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MieterEcho 351 / Dezember 2011

Mietenstopp als vertrauensbildende Maßnahme

Mit einem mietenpolitischen Dossier fordern Initiativen aus ganz Berlin den neuen Senat zum Handeln auf

Jutta Blume

Anlässlich der Koalitionsgespräche zum Thema Stadtentwicklung waren am 8. November etwa 50 Mieter/innen ins Rote Rathaus gekommen, um der Dringlichkeit der Mietenproblematik in der Stadt Ausdruck zu verleihen. Sie überreichten den Vertretern der Fraktionen ein 28-seitiges Dossier mit dem Titel „Ein Recht auf Stadt für alle“. Darin werden Problemfälle beschrieben und auch konkrete Forderungen an eine künftige Mietenpolitik gestellt. Ein inhaltliches Gespräch kam bei der Übergabe nicht zustande. „Wir müssen erst einmal darüber reden können, damit wir Ihnen Ergebnisse präsentieren können“, erklärte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion Christian Gäbler. Die Geduld der Mieter/innen ist allerdings begrenzt. „Wer ein ,Weiter so’ der Wohnungs- und Stadtpolitik zulässt, riskiert eine Welle zivilen Ungehorsams“, heißt es im Dossier.

 

Mieter/innen protestieren im Roten Rathaus gegen steigende Mieten und Verdrängung, sie fordern vom Senat das Ergreifen umgehender Gegenmaßnahmen.  Foto: Jutta Blume

 

Viele Mieter/innen haben schlichtweg keine Zeit mehr, auf langfristige Lösungen zu warten, da sie schon heute akut von Verdrängung bedroht sind. Mieter/innen aus der Greifenhagener Straße 48 etwa erhielten kürzlich Mietsteigerungen um 57%, nachdem ihr Haus zum 1. Oktober 2011 aus der Anschlussförderung für den sozialen Wohnungsbau gefallen ist. „Bei uns wohnen viele alte Leute im Haus, die können nicht einfach umziehen“, klagt einer der Betroffenen. Mieter/innen des sozialen Wohnungsbaus sind auch aus dem Fanny-Hensel-Kiez und vom Kottbusser Tor gekommen. Im Fanny-Hensel-Kiez sind viele wegen der drastischen Mieterhöhungen bereits ausgezogen, und am Kottbusser Tor geben die Mieter/innen nach eigener Auskunft 40 bis 50% ihres Einkommens für die Miete aus.

Steigende Mieten

Der soziale Wohnungsbau ist nur einer der Problemfälle, der im Dossier der Mieterinitiativen beschrieben ist. Insgesamt sieben für die Berliner Mietenpolitik beispielhafte Problematiken werden darin aufgeführt. Dazu zählt auch die Verdrängung von Mieter/innen durch Modernisierung wie etwa in der Fuldastraße 31/32 in Neukölln. Die Folgen der energetischen Modernisierung des Hauses sind Mietsteigerungen bis zu 89%. Somit sei die Modernisierung alles andere als warmmietenneutral, sie würde im Gegenteil auch die Heizkosten in die Höhe treiben, so die Bewohner/innen. Neben konkreten Fällen der Verdrängung geht es im Dossier um die grundlegende Schwierigkeit, in Berlin überhaupt noch eine bezahlbare Wohnung zu finden, da bei 80% der Neuvermietungen die Preise über dem Berliner Durchschnitt lägen. Auch landeseigene Wohnungsunternehmen betätigen sich als Preistreiber, wie am Beispiel der Gewobag in Charlottenburg gezeigt wird. ALG-II-Beziehende sähen sich wegen der steigenden Mieten dem Druck der Jobcenter ausgesetzt, ihre Kosten der Unterkunft zu senken, das heißt, sich eine billigere Wohnung zu suchen. Die Betroffenen könnten dann nur noch entscheiden, aus der Innenstadt wegzuziehen oder die erhöhten Mietkosten aus dem Regelsatz zu bezahlen.

Sofortmaßnahmen gefordert

Angesichts der drängenden Probleme verlangen die Mieter/innen vom künftigen Senat nicht nur, binnen 100 Tagen zur Mietenproblematik Stellung zu beziehen, sondern auch, Lösungen sofort in Angriff zu nehmen. Als „vertrauensbildende Maßnahme“ fordern die Initiativen die Umsetzung von vier Punkten. So sollten Mietsteigerungen bei den landeseigenen Wohnungen ausgesetzt werden und die Kostensenkungsaufforderungen für ALG-II-Beziehende und bereits erfolgte Sanktionen zurückgenommen werden. Außerdem wird der künftige Senat aufgefordert, die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt anzuerkennen, da nur auf diese Weise gegen erhöhte Mieten bei Neuvermietungen vorgegangen werden kann. Die vierte Forderung betrifft die Berechnung der Kostenmiete im sozialen Wohnungsbau. Bei deren Berechnung sollen keine fiktiven Kosten mehr einfließen dürfen. Die weiteren Forderungen der einzelnen Initiativen sind vielfältig und sollen auf einem „Mietengipfel“ weiter diskutiert werden.

 


MieterEcho 351 / Dezember 2011

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