Spät, aber immerhin
Berliner Parlament hat aus dem Bankenskandal gelernt und will die Haftung von Managern verschärfen
Benedict Ugarte Chacón
In seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause beschloss das Abgeordnetenhaus weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit, dass sich der Senat für eine Verschärfung des Wirtschaftsstrafrechts einsetzen soll. Das Ziel ist, öffentliches und privates Vermögen vor Verlusten aus stark risikobehafteten Geschäften – wie sie die Bankgesellschaft bis zu ihrem Zusammenbruch vornahm – wirksamer als bisher zu schützen. Angesichts der aktuellen Finanzmarktkrise ist es dafür höchste Zeit.
Ausschlaggebend für die geplante Verschärfung war der Freispruch für den ehemaligen Vorstand der Bankgesellschaft Klaus-Rüdiger Landowsky und für elf andere Manager im Februar dieses Jahres. Vorausgegangen war dem Freispruch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das die Urteile gegen Landowsky und andere aus einem früheren Verfahren, bei dem es um zweifelhafte Kreditvergaben ging, im Sommer 2010 aufgehoben hatte. In der Begründung heißt es, dass Landowsky und Co. zwar „die ihnen als Vorstandsmitglieder obliegende Pflicht verletzt haben, die Vermögensinteressen der Hypothekenbank wahrzunehmen, namentlich eine umfassende und sorgfältige Bonitätsprüfung vorzunehmen“, es fehle aber an einer wirtschaftlich nachvollziehbaren Feststellung und Darlegung des Schadens. Klar ist somit, dass die Manager pflichtwidrig gehandelt haben, unklar jedoch die Höhe des von ihnen verursachten Schadens. Der Entscheidung des Gerichts zufolge muss in Untreueverfahren peinlich genau gerechnet werden – was sich bei hochkomplexen Geschäften, die vielleicht schon Jahre zurückliegen, sehr schwierig gestaltet (MieterEcho Nr. 343/November 2010).
Misswirtschaft bislang nicht strafbar
Im zweiten Verfahren gegen Landowsky und die anderen Manager ging es um die Auflage geschlossener Immobilienfonds in den 90er Jahren. Mit diesen hatte die Bankgesellschaft enorme Risiken angehäuft, unter denen sie zusammengebrochen wäre, wenn nicht das Land Berlin diese Risiken in Höhe von bis zu 21,6 Milliarden Euro abgeschirmt hätte. Die im Gerichtsverfahren zu klärende Frage war, ob die Auflage solcher Risikofonds rechtlich zu ahnden ist. Das Gericht kam zur Auffassung, dass es gegen diese Art von Misswirtschaft keine rechtlichen Mittel gäbe. Die Risiken seien bei Auflage der Fonds nicht erkennbar gewesen und den Angeklagten sei demnach kein pflichtwidriges Verhalten nachzuweisen. Deshalb sprach es die Angeklagten frei.
Gewinne privatisieren – Verluste sozialisieren
Vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die letztendlich zum Freispruch für Landowsky führte, geht die rot-rote Koalition davon aus, dass der in § 266 des Strafgesetzbuchs benannte Tatbestand der Untreue „bei ruinösem Finanzgebaren von Managern großer Banken und Unternehmen praktisch nicht mehr anwendbar“ sei. Aus diesem Grund brachten SPD und Die Linke am 14. Juni 2011 einen Antrag in die Plenarsitzung ein, mit dem der Senat aufgefordert wird, im Bundesrat eine Gesetzesinitiative auf den Weg zu bringen, die insbesondere die Haftung von Managern präzisieren und ausweiten soll. Hierfür sei zu prüfen, ob § 93 des Aktiengesetzes, in dem die Sorgfaltspflichten und Verantwortlichkeiten von Vorstandsmitgliedern geregelt sind, um einen Straftatbestand erweitert werden kann. Ebenfalls sei zu prüfen, ob Risikogeschäfte, die Banken außerhalb ihrer eigenen Bilanz über Zweckgesellschaften vornehmen, eingeschränkt werden können. Zudem bedürfe es einer Verschärfung der zivilrechtlichen Haftung von Managern, die ein Unternehmen zum Bankrott führen. Der Senat hat dem Abgeordnetenhaus über die Umsetzung dieser Aufforderung bis zum 15. September 2011 Bericht zu erstatten.
Längst überfälliger Schritt
Mit dieser Initiative geht Rot-Rot einen längst überfälligen Schritt. Es bleibt zu hoffen, dass der Senat die Aufforderung ernst nehmen und sich, wahrscheinlich in neuer Zusammensetzung, im Bundesrat mit diesem Vorhaben durchsetzen wird. Damit hätte das Land Berlin für diese Art der Wirtschaftskriminalität endlich eine gesetzliche Grundlage geschaffen, um die Verantwortlichen dafür zur Rechenschaft zu ziehen.
MieterEcho 349 / September 2011
MieterEcho 349 /
Schlüsselbegriffe: Wirtschaftsstrafrecht, Bankenskandal, Haftung von Managern, risikobehaftete Geschäfte, Finanzmarktkrise, Klaus-Rüdiger Landowsky, Bankgesellschaft, Misswirtschaft, Risikofonds, § 266 des Strafgesetzbuchs, Gesetzesinitiative, Bundesrat