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MieterEcho 346 / März 2011

Und ewig zahlt Berlin

Nach dem erneut gescheiterten Verkauf ist die Zukunft der Skandal-Immobilien der Bankgesellschaft wieder offen

Benedict Ugarte Chacón
 

Über Jahre hatte der rot-rote Senat versucht, die Risikoabschirmung für die Immobilienfonds der 2001 zusammengebrochenen Bankgesellschaft als Erfolg darzustellen. Nicht nur, dass die Bankgesellschaft saniert werden konnte. Hinzu kam ein ungewöhnlich hoher Verkaufspreis, der 2007 für die Bank samt der Berliner Sparkasse erzielt werden konnte. Mit dem Erlös von 4,6 Milliarden Euro sollten die Kosten für die Risikoabschirmung gedeckt werden, verschiedene Politker sprachen sogar von einem „Nullsummenspiel“ für Berlin. Doch nun zeigt sich erneut, dass die Verarbeitung des Bankenskandals schwieriger wird als gedacht – und vor allen Dingen teurer.

 

Zu der von Rot-Rot im Jahr 2002 vorgenommenen Risikoabschirmung gehörte die Übernahme der skandalösen Immobilienfonds, die die Bankgesellschaft in den 90er Jahren aufgelegt hatte und die mit vollkommen unüblichen Garantien für die Fondszeichner ausgestattet waren. Die Immobilien hatte die Bank wahllos und im großen Stil in ganz Deutschland und im Ausland zusammengekauft. Die an die Zeichner gegebenen Garantien wirkten sich auf die Risikolage des ganzen Konzerns aus und waren ein Grund für den Zusammenbruch der Bank im Jahr 2001. Heute befinden sich die Immobilien in der landeseigenen Berliner Immobilien Holding (BIH), deren Portfolio aktuell aus 29 Immobilienfonds mit 595 Objekten besteht. Darin enthalten sind eine große Zahl von über ganz Deutschland verteilten Gewerbeimmobilien wie Tankstellen, Einkaufszentren, Supermärkten, Altenheimen oder Multiplexkinos. Hinzu kommen rund 39.000 Wohnungen, davon 20.000 in Berlin. Das erste große Problem, mit dem sich Land und BIH herumplagen mussten, waren Tausende von Fondszeichnern, die nach wie vor auf die von der Bankgesellschaft garantierten Renditen pochten. Das Land wollte die Zeichner möglichst loswerden, denn so lange diese in den Gesellschafterversammlungen der Fonds sitzen, können sie Einfluss auf die Verwertung der Immobilien nehmen und die Umstrukturierung der Fonds oder deren Auflösung torpedieren. Um überhaupt Zugriff auf die Immobilien zu bekommen, musste das Land also zunächst einmal für eigene Mehrheiten in den Gesellschafterversammlungen sorgen. Erst Anfang 2009 konnte eine Einigung mit einem Großteil der Zeichner gefunden werden. Der Ankauf von deren Fondsanteilen kostete das Land 1,8 Milliarden Euro. Da sich einige Zeichner besonders hartnäckig gaben und ihre Anteile behielten, verfügen sie nun über starke Minderheitenrechte in einigen Fonds. Auf diese Zeichner muss das Land nach wie vor Rücksicht nehmen. Das ist ein Grund dafür, warum beispielsweise die Fonds nicht einfach aufgelöst und einzelne Immobilien verkauft werden können, und Berlin immer noch stolzer Besitzer von ehemaligen Neue-Heimat-Immobilien in Wolfsburg oder Einkaufspassagen in Süddeutschland ist.
 

Unseriöses Verkaufsszenario

Um das Problem ein für allemal vom Tisch zu bekommen, strebt der Senat seit Jahren danach, die BIH als „Gesamtpaket“ mitsamt den sie belastenden Risiken zu verkaufen. Gelänge dies, wäre die Risikoabschirmung für das Land Berlin erledigt. Der ehemalige Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) verkündete mehrmals vollmundig, dass die potenziellen Käufer bereits Schlange stünden. Sein Nachfolger Ulrich Nußbaum (parteilos) gab sich weniger optimistisch, brach das von Sarrazin gestartete Bieterverfahren ab und verhandelte danach über ein Jahr mit einem Konsortium um den Londoner Finanzinvestor Altyon. Man hatte sich sogar schon auf einen Kaufvertrag geeinigt. Der sollte allerdings geheim bleiben, und selbst für die Abgeordneten, die diesem Vermögensgeschäft letztlich zustimmen müssen, gab es nur schematische Inhaltsangaben. Dennoch kam es innerhalb der SPD zu einem Streit, ob man denn nicht zumindest die Berliner Wohnungen der BIH behalten könne. Wohl auch deshalb entschied der Senat Anfang Februar, die BIH vorerst nicht zu verkaufen. Ohnehin wies das von Nußbaum angestrebte Verkaufsszenario einige Fragwürdigkeiten auf. So war nicht klar, ob sich das Käuferkonsortium überhaupt in der Lage befand, das Geschäft aus eigenen Kräften zu stemmen. Die gesamtschuldnerische Haftung sollte nach Auskunft von Nußbaum zudem von der in Abu Dhabi ansässigen Hilal Bank übernommen werden. Allerdings verfügt diese Bank nur über ein Eigenkapital von 545 Millionen US-Dollar. Und als das angebliche Engagement der Bank öffentlich bekannt wurde, dementierte diese in einem Brief an den Berliner Tagesspiegel, dass sie sich am Kauf der BIH beteiligen wolle.
 

