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MieterEcho 355 / Juli 2012

Absage mit einem Lächeln

„Testing“ bietet eine Methode zum Nachweis von Diskriminierung bei der Wohnungsvergabe

Joel Vogel

Nennen wir ihn Herrn Ercan. Er suchte eine Wohnung, studierte morgens die aktuellen Anzeigen, fand etwas Passendes und rief an. Mehrmals vergeblich, bis die Hausverwaltung auf der anderen Seite seinen Anruf beantwortete. Mit einer Absage. Die Wohnung sei schon vergeben. Herr Ercan wunderte sich. Ein merkwürdiges Gefühl war da. Könnte es sein, dass er diskriminiert wurde? Reichte die Nennung seines nicht deutsch klingenden Namens, um eine frisch inserierte Wohnung nicht zu bekommen?

 

Das Gefühl, das ihn beschlich, wurde bestätigt, als ein Kollege, dem er sein Erlebnis vom Morgen erzählte, kurzerhand zum Telefon griff und besagte Hausverwaltung anrief. Sein Kollege meldete sich mit eindeutig deutschem Namen und sagte, er interessiere sich für die Wohnung. Man bot ihm einen Besichtigungstermin an.

Nachweis der Ungleichbehandlung

Herr Ercan wollte das Geschehen nicht auf sich beruhen lassen und ging zum Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin (ADNB). Noch einmal riefen nun im Minutenabstand bei der Hausverwaltung zwei Testpersonen an, einmal mit deutsch, einmal mit nicht deutsch klingendem Namen. Das Ergebnis war das Gleiche: Nur Interessent/innen mit deutschem Namen wurden zur Besichtigung eingeladen.

Was Herr Ercan und sein Kollege spontan getan hatten, ist eine anerkannte Methode, die der Sichtbarmachung und dem Nachweis von Diskriminierung dient. Das sogenannte Testing besteht darin, dass sich zwei Personen mit möglichst gleichem Profil (Einkommen, Familienstand, Arbeitsverhältnis, Alter, Bildungsstand) auf eine Wohnungsanzeige melden. Die beiden Testpersonen unterscheiden sich lediglich in einem Merkmal als potenziellem Auslöser von Diskriminierung. Im Fall einer telefonischen oder schriftlichen Anfrage ist das üblicherweise der Name.

Testing als juristisch relevantes Indiz

„Testing ist im Bereich des Wohnungsmarkts ein gutes Mittel, um rassistische Diskriminierung überhaupt sichtbar zu machen“, sagt Eva Maria Andrades vom ADNB. Denn häufig findet die Ungleichbehandlung verdeckt statt und ist schwer nachzuweisen. Discrimination with a smile – Diskriminierung mit einem Lächeln – heißt es, wenn nicht offen diskriminiert wird, sondern im netten Ton sachliche Gründe vorgeschoben werden. Vor Gericht gilt ein eindeutiges Testing als juristisch relevantes Indiz für eine erfolgte Diskriminierung. Die beschuldigte Seite muss nun nachweisen, dass kein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) stattgefunden hat.

Doch nicht nur zum individuellen Nachweis, sondern auch zur Untersuchung des Ausmaßes von Diskriminierung ist Testing eine seit den 70er Jahren in den USA erprobte Methode. Vorreiter in Deutschland ist der Planerladen e.V. in Dortmund. Er untersuchte die rassisische Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt im Ruhrgebiet in zwei Studien. Eine Online-Studie ergab 2006/07 eine Diskriminierungsquote von 42% für die türkischnamigen Testpersonen, während ein Jahr später (nach Einführung des AGG) bei einer telefonischen Studie die Quote immer noch bei 19% lag. Diskriminiert wurde sachlich und höflich. „Nicht auszuschließen“ sei aufgrund dieser Ergebnisse, dass „die gesetzliche Drohkulisse lediglich zu subtilerer und verdeckter Diskriminierung“ führe, so Regina Hermanns vom Planerladen.

Mehr Sensibilisierung gewünscht

Die Juristin Andrades sieht ähnlich wie auf dem Arbeitsmarkt die Gefahr, „dass Vermieter geschickter diskriminieren, noch mehr vertuschen, was passiert“. Dennoch fände sie eine breit angelegte, staatlich finanzierte Studie auch für den Berliner Wohnungsmarkt „wünschenswert“. Wichtig sei eine gesellschaftliche Sensibilisierung für Diskriminierung. Auch Hermanns vom Planerladen spricht von einer Signalwirkung „sowohl für die Betroffenen, dass Diskriminierung ernst genommen wird, als auch für die Gesellschaft, dass Diskriminierung nicht geduldet wird“. Denn bisher wird nach allen Regeln des Marktes diskriminiert, und der Gesetzgeber schuf schließlich im AGG große Spielräume dafür. „Viele Betroffene nehmen Diskriminierung hin, weil sie so alltäglich ist“, weiß Andrades aus ihrer Beratungsarbeit. Testing könne helfen, Öffentlichkeit zu schaffen und über Diskriminierung und über Möglichkeiten, wie sich Betroffene wehren können, zu informieren. Der ADNB bietet Hilfe beim Umgang mit Diskriminierung, berät kostenlos und bietet in konkreten Fällen die Durchführung von Testings an.

Antidiskriminierungsnetzwerk des TBB

Das Antidiskriminierungsnetzwerk (ADNB) ist ein Projekt unter der Trägerschaft des Türkischen Bunds in Berlin-Brandenburg (TBB) und wird durch das Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit des Berliner Senats gefördert.




Tempelhofer Ufer 21, 10963 Berlin

Tel.: 030 – 61 30 53 28

Fax: 030 – 61 30 43 10

E-Mail: adnb@tbb-berlin.de

www.adnb.de


MieterEcho 355 / Juli 2012

Schlüsselbegriffe: Testing, Nachweis von Diskriminierung, Ungleichbehandlung, Wohnungsmarkt, rassistische Diskriminierung, Antidiskriminierungsnetzwerk, ADNB, Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, Planerladen, Türkischen Bunds in Berlin-Brandenburg, TBB