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MieterEcho 351 / Dezember 2011

Größtes Aufwertungspotenzial

Mit dem Bauprojekt „Revaler Spitze“ soll die letzte große Freifläche im südlichen Friedrichshain bebaut werden

Benedict Ugarte Chacón

„Das letzte freie Baufeld“ in der Gegend zwischen Ostkreuz und Boxhagener Platz soll, so versprechen es die Investoren, „eine unverwechselbare Adresse“ werden. Dies werde mit einer „architektonisch anspruchsvollen Wohnbebauung“ geschehen, mit der nicht weniger als ein neues „vollständiges Quartier“ erstehen soll. Zumindest liest sich das in der Selbstdarstellung des Projekts so. Bis 2014 will man das Projekt zwischen Simplonstraße und Revaler Straße nahe des Bahnhofs Ostkreuz fertiggestellt haben. Ein gegenüber liegendes Gelände, auf dem sich unter anderem zwei Clubs und eine Hundeauslauffläche befinden, soll ebenfalls als Bestandteil des „neuen Quartiers“ entwickelt werden.

 

 

Baustelle „Revaler Spitze“: Wo jetzt noch Hunde spielen, sollen bald Obstbäume blühen – aber hinter geschlossenen Toren.     Foto: Benedict Ugarte Chacón

 

Im September startete der Vertrieb für die zwei Häuser mit insgesamt 41 Wohnungen des ersten Bauabschnitts. Zwischen 360.000 und 610.000 Euro betragen die Kaufpreise der Wohnungen. Das entspricht Quadratmeterpreisen von rund 3.000 bis 4.000 Euro – je nachdem, ob es sich um eine einfache Etagenwohnung, eine Gartenwohnung oder ein Penthouse handelt. Verantwortet wird das Projekt von der Varenta GmbH, ein Immobiliendienstleistungsunternehmen, das neben Projektentwicklung und Bauträgerschaft auch die Haus- und Grundstücksverwaltung übernimmt und bereits verschiedene Projekte in Friedrichshain entwickelte. Neben den Wohnhäusern ist ein großer Hofgarten geplant, von dem es bei den Investoren heißt, er könne dem nahegelegenen Helenenhof – eine 1904 bis 1906 errichtete Wohnanlage mit parkähnlichem Innenhof – den Rang ablaufen. Der Vergleich mit dem allgemein zugänglichen Helenenhof bezieht sich nach Aussage des Varenta-Geschäftsführers Bert Günther allerdings nur auf „die Dimension und die Gestaltung“. Da die Wohnungen teilweise mit Privatgärten ausgestattet werden sollen und der Hofgarten als „Rückzugsbereich konzipiert“ werde, wird er für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sein. Der Bevölkerung im Kiez bleibt als Trost aber der Blick in die Gartenlandschaft, denn das geplante Tor solle „nicht als Sichtschutz ausgebildet“ werden, „sodass dem Passanten die Sicht in den Hofgarten möglich sein wird.“

 

Wohnen statt Clubkultur

Die an das Gelände angrenzende Döringstraße, ein eher verschlafener Schleichweg zwischen Revaler Straße und Simplonstraße, soll später zur „grünen Promenade“ mit Vorgärten und Bäumen ausgebaut werden. „Gut möglich, dass sich die Döringstraße zum wahren Herz der Revaler Spitze entwickelt, wenn der gegenüberliegende Block, wie zu erwarten, ebenfalls zu einer gelungeneren Bebauung gelangt.“ Was die Immobiliendienstleister hier so unbekümmert in Aussicht stellen, bedeutet allerdings, dass im Zuge der Projektentwicklung die Clubs Lovelite und Morlox sowie eine von Anwohner/innen gemietete Hundeauslauffläche verschwinden müssen, die in eben jenem gegenüberliegenden Block beheimatet sind. Wann dies der Fall sein wird, können die Investoren zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Man wolle, so Günther, die Bebauung „nicht allein, sondern in Abstimmung mit einem weiteren Berliner Immobilienunternehmen realisieren“. Dies soll in Absprache mit dem Bezirk geschehen. Das Gelände sei nach dem Aufstellungsbeschluss eines Bebauungsplans seit Mitte der 90er Jahre für Wohnnutzung vorgesehen. Dass Clubs und Hundeauslaufplatz  verschwinden, ist wohl nur eine Frage der Zeit, auch wenn man dies bei der Varenta bedauert: „Die  zwischenzeitliche  Ansiedlung von Clubs haben wir (...) stets als Belebung begrüßt.“ Doch gerade diese durch die vorhandene Clubkultur hervorgerufene Popularität des Kiezes habe zu einer großen Wohnungsnachfrage geführt. In Investorensprache heißt das „Innenstadtkiez mit dem größten Aufwertungspotenzial“. Die „Revaler Spitze“ scheint ein schon fast lehrbuchhafter Fall solch einer „Aufwertung“ zu sein, bei der ein Kiez mit einem „alternativen“ Image von Investoren als attraktiv befunden wird. Dabei bauen die Investoren für eine Klientel, die teilweise so gar nicht in den Kiez passen will. Mal sehen, ob die noch ansässigen Clubs sich ähnlich wie in Prenzlauer Berg mit Lärmbeschwerden der neuen Anwohnerschaft auseinandersetzen müssen.

 


MieterEcho 351 / Dezember 2011

Schlüsselbegriffe: Revaler Spitze, Friedrichshain, Varenta GmbH, Immobiliendienstleister, Bebauungsplan, Quadratmeterpreise, Ostkreuz, Boxhagener Platz, Hofgarten