Landesbürgschaften für Kredite

Berlin muss nun also zunächst einmal zusehen, wie es mit der BIH weiter umgehen will. Denn der 2007 erzielte Verkaufserlös für die Bankgesellschaft ist so gut wie aufgebraucht, die risikobehafteten Immobilien verursachen aber stetig Kosten. Zum einen lasten auf den Immobilien hohe Kreditschulden, die die Bankgesellschaft in den 90er Jahren zu ihrer Finanzierung aufgenommen hatte. Das Land bürgt hier in einer Höhe von 4,1 Milliarden Euro. Hinzu kommen Mietgarantien, für die das Land Berlin aufkommen muss. Die Konstruktion der Fonds sieht nämlich eine Miete in einer prognostizierten Höhe vor. Sollten die Immobilien diese Miete nicht einbringen, sind die Mieteinnahmen trotzdem garantiert. Da die Immobilien der BIH teilweise in einem schlechten Zustand sind, kosten diese Mietgarantien das Land ab 2011 schätzungsweise jährlich 130 Millionen Euro. Dies geht aus einem internen Papier des Finanzsenators hervor, das dieser für eine Fraktionssitzung der SPD im Januar erstellen ließ. Dem Papier ist auch zu entnehmen, dass die BIH von einem Investitionsbedarf zusätzlich zu ihren normalen Investitionen von 67,4 Millionen Euro pro Jahr ausgeht. Das Problem ist nur, dass die BIH laut Nußbaum nicht über diese Mittel verfügt. Ohnehin würde es nur bei dieser Summe bleiben, wenn „höchst unrentable Objekte, die sie (die BIH) als Cashburner bezeichnet, aus dem Immobilienportfolio entfernt werden“. Kurz gesagt: Das Land steht nach dem abgesagten Verkauf vor der  Wahl, entweder viel Geld zu investieren, damit die BIH-Immobilien saniert werden können und besser zu vermieten sind, oder viel Geld für die Mietgarantien aufzubringen.
 

Problematische Immobilien

Die rot-rote Koalition bejubelte den Verkaufstopp. Sie hatte sich zuvor dafür ausgesprochen, die 20.000 Berliner Wohnungen aus dem Portfolio herauszulösen und kommunal zu bewirtschaften, denn schließlich sei man ja generell für Rekommunalisierung. Allerdings gestaltet sich die Herauslösung der Wohnungen aus den Immobilienfonds nicht so einfach. Die verbliebenen Zeichner der betreffenden Fonds müssten der Herauslösung zustimmen, und ob dies geschieht, ist fraglich. Außerdem ging das Interesse der rot-roten Regierung nicht so weit, sich einmal etwas genauer mit dem Wohnungsbestand der BIH zu beschäftigen. Zum einen befinden sich rund 7.000 Wohneinheiten darunter, die keine Wohnungen im herkömmlichen Sinn sind. Dabei handelt es sich um die Appartement-Bestände der ehemals landeseigenen Arwobau, die während der Privatisierungswelle in den 90er Jahren an die Bankgesellschaft verkauft wurde. Gedacht waren diese Appartements ursprünglich als vorläufige Bleibe für nach Berlin zuziehende Arbeitnehmer, Geschäftsreisende oder Touristen. Ob sich Appartements für eine soziale Wohnungspolitik eignen, sei einmal dahin gestellt. Jedenfalls scheinen sie schwer vermietbar zu sein. Laut den internen Unterlagen Nußbaums beträgt die Leerstandsquote der Bestände über 30%. Ein weiteres Problem bei den Berliner Wohnungsbeständen der BIH ist, dass sich 7.300 von ihnen noch in der öffentlichen Förderung befinden. Nach diesem früheren System wurden die zumeist privaten Bauherren extrem subventioniert. Die Mieter/innen bezahlen hier eine Miete, die weit unter der sogenannten Kostenmiete liegt. Die Kostenmiete beinhaltet alle vom Vermieter geltend gemachten laufenden Kosten, und um auf diesen Betrag zu kommen, erhält er vom Land Berlin Förderungen. Der rot-rote Senat beschloss 2003 den Ausstieg aus diesem absurden System. Dabei versäumte er allerdings, sich Gedanken darüber zu machen, was mit den betroffenen Mieter/innen passieren soll. Denn fällt die Förderung weg, kann der Wohnungseigentümer die Miete auf die „Kostenmiete“ anheben. Diese können ärmere Mieter/innen, für die diese Wohnungen eigentlich gedacht waren, nicht bezahlen (s. MieterEcho Nr. 339/März 2010). Dieser Prozess würde nun auch bei den Wohnungen der BIH erfolgen. Und auch hier steht das Land vor einem Dilemma: Entweder nimmt es in Kauf, dass zahlreiche Mieter/innen aus ihren Wohnungen ausziehen müssen, oder es müsste die Mieten weiterhin bezuschussen.
 

Konzeptlose Politik

Der Umgang von Rot-Rot mit dem Erbe der Bankgesellschaft folgt insgesamt dem gewohnten Muster: Risiken für den Landeshaushalt werden auf die lange Bank geschoben, mögliche problematische Entwicklungen werden verschwiegen, und man hofft, dass es letztlich nicht allzu schlimm kommt. Für die zukünftige Bewirtschaftung der BIH-Immobilien fehlt jegliches Konzept. Überhaupt ist unklar, ob die verbliebenen Fondszeichner bereit sind, im Sinne des Landes zu handeln, oder ob sie nicht – wie in der Vergangenheit auch – mit ihren Anteilen möglichst hoch pokern, um sich für möglichst hohe Summen aus den Fonds herauskaufen zu lassen. Die Berliner BIH-Wohnungen wären jedoch für Rot-Rot kein wichtiges politisches Thema, hätten SPD und PDS nicht 2004 mit dem Verkauf der GSW die größte Wohnungsprivatisierung Berlins durchgeführt.
 

MieterEcho Nr. 346 vom März 2011


MieterEcho 346 / März 2011

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