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MieterEcho 349 /

Heute wie vor 25 Jahren

Eine Wohnung zu finden, ist wieder so schwer wie früher

Christiane Lehmacher-Dubberke, Pressesprecherin des Diakonischen Werks Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz 

 

Wenn Sie heute eine bezahlbare Wohnung suchen, dann ist das eine Herausforderung und dauert Wochen, Monate und manchmal auch ein Jahr. Viele erinnern sich noch lebhaft an die Zeiten der Teilung. In Ost- und Westberlin war Wohnraum, insbesondere bezahlbarer (das galt für den Westteil der Stadt), mehr als knapp. Wer damals eine Wohnung suchte, stand vor astronomischen Ablösesummen. Ein persönliches Beispiel aus meiner damaligen Suchzeit: 2-Zimmer-Wohnung, Wedding, 55 qm (an die Höhe der Miete erinnere ich mich leider nicht mehr), und die Ablösesumme an den Vermieter sollte 5.000 DM betragen – für eine kaputte Waschmaschine und einen stark verschmutzten Teppichboden. Natürlich zuzüglich der Maklerprovision für diese ‚fantastische’ Wohnung.

 

Das war kein Einzelfall. Ich habe damals nach langem Suchen eine Wohnung in Alt-Moabit gefunden, Hinterhaus, kein Bad, aber immerhin mit Innentoilette und Gasheizung im Wohnzimmer. Im Winter war es in der Küche und im Schlafzimmer so kalt, dass man bequem Eis hätte produzieren können. Bekommen habe ich diese Wohnung, weil ich dem Vermieter so sympathisch war. Eine Entspannung des Wohnungsmarkts trat erst nach Mauerfall, diversen Wohnungsbauprogrammen und Sanierungen von Altbestand ein.

Verdrängung aus der Innenstadt

Aber wurde auf der einen Seite aufgebaut, begann auf der anderen Seite der Zerfall. Das Ergebnis sehen wir heute: Der Soziale Wohnungsbau ist quasi abgeschafft, landeseigene Wohnbaugesellschaften wurden verkauft und die noch verbliebenen Gesellschaften werden zu marktkonformem Handeln gezwungen, das heißt arme Mieter raus und Mieten hoch.
Wo bleiben die Menschen in Berlin, die in ihrem Kiez bleiben wollen, aber nicht mehr das Geld für ihre modernisierte Wohnung aufbringen können? Oder die aufgrund von Arbeitsverlust oder geringem Einkommen die Miete nicht bezahlen können? Wo bleiben die Menschen, die bereits wohnungslos sind? Wo bleiben einkommensschwache Familien, Alleinerziehende und Migrant/innen? Die Makler der Stadt wissen die Antwort, wie vor Kurzem in der Morgenpost zu lesen war: Es gibt keinen Anspruch auf eine Wohnung in einem Innenstadtbezirk, und wer die Miete nicht zahlen kann, muss halt an den Rand. Viele andere Metropolen der Welt zeigen, wie das geht, ein schönes Beispiel ist Paris, gar nicht so weit weg von Berlin. Die Frage ist, wer will am Stadtrand wohnen? Will Berlin tatsächlich eine Art Ghetto haben, mit all den daraus entstehenden Problemen? Noch besteht in vielen Bezirken ein ausgewogenes und durchmischtes Milieu, aber wie lange noch? Es muss schnell gehandelt werden.

Forderungen der Diakonie

  1. Bei Wohnungen, deren Errichtung mit öffentlichen Mitteln gefördert wurde und die daher mit einer niedrigen Miete angeboten werden, müssen die Belegungsbindungen neu konkretisiert werden, damit zum Beispiel alleinerziehende Geringverdienerhaushalte diese Wohnung auch bekommen können.
  2. Das Land muss neue Wohnungen kaufen oder den Bau neuer Wohnungen durch öffentliche Mittel fördern, weil in den nächsten Jahren zahlreiche öffentlich geförderte Wohnungen durch Aufhebung der Belegungsbindung wegfallen.
  3. Der landeseigene Wohnungsbestand muss erhalten bleiben, um weiterhin eine soziale Wohnraumpolitik gewährleisten zu können und Mietpreissteigerungen einzudämmen.
  4. Bei energetisch notwendigen Gebäudesanierungen muss die Möglichkeit einer öffentlichen Förderung geschaffen werden, um einkommensschwache Haushalte nicht durch die Umlage der Modernisierungskosten zu verdrängen.
  5. Weil immer mehr Mietwohnungen im Innenstadtbereich in Ferienwohnungen umgewandelt werden und sich dadurch der Wohnraum zunehmend verknappt, dabei aber die Einwohnerzahl Berlins ständig steigt, muss die Umwandlung von Miet- zu Ferienwohnungen sofort gestoppt werden.

Der DGB und die Diakonie haben eine Kampagne dazu gestartet. Weitere Information dazu finden Sie unter www.diakonie-portal.de/mike-inberlin

 

 

An alle Initiativen und Organisationen: Wenn wir Sie in Sachen „Wir fordern eine soziale Stadtraumentwicklung“ unterstützten können, melden Sie sich bei uns. Wir weisen gern auch auf Veranstaltungen oder Ähnliches hin. Toll wäre es, wenn es uns gelingen würde, eine Vernetzung aller Initiativen unterstützen zu können.

 

 

MieterEcho 349 / September 2011

 


MieterEcho 349 /

Schlüsselbegriffe: Wohnungssuche, bezahlbarer Wohnraum, Verdrängung, Innenstadt, Sozialer Wohnungsbau, einkommensschwache Familien, Alleinerziehende, Migrant/innen, Forderungen der Diakonie, Belegungsbindungen, landeseigener Wohnungsbestand, soziale Wohnraumpolitik, Modernisierungskosten, Ferienwohnungen, DGB, Diakonie