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Auf Kosten der Mieterschaft und der Substanz

Das kapitalmarktorientierte Wohnungsunternehmen Gagfah unter der Lupe

Stefan Kofner
 

Der Wohnungsmarkt in Deutschland hat sich durch die Privatisierungen öffentlicher oder ehemals werksverbundener Wohnungen in den letzten Jahren erheblich verändert. Derzeit ist noch wenig über das allgemeine Wettbewerbsverhalten der kapitalmarktorientierten bzw. von Finanzinvestoren gesteuerten Wohnungsunternehmen bekannt. Daher bietet sich zum Erkenntnisgewinn die Gagfah als Fallbeispiel an. Sie verfügt nicht nur über einen sehr großen und regional weit gestreuten Wohnungsbestand, sondern es handelt sich bei ihr auch um eine kapitalmarktorientierte Aktiengesellschaft. Außerdem liegen die größeren Käufe der Gagfah mittlerweile so weit zurück, dass das Bewirtschaftungsverhalten des Unternehmens über einen gewissen Zeitraum beobachtet werden konnte.

 

Prof. Dr. rer. pol. Stefan Kofner ist Professor für Wohnungs- und Immobilienwirtschaft an der Hochschule Zittau/Görlitz. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Auswirkungen der Privatisierung öffentlicher Wohnungsunternehmen, die Wohnraumversorgung benachteiligter Bevölkerungsschichten sowie die Immobilien- und Finanzkrise.

 
Die Gagfah S.A. – eine nach luxemburgischem Recht gegründete Aktien- und Verbriefungsgesellschaft – ist das Vehikel der Private-Equity-Gesellschaft Fortress zur Steuerung und Finanzierung ihrer in Deutschland erworbenen Wohnungsbestände. Die größten Übernahmen der Fortress waren der Erwerb der Gagfah, der Nileg und der Woba Dresden.
 

Gagfah

Die Gagfah wurde 1918 von der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte zur Förderung des Wohnungsbaus für Angestellte gegründet. Nach der Übernahme von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte wurde sie zum Namensgeber der Aktiengesellschaft nach Luxemburger Recht, mittels derer die Fortress ihre Immobilienbeteiligungen in Deutschland steuert.

 
Die Entwicklung des Wohnungsbestands der Gagfah war bis zum Kauf der Woba Dresden Anfang 2006 sehr dynamisch. Von 2004 bis 2006 gab es in jedem Jahr eine sehr große Übernahme. Seit 2007 stagniert der Wohnungsbestand bei um die 170.000 Einheiten. Hinzu kommen mehr als 20.000 Wohneinheiten, die nicht im Eigentum der Gagfah stehen, aber von ihr verwaltet werden.
 

2007

weitere Zukäufe deutschlandweit

Gagfah erwirbt über 10.000 Wohnungen in Berlin

2006

Fortress erwirbt Woba Dresden

Börsengang der Gagfah S.A.

2005

Fortress erwirbt Nileg

Gagfah kauft 4.300 Wohnungen der LEG NRW

2004Fortress erwirbt die Gagfah
2003Strukturiertes Bieterverfahren für die Gagfah

 

Strategien und Werthebel

Das Geschäftsmodell der Gagfah scheint sich derzeit im Umbruch zu befinden. Einerseits sind wegen der Finanzierungsrestriktionen (niedrige Eigenkapitalquote von etwa 25%, offensive Ausschüttungspolitik, Kreditverknappung aufgrund der Finanzkrise) die Diversifikation und die Erweiterung des Wohnungsbestands durch Käufe weitgehend zum