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MieterEcho 352 / Januar 2012

Auf der Mauer, auf der Lauer

Die Partei Die Linke will ihr Herz für stadtpolitische Initiativen entdeckt haben

Benedict Ugarte Chacón

„Deswegen sage ich es noch einmal: Opportunistische Anwanzerei, aber in der Sache haben Sie nichts, aber auch gar nichts zu bieten!“ Diese starken Worte fand Klaus Lederer, der Landesvorsitzende der Partei Die Linke, in der Debatte des Abgeordnetenhauses am 14. April 2011. Es ging dabei um einen von der Grünen-Fraktion eingebrachten Antrag, den zwischen Senat und RWE hinter verschlossenen Türen verhandelten Rückkauf von 25% der Anteile an den Wasserbetrieben öffentlich zu machen. Die Bürgerinitiative Berliner Wassertisch hatte zuvor ähnliche Forderungen erhoben.


Dass die Grünen-Abgeordnete Heidi Kosche, ein jahrelanges Mitglied des Berliner Wassertischs, die Forderungen des Wassertischs ins Parlament einbrachte, fand Lederer „peinlich“. Dabei tat Kosche nur das, was die Partei Die Linke jahrelang versäumte: die Anliegen privatisierungskritischer Initiativen ernst zu nehmen.

Trauma Wassertisch

Ein paar Monate nach besagter Debatte und eine verlorene Landtagswahl später setzte bei der Partei Die Linke ein vordergründiges Umdenken ein. So gab es fast keine relevante „Wahlanalyse“ der Partei, die sich nicht auf den Wassertisch und den von ihm initiierten Volksentscheid zur Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge der Wasserbetriebe bezog. In einer von Lederers Stellungnahmen nach der Wahl hieß es: „Unsere Haltung und Positionierung geriet zum kommunikativen und strategischen Desaster, bei dem am Ende trotz aller Beteuerungen niemand mehr bereit war, uns abzunehmen, dass wir ‚eigentlich’ das gleiche Ziel verfolgten.“ Ungewollt macht der Parteivorsitzende damit deutlich, dass sich seine Erkenntnis gar nicht direkt auf die Politik bezieht, sondern lediglich auf die Kommunikation und die Strategie.        

Erstaunlich sind auch seine Aussagen beim Landesparteitag im November 2011: „Aber bei anderen zentralen Themen wie Mieten, Media Spree, Wasservolksbegehren waren wir die Zielscheibe des Protestes. Hier, das gestehe ich auch selbstkritisch zu, unterlagen wir teilweise gravierenden Fehleinschätzungen. Hier haben wir unterschätzt, in welchem Maße wir in Mithaftung für die Gesamtpolitik des Senats genommen werden.“ Anscheinend glaubten Lederer und Genossen die letzten zehn Jahre, man könne regieren, ohne dass man als Regierungspartei wahrgenommen wird.

Versuchte Kehrtwende

Um sich strategisch und kommunikativ auf die Oppositionsrolle einzulassen, beschloss der Landesvorstand schon im Sommer das, was Lederer den Grünen zuvor vorwarf: Sich an einige stadtpolitische Initiativen „anzuwanzen“.  Allen voran an den Berliner S-Bahn-Tisch, der von Juni bis September erfolgreich Unterschriften für die Zulassung eines Volksbegehrens sammelte. Damit sollen die Verträge zwischen Land und S-Bahn offengelegt  und der Verkehrsvertrag so umgestaltet werden, dass ein möglicher Teilverkauf an einen privaten Investor für diesen möglichst unattraktiv wird (MieterEcho Nr. 350/Oktober 2011). Bereits im Juni beschloss der Landesvorstand die Unterstützung der Unterschriftensammlung und auf dem Parteitag im November wurde diese Absicht erneuert.

Fahne im Wind

Interessant ist dabei die thematische Kehrtwende. Als mehrere Initiativen und Organisationen, darunter auch die Berliner MieterGemeinschaft, vor einiger Zeit Unterschriften für ein neues Sparkassengesetz sammelten, mit dem erreicht werden sollte, dass private Investoren das Interesse am Kauf verlieren, wehrte sich die Partei Die Linke mit Händen und Füßen dagegen.

Heute dagegen befindet sich ihr Landesvorstand nach eigener Aussage neben dem S-Bahn-Tisch unter anderem auch in Kooperation mit dem Bündnis „Wir zahlen nicht für Eure Krise“ und mit dem Berliner Energie-Tisch, der ebenfalls ein Volksbegehren vorbereitet.  Auch an den Wassertisch tastet sich die Partei vorsichtig heran. In einem Brief von Udo Wolf (Fraktionsvorsitzender) an das Sprecherteam des Wassertischs heißt es, die Fraktion werde „sich auch im weiteren Verlauf dafür einsetzen, dass alles getan wird“, um das mit dem  Volksentscheid erkämpfte Gesetz umzusetzen. Dabei hatte die Partei Die Linke den Volksentscheid bis zum Schluss bekämpft. Opportunistische Anwanzerei eben.


 


MieterEcho 352 / Januar 2012

Schlüsselbegriffe: Die Linke, stadtpolitische Initiativen, Berliner Wassertisch, Klaus Lederer, Mieten, Media Spree, Wasservolksbegehren, Opposition, Kehrtwende, S-Bahn-Tisch, Berliner Energie-Tisch