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Einmal Caymans und zurück

Vor zehn Jahren nahm der Berliner Bankenskandal seinen Lauf

Benedict Ugarte Chacón
 

Zum Ende des Jahres 2000 ahnte die Bevölkerung noch nichts von dem, was einige Monate später über Berlin hereinbrechen und bis zur aktuellen Finanzmarktkrise als größte deutsche Bankenpleite gelten sollte: der Skandal um die Bankgesellschaft Berlin. Auf einer Pressekonferenz am 8. November 2000 berichtete der damalige Vorstandsvorsitzende Wolfgang Rupf zwar, dass die Bank für das Jahr 2000 ein rückläufiges Betriebsergebnis erwarte, aber dennoch mit einer Dividende von 60 Cent pro Aktie gerechnet werden könne. Hinter den Kulissen war zu diesem Zeitpunkt die Krise bereits in vollem Gang.

 

Bereits am 7. November 2000 diskutierte der Konzernvorstand der Bankgesellschaft eine Vorlage zur „Neustrukturierung der Immobilienaktivitäten“. Aus diesem später vom Journalisten Mathew D. Rose auf Spiegel-Online veröffentlichten Dokument lässt sich herauslesen, dass sich die Bankgesellschaft mit ihren Immobiliengeschäften übernommen hatte und versuchte, über eine gewagte Konstruktion samt Briefkastenfirma auf den Cayman Islands die immensen Verluste ihrer Tochterfirma Immobilien- und Baumanagement der Bankgesellschaft Berlin (IBG) zu kaschieren. In der IBG hatte die Bankgesellschaft ihr gesamtes Immobiliendienstleistungsgeschäft gebündelt. Damit war ein eigener, weit verzweigter Teilkonzern entstanden, der nicht nur geschlossene Immobilienfonds auflegte, sondern sich unter anderem an Stadtentwicklungsmaßnahmen beteiligte. So engagierte sich zum Beispiel die Tochtergesellschaft Wasserstadt GmbH bei den Entwicklungsgebieten „Wasserstadt Oberhavel“ und „Rummelsburger Bucht“. Die IBG war auch über Tochtergesellschaften an der Projektentwicklung der eingebrachten Immobilien und am Vertrieb der Fondsanteile an Anleger beteiligt. Die Finanzierung der Fondsimmobilien lief in nicht unbedeutendem Maß über Teilbanken der Bankgesellschaft. Der gesamte Konzern verdiente somit nicht nur an der Auflage der Fonds, sondern auch an den für die Immobilien ausgereichten Krediten. Und noch einen praktischen Effekt hatte die IBG: Sie fungierte als eine Art Schrottabladeplatz für Immobilien aus notleidenden Krediten der Teilbanken der Bankgesellschaft. Dadurch, dass die IBG ihnen die Objekte abkaufte und in ihren Fonds unterbrachte, verschwanden die faulen Kredite aus der Bilanz. Dass die IBG diese Ankäufe wiederum mit Krediten bei den Teilbanken finanzierte, kam diesen zusätzlich entgegen.
 

