatisierten sozialen Wohnungsbau am Kottbusser Tor

Jürgen Enkemann

Protestaktionen von Mieterinitiativen sind in Kreuzberg in letzter Zeit nicht mehr so leicht zu übersehen und zu überhören. Ob es die Transparent- und Bettlakenaktion mit Mieten-Stopp-Parolen um den Chamissoplatz herum ist, der Auftritt des Anti-Verdrängungs-Chors an der Marheineke-Markthalle oder die geräuschvollen Demonstrationen mit Kochtopfgetrommel gegen steigende Mieten am Kottbusser Tor: Mieter/innen zeigen ihren wachsenden Unmut.


Dabei wies die jüngste der „Lärmdemos“ am „Kotti“ eine neue Qualität auf, indem sie nicht mehr nur auf eine momentane Aufmerksamkeit ausgerichtet war. Die Demonstration begann und endete an einer festen Anlaufstelle – dem neuen Protest-Camp vor dem Südblock. An dieser Anlaufstelle wird der Protest mit Diskussionen und Informationsangeboten fortgesetzt. Es handelt sich bei dem Protest-Camp um eine Gecekondu genannte offene Holzhütte, die am Pfingstwochenende von Mitgliedern der Mieterinitiative Kotti & Co. an der Ecke Admiralstraße errichtet worden war. Das türkische Wort Gecekondu hat die Bedeutung „über Nacht erbaut“. Nach einer – historisch allerdings nicht als gesichert geltenden – Tradition durfte nach osmanischem Recht eine Behausung, die in einer Nacht errichtet und fertiggestellt wurde, nicht von den Ordnungskräften beseitigt werden. Als Gecekondu werden Behausungen in der Türkei bezeichnet, die an den Stadträndern von Menschen, die in den türkischen Metropolen keine andere Unterkunft finden, ohne Genehmigung aufgebaut und anschließend häufig legalisiert werden.

 

Mieterhöhungen nicht mehr bezahlbar

Zusammengeschlossen hatte sich die Initiative Kotti & Co. im März 2011, als für den großen Gebäudekomplex des sozialen Wohnungsbaus wiederholt Mieterhöhungen angekündigt wurden. Für die dort zahlreich wohnenden Geringverdienenden und Hartz-IV-Beziehenden sowie für die in Altersarmut lebenden Rentner/innen sind die neuen Mieten einfach nicht mehr bezahlbar. Damit droht die Verdrängung aus einem Wohnumfeld, das gerade für den überwiegend türkischstämmigen Teil der Bewohner/innen zur von ihnen wesentlich mitgestalteten Heimat geworden ist. Zudem bedeutet es für die Betroffenen eine zunehmende Verarmung.

Die Initiative stellte einen Forderungskatalog auf und überreichte ihn im November 2011 der neuen Koalition. Ein sehr konkretes Anliegen der Initiative ist, dass die bis 2011 festgelegte Kappungsgrenze für Mieten in Höhe von 5,35 Euro/qm weiterhin verbindlich bleibt und dass die Mieterhöhung für 2012 zurückgenommen wird. Langfristig fordern sie eine Rekommunalisierung des sozialen Wohnungsbaus und eine Umsetzung der sozialen Pflicht, bezahlbaren Wohnraum für Ärmere zur Verfügung zu stellen.

 

GSW verweigert sich

Die Weigerung der Eigentümergesellschaften Hermes und GSW, sich mit Kotti & Co. zu Gesprächen über eine Rücknahme von Miet-erhöhungen zusammenzusetzen, war im Mai ein entscheidender Anstoß für die Errichtung des Gecekondu. Inzwischen hat es sich zu einem wichtigen gemeinschaftsfördernden Treffpunkt entwickelt. Es finden kulturelle Veranstaltungen statt wie etwa Lesungen, kleine Theateraufführungen und Musikdarbietungen. Zudem gibt es gelegentliche nachbarschaftliche Mahlzeiten und ein mietenpolitisches Programm, beispielsweise eine von der Berliner MieterGemeinschaft durchgeführte Rechtsberatung. Wie lange das Camp bestehen bleibt, ist zurzeit offen, aber so lange selbst einige sehr akute Forderungen auf taube Ohren stoßen, besteht kein Anlass zum schnellen Abbruch.


Weitere Infos:

www.kottiundco.wordpress.com

 


MieterEcho 355 / Juli 2012

Schlüsselbegriffe: Protest-Camp von Kotti & Co., Mieterinitiative, Kottbusser Tor, steigende Mieten, Gecekondu, Geringverdienende, Hartz-IV-Beziehende, Kappungsgrenze für Mieten, GSW