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Minus bei „Aktionsräumen plus“

Die geplante Kürzung der Städtebauförderung könnte Programme zur Aufwertung von Stadtteilen treffen

Jutta Blume
 

Anfang September kündigte die Bundesregierung an, die Mittel für die Städtebauförderung im kommenden Jahr um die Hälfte zu kürzen. Berlin würde demnach statt bisher 30 Millionen nur noch 15 Millionen Euro aus Bundesmitteln erhalten. Prompt kamen Proteste gegen die Sparpläne von den Bauministerien der Länder, vom Deutschen Städtetag sowie von Vertretern des Handwerks, des Baugewerbes und der Wohnungswirtschaft. Der Bauausschuss beschloss Anfang Oktober, die ursprünglich vorgesehenen Mittel von 610 Millionen Euro „nur“ um 150 Millionen zu kürzen.

 

Die Städtebauförderung dient zur Weiterentwicklung der Wohnquartiere und der Städte. Gefördert werden in erster Linie sogenannte investive, also baubezogene Maßnahmen. Auch im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“ fließen die meisten Gelder in die Wohnumfeldverbesserung. Nur ein Bruchteil der Förderung zielt auf sogenannte nicht-investive Bereiche wie Integration, Schule und Bildung, soziales Zusammenleben und Imagebildung. Dem Entwurf der CDU/FDP-Regierung zufolge soll die Städtebauförderung sogar zukünftig auf rein investive Maßnahmen beschränkt werden.

„Insbesondere das Programm ‚Soziale Stadt’ hat in den letzten zehn Jahren erheblich dazu beigetragen, die Abwärtsspirale einiger Quartiere zu stoppen und positive Entwicklungen anzustoßen“, so die Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Petra Rohland. In einigen Gebieten ‚gelang’ das so gut, dass es zu einem rapiden Anstieg der Mieten gekommen ist, etwa im Gebiet des Quartiersmanagements Boxhagener Platz, das Ende 2008 aus der Förderung genommen wurde, oder im Kreuzberger Wrangelkiez, wo sich sowohl die Aktivitäten des Quartiersmanagements (QM) als auch die Auswirkungen des Programms „Stadtumbau West“ bemerkbar machen. Ziel des Letzteren war die Verbindung der beiden Spreeufer zu einem „prosperierenden Wirtschaftsraum“, was unter anderem zur Ansiedlung von Unternehmen der Musikindustrie und zahlreicher Clubs und Kneipen geführt hat. Und während das QM bis 2004 leer stehende Läden im Wrangelkiez an Zwischennutzer vermittelte, werden heute alteingesessene Geschäfte durch mehr als 100%ige Mietsteigerungen zum Wegzug gezwungen.
 

„Aktionsräume plus“ und „Aktive Stadtzentren“

Kreuzberg-Nordost, wo sich der Wrangelkiez befindet, gehört zu den fünf „Aktionsräumen plus“, die der Berliner Senat im Mai 2010 festgelegt hat, und die zum Teil den bisherigen QM-Gebieten übergeordnet sind. In den betreffenden Stadtteilen sollen vorhandene Fördermittel „gebündelt“ werden. Zusätzliche Fördermittel hätte Berlin für die Aktionsräume nicht erhalten, das heißt es wäre nur zu einer Umverteilung innerhalb der Stadt gekommen. Die weiteren „Aktionsräume plus“ sind Neukölln-Nord, Wedding/Moabit, Spandau-Mitte und Nord Marzahn/Nord-Hellersdorf. Angeblich sollen über die Aktionsräume insbesondere die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen in den Gebieten verbessert werden, etwa durch die Ausweitung der Elternlotsenprojekte und lokale Ausbildungsplatzbörsen. Personalkosten werden jedoch nicht finanziert. Damit liegt auch dieses Programm im Trend zur kurzfristigen, projektorientierten Jugend- und Bildungsarbeit, der zuletzt bei der Privatisierung der Kinder- und Jugendeinrichtungen in Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte deutlich wurde.

Ebenfalls betroffen von der Kürzung der Städtebauförderung ist möglicherweise das Programm „Aktive Stadtzentren“, das zu einer Aufwertung von Geschäftsstraßen führen soll. Eine geringe Kaufkraft in den betroffenen Gebieten geht mit Leerständen in Gewerberäumen bzw. der Ausbreitung von Billigläden einher, sodass etwa die Karl-Marx-Straße in Neukölln oder die Turmstraße in Moabit erheblich an Attraktivität verloren haben. Die Umgestaltung der Straßen, etwa durch Verkehrsberuhigung und die Verbreiterung von Gehwegen, soll wieder mehr Händler und damit auch Käufer von außerhalb des Kiezes anlocken. Der Umbau würde aber der Mehrzahl der Bewohner/innen der umliegenden Gebiete kaum zugute kommen, da langfristig mit diesem Programm auf den Zuzug kaufkräftigerer Schichten und damit die Verdrängung ärmerer Haushalte gesetzt wird.

Unabhängig von der Höhe der Kürzung: So lange die Städtebauförderung nur auf dem Niveau der letzten Jahre weiterbetrieben und hauptsächlich Aufwertung angestrebt wird, kann das Problem der unzureichenden Versorgung mit Wohnraum dadurch nicht gelöst werden.
 

MieterEcho Nr. 343 / November 2010


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