Immobilienfonds als Schneeballsystem

Mit den von der IBG aufgelegten geschlossenen Immobilienfonds war die Bankgesellschaft in den 90er Jahren zum Marktführer in Deutschland aufgestiegen und galt ihren Schöpfern aus der Berliner Politik als große Erfolgsstory. Dass der Vertrieb der Fonds so erfolgreich war, lag vor allem an den Garantien, die die IBG den Anteilszeichnern der Fonds gab. So konnten diese ihre Anteile nach 25 Jahren Laufzeit zu 100% der Erwerbssumme an die IBG zurückverkaufen (115% nach 30 Jahren) und zusätzlich garantierte die IBG die Mietzahlungen für die Immobilien für die gesamte Laufzeit. Auch wenn eine Immobilie keine Mieterträge abwarf, war die Rendite der Fondszeichner gesichert. Für die Anleger war dies ein bombensicheres Geschäft, denn hinter der IBG stand die Bankgesellschaft und dahinter das Land Berlin. Allerdings hatte die Erfolgsstory der Bankgesellschaft einen großen Haken. Zwar legte die IBG immer neue und größere Fonds auf und fuhr mit den vereinnahmten Auflagegebühren scheinbar hohe Erträge ein, doch um immer genügend Immobilien „auf Vorrat“ zu haben, kaufte sie in ganz Deutschland und im Ausland wahllos Objekte, die zum Teil von bedenklicher Qualität waren. So befanden sich in den Beständen der IBG bald abgewrackte Wohnungen der ehemaligen „Neuen Heimat“, unsanierte Plattenbauten oder leer stehende Einkaufszentren. Auch wurden fehlgeschlagene Projekte wie die „Wasserstadt Oberhavel“ in den Fonds untergebracht. Den Fondszeichnern konnte das egal sein, doch die IBG musste für die garantierten Mieteinnahmen aus eigener Tasche aufkommen. So entwickelte sich eine Art Schneeballsystem: Aus den Erträgen der neu aufgelegten Fonds wurden die Garantien der alten Fonds bezahlt – bis sich im Jahr 2000 die IBG in einer Schieflage befand, die sich auf den ganzen Bankgesellschaftskonzern auszuwirken drohte.
 

Vertuschung über die Cayman Islands

So also stellte sich die Lage dar, als der Vorstand der Bankgesellschaft im November 2000 die „Neustrukturierung“ in Angriff nehmen wollte. Der Kern der gedachten Konstruktion war die Aufteilung der ursprünglichen IBG in eine Aktiengesellschaft namens IBAG und die sogenannte „IBG alt“. Die Risiken der ursprünglichen IBG sollten bei der „IBG alt“ verbleiben und die von Risiken befreiten Unternehmensteile in die IBAG fließen. An dieser sollten sich dann wiederum Investoren beteiligen und mit dem Verkaufspreis die Risiken der bei der Bankgesellschaft verbleibenden „IBG alt“ abgedeckt werden. Für diesen geplanten Verkauf bediente sich die Bankgesellschaft einer Zweckgesellschaft namens Greico auf den Cayman Islands, die die IBAG zunächst kaufen sollte, um dann weiterveräußert zu werden. Im Februar 2001 hatte sich ein Käufer gefunden – allerdings handelte es sich dabei ebenfalls um eine Gesellschaft mit Sitz auf den Cayman Islands, die den Kauf mit einem Kredit der Luxemburger Tochter der Bankgesellschaft finanzierte. Bei dem Cayman-Deal handelte es sich also um ein In-Sich-Geschäft, mit dem die Bankgesellschaft so tat, als hätte sie einen Investor für die IBAG gefunden. Mit diesem Trick sollten die Verluste bei der ursprünglichen IBG vertuscht werden. Nachdem es innerhalb des Aufsichtsrats der Bankgesellschaft heftige Kritik an dem Geschäft gab und es selbst dem damaligen Finanzsenator Peter Kurth (CDU) zu heiß wurde, machte die Bankgesellschaft den Deal 2001 rückgängig, und die IBAG samt den Risiken der „IBG alt“ blieben dem Konzern erhalten.
 

