Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

Der polnische Wohnungsmarkt in Zahlen

Privatisierung, Bausubstanz, Wohnraummangel, Bautätigkeit, Wohnkosten, Überbelegung.

Tomasz Konicz
 

Privatisierung:

Die Wohneigentumsquote beträgt in Polen 59,9%. Wohnungsgenossenschaften verwalten 24,3% der Wohneinheiten, von denen sich allerdings nur noch 10% in genossenschaftlichem Eigentum befinden. Der Bestand an kommunalen Wohnungen ist auf 9% abgeschmolzen. Diese Zahlen ermittelte 2008 das Institut für Stadtentwicklung (Instytut Rozwoju Miast). Nahezu vollständig privatisiert wurde der Altbaubestand.
 

Bausubstanz:

Die fehlerhafte polnische Wohnungsbaupolitik hat maßgeblich zum fortdauernden Verfall der Bausubstanz beigetragen. Lange Zeit wurde einseitig auf Privatisierung sowie die Förderung von Wohnungseigentum gesetzt und zur Instandhaltung standen kaum Mittel bereit. Die in den Stadtzentren nach dem Krieg wieder aufgebauten Altbauten weisen zumeist einen schlechten baulichen Zustand auf. Von einem Wohnkomfort wie in den Plattenbausiedlungen, die sich wie ein peripherer Ring um die polnischen Innenstädte legen, kann in den oftmals verschimmelten, mit Kohleöfen beheizten und mit Etagen-WCs ausgestatteten Altbauten keine Rede sein. Das Institut für Stadtentwicklung schätzt, dass sich circa 170.000 der vor 1945 errichteten Mehrfamilienhäuser, in denen 1,3 Millionen Menschen leben, größtenteils in einem baulichen Zustand befinden, der nur als „katastrophal“ bezeichnet werden kann.
 

Wohnraummangel:

Charakteristisch ist der ausgeprägte, dauerhafte Mangel an Wohnraum. Ende 2008 kamen auf 1.000 Einwohner 341,2 Wohneinheiten. Mit diesem äußerst niedrigen Wert bildet Polen im europäischen Vergleich das Schlusslicht. So stehen 1.000 Bürgern etwa in Dänemark 457, in Deutschland 472 und in Frankreich 459 Wohneinheiten zur Verfügung. Selbst in den meisten anderen osteuropäischen Transformationsländern ist die Wohnungssituation längst nicht so angespannt. In Tschechien kommen auf 1.000 Einwohner 435, in Ungarn 424 und in Rumänien immerhin noch 381 Wohneinheiten.
 

Bautätigkeit:

Der auf niedrigem Niveau verharrende Wohnungsbau war bislang nicht in der Lage, die Wohnungsnot signifikant zu lindern – zumal die Weltwirtschaftskrise auch in Polen zu einem Einbruch in der Baubranche führte. So meldete 2009 das Statistische Amt (Główny Urząd Statystyczny) gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang der Bautätigkeit um 18,2% auf 142.901 Wohneinheiten. Diese Zahl mag hoch erscheinen gegenüber den Jahren 1993 bis 2000, als jeweils unter 100.000 Wohneinheiten fertiggestellt wurden. Doch erst der Vergleich zu den 70er Jahren, als in Plattenbauweise bis zu 300.000 Wohneinheiten jährlich entstanden, illustriert den tiefen Einschnitt in der Bautätigkeit im Zuge der Systemtransformation.

Doch nicht allein die geringe Zahl, auch der Strukturwandel des polnischen Wohnungsbaus führt dazu, dass die Schicht der Geringverdiener/innen sich weiterhin mit enormen Problemen bei der Wohnraumbeschaffung konfrontiert sieht.

Der genossenschaftliche Wohnungsbau ist von 85.000 fertig gestellten Einheiten in 1992 auf weniger als 7.000 Wohneinheiten in 2007 abgesackt. Ähnlich verhält es sich mit der kommunalen Bautätigkeit, in deren Rahmen 2007 nur noch 1.800 Wohnungen errichtet wurden.

Der kommerzielle, von Baukonzernen und Investmentgesellschaften betriebene Wohnungsbau erlebte hingegen einen rasanten Aufstieg. 1995 wurden nur 4.200 Wohneinheiten freifinanziert errichtet, 2007 waren es bereits 34.200. Es handelt sich dabei um ein Angebot, das sich hauptsächlich an Besserverdienende richtet.

Die meisten Wohnimmobilien werden aber von Privatpersonen erbaut. 2007 waren es immerhin 53.500 Einheiten, der größte Teil davon Einfamilienhäuser.
 

Wohnkosten:

Billiger Wohnraum bleibt somit im Niedriglohnland Polen, das einen statistischen Durchschnittslohn von knapp 3.200 Złoty (= ca. 800 Euro) aufweist, absolute Mangelware. Laut der polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborcza mussten Mitte 2008 für eine 2-Zimmer-Wohnung in Warschau durchschnittlich 2.220 Złoty aufgewendet werden; in Kraków waren es 1.643 Złoty, in Wrocław 1.900 Złoty und in Poznań 1.470 Złoty. Wenn man bedenkt, dass auch noch Kosten für Strom, Gas und Telefon anfallen, wird ersichtlich, dass Durchschnittsverdiener/innen in Polens Großstädten mehr als zwei Drittel ihres Lohns für die Wohnkosten ausgeben müssen, wollten sie in Verhältnissen leben, wie sie etwa in Deutschland üblich sind.
 

Überbelegung:

Mangelnder Wohnraum und die hohen Mietpreise führen zu einer starken Überbelegung der Wohnungen. Die Volkszählung von 2002 ermittelte, dass nahezu 12 Millionen Einwohner Polens – oder 31,4% der Gesamtbevölkerung – in überfüllten Wohnungen leben, in denen pro Zimmer mindestens zwei Personen wohnen. 3,7 Millionen Polen müssen sich sogar zu dritt ein Zimmer teilen.
 

MieterEcho Nr. 343 / November 2010


Schlüsselbegriffe: Privatisierung, Bausubstanz, Wohnraummangel, Bautätigkeit, Wohnkosten, Überbelegung, polnischer Wohnungsmarkt, Statistik, Wohneigentum, Genossenschaften, kommunale Wohnungen, Wohnungsbaupolitik, Verfall, Institut für Stadtentwicklung, Instytut Rozwoju Miast, Transformation, Wohnungsnot

Teaserspalte

Berliner MieterGemeinschaft e.V.
Möckernstraße 92
10963 Berlin

Tel.: 030 - 21 00 25 84
Fax: 030 - 216 85 15

Email: me(at)bmgev.de

Ferienwohnungen

Unsere Umfrage

Falls sich eine oder mehrere Ferienwohnung(en) in Ihrem Haus befinden, berichten Sie uns davon und schildern Sie Ihre Erfahrungen in unserer Online-Umfrage.