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MieterEcho 351 / Dezember 2011

Im Gegenstrom

Der Berliner Wassertisch muss sich gegen Störmanöver ehemaliger Mitglieder behaupten

Benedict Ugarte Chacón

Es gehört zum Alltag größerer politischer Gruppen, dass sie sich hin und wieder mit Störungen auseinanderzusetzen haben, die von Gegnern oder auch von unzufriedenen oder ehemaligen Mitgliedern ausgehen. Dass es auch eine vergleichsweise überschaubare Bürgerinitiative treffen kann, zeigen die Vorgänge um den Berliner Wassertisch. Schon vor dessen erfolgreichem Volksentscheid zur Offenlegung der geheimen Verträge zur Teilprivatisierung der Wasserbetriebe im Februar dieses Jahres schwelten interne Konflikte, die schließlich im Oktober eskalierten. 


Im April hatte die Initiative ein neues siebenköpfiges Presseteam gewählt. Da sie sich als basisdemokratisch versteht, konnte sich jede/r Ambitionierte zum Teammitglied erklären. Das Plenum stimmte per Akklamation zu. Der mittlerweile medial bekannte ehemalige Sprecher des Volksentscheids, Thomas Rudek, verzichtete ausdrücklich auf die Mitarbeit. Seit dieser Wahl sieht sich die Initiative jedoch so manchem Störmanöver ausgesetzt. So gab Rudek mehrfach Pressekonferenzen ohne den Wassertisch oder führte Gespräche mit dem damaligen Wirtschaftssenator Harald Wolf (Die Linke), was die Initiative aus der Zeitung erfuhr und über deren Inhalt Rudek keine so rechte Auskunft geben wollte. Laut Tagesspiegel soll es um die Auswahl von Kanzleien gegangen sein, die prüfen sollten, ob wirklich alle Vertragsunterlagen veröffentlicht wurden. Auf Betreiben von Rudek und der Juristin Sabine Finkenthei soll sich zudem im ersten Halbjahr 2011 ein „Arbeitskreis unabhängiger Juristen“ zusammengefunden haben, der Möglichkeiten der rechtlichen Auseinandersetzung um die Teilprivatisierungsverträgen prüft. Das Ergebnis ist ein „juristischer Leitfaden“, der sich hauptsächlich an Abgeordnete richtet. Unklar ist jedoch, wer hinter dem Arbeitskreis steckt. Dem Plenum des Wassertischs wurden keine Namen genannt und die Zusammenkünfte fanden hinter verschlossenen Türen statt. Auch enthält der „Leitfaden“ keine Autorenangaben.

„Wasserbürger“ und Wassertisch-Fake

Parallel dazu rief Rudek eine neue Initiative namens „Wasserbürger“ ins Leben, die er als „notwendige Ergänzung“ zum Wassertisch bezeichnet. Im Kern geht es um die Initiierung eines neuen Volksbegehrens, mit dem angeblich die Rekommunalisierung der Wasserbetriebe gelingen soll – ein Vorschlag, den Rudek mehrfach beim Wassertisch einbrachte, der aber keine Mehrheit fand. Nach monatelangen Auseinandersetzungen zog das Wassertisch-Plenum Anfang Oktober die Reißleine und trennte sich von den „Wasserbürgern“. Diese hätten die „Strukturen des Wassertisches (...) weiterhin in Anspruch genommen, Aktivitäten des Wassertisches aber behindert“, heißt es in einer Erklärung. Rudek reagierte seinerseits mit Anwürfen gegen das Wassertisch-Presseteam. Etwas bizarr agiert auch ein kleiner Kreis ehemaliger Wassertisch-Mitglieder, an dem auch Rudek und Finkenthei beteiligt sein sollen. Die Gruppe gibt sich seit Kurzem als „reguläres Wassertisch-Plenum“ aus und betreibt eine Art Mimikry, indem sie Pressemitteilungen im Namen des Wassertischs herausgibt, eine Internetseite mit gleichem Namen unterhält und auch das Erscheinungsbild der Initiative zu kopieren versucht. Der einzige wahrnehmbare Akteur ist ein Pressesprecher, der sich auch für eine mehrseitige Grundsatzerklärung verantwortlich zeichnet. Darin wird das Wassertisch-Presseteam in Abwesenheit „suspendiert“ und die Gruppe um den Pressesprecher als „einzig rechtmäßige Vertretung des Wassertischs“ ausgerufen. Woraus sich diese Legitimation herleiten soll, bleibt unbekannt, und auch welchen Aktivitäten die Gruppe über das Versenden von Pressemitteilungen hinaus nachgeht, erschließt sich nicht. Der Wassertisch wird sich durch seine Größe und eingespielten Arbeitsprozesse sicherlich gegen solche Manöver behaupten können. Wahrscheinlich ist auch, dass den Störer/innen früher oder später die Luft ausgeht, da sie bisher kaum öffentliche Resonanz erfuhren. Das Beispiel Wassertisch zeigt aber auch, dass jede Initiative Opfer von „Markendiebstahl“ und Verleumdung werden kann.

 


MieterEcho 351 / Dezember 2011

Schlüsselbegriffe: Berliner Wassertisch, Bürgerinitiative, Volksentscheid, Teilprivatisierung, Berliner Wasserbetriebe, Thomas Rudek, Wasserbürger