Skandal auf mehreren Ebenen

Von nun an ging es für die Bankgesellschaft und den Diepgen-Senat bergab. Im Januar 2001 wurde der Cayman-Deal von Mathew D. Rose öffentlich gemacht. Vorher schon waren merkwürdige Vorgänge um die Immobilienfirma Aubis, die zwei ehemaligen CDU-Politikern gehörte, bekannt geworden. In den Monaten Februar und März erreichte der Berliner Bankenskandal seinen Höhepunkt, als neben immer neuen Enthüllungen zur Bankgesellschaft und ihren Immobilienfonds auch herauskam, dass der Fraktionsvorsitzende der CDU, Klaus-Rüdiger Landowsky, der gleichzeitig Vorstandsvorsitzender der Bankgesellschafts-Teilbank BerlinHyp war, 1995 zwei „Parteispenden“ in Höhe von jeweils 20.000 DM von den Geschäftsführern der Aubis entgegengenommen hatte. Die Aubis wiederum war Kreditkunde bei der BerlinHyp und hatte sich von ihr den Erwerb zahlreicher unsanierter Plattenbauten in Ostdeutschland finanzieren lassen. Mit einem wenig seriösen Geschäftsmodell wollte die Aubis die Plattenbauten sanieren und teuer weiterverkaufen. Als dies nicht gelang, kam ihr die Bankgesellschaft zur Hilfe, nahm ihr einen Teil der Immobilien ab und brachte sie in den Garantiefonds der IBG unter. Die Verwicklung Landowskys in die Vorgänge um die Bankgesellschaft wurde von der mitregierenden SPD genüsslich ausgeschlachtet und die sich bereits anbahnende Haushaltskrise im Juni 2001 als Vorwand zum Ausstieg aus der Großen Koalition genutzt. Komischerweise ist es der SPD gelungen, bis heute weder für die Haushaltskrise noch für den Bankenskandal verantwortlich gemacht zu werden. Immerhin saßen auch SPD-Politiker an entscheidenden Stellen bei der Bankgesellschaft, und dass der Berliner Haushalt so aussieht, wie er nun mal aussieht, ist auch der ehemaligen SPD-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing zu verdanken, die übrigens im Aufsichtsrat der Bankgesellschaft nie etwas von der sich anbahnenden Krise mitbekommen haben will.
 

Bankenrettung um jeden Preis

Was nach dem Bankenskandal kam, ist nicht weniger skandalös als die Bankenkrise selbst. Noch im ersten Halbjahr 2001 erklärte die Große Koalition, dass die Bankgesellschaft auf jeden Fall vom Land Berlin gestützt werden müsse. Der nach der Koalitionskrise für kurze Zeit regierende rot-grüne Senat sorgte für eine Kapitalzuführung von 1,75 Milliarden Euro. Die Anfang 2002 folgende rot-rote Koalition machte weiter und verabschiedete das sogenannte Risikoabschirmungsgesetz, in dessen Folge das Land Berlin nach wie vor in einer Höhe von bis zu 21,6 Milliarden Euro für die Risiken aus dem Immobilienfondsgeschäft der Bankgesellschaft bürgt. Damals hieß es, diese Risikoabschirmung sei für Berlin die kostengünstigste Lösung, da sonst die Bank von der staatlichen Bankenaufsicht, die in den Jahren vorher trotz vorliegender Gutachten angeblich auch nichts von der sich anbahnenden Krise mitbekommen haben will, geschlossen würde. Und dies käme das Land noch teurer. Diese Begründung kann richtig sein. Dass aber die Zahlen für die Risikoabschirmung von der Bankgesellschaft selbst berechnet wurden, gibt dem Ganzen einen höchst fragwürdigen Anstrich.
 

Zukunft ungewiss

Die Bankgesellschaft ist mittlerweile verkauft. Vom Erlös sollen die von Berlin übernommenen Risiken der Immobilienfonds aufgefangen werden, die heute in der landeseigenen Berliner Immobilien Holding (BIH) stecken. Das Land Berlin versucht seit Jahren, die BIH an einen Investor zu veräußern, der nicht nur die Immobilien der alten Bankgesellschaft, sondern auch deren Risiken übernimmt – bislang aber ohne Erfolg. Eines bleibt also festzuhalten, auch wenn die Politiker der Regierungsparteien gerne anderes behaupten: Was der Bankenskandal das Land Berlin gekostet hat, kann erst berechnet werden, wenn alle mit den Immobilien übernommenen Risiken abgearbeitet sind. Alles andere ist Augenwischerei.
 

MieterEcho Nr. 344 / Dezember 2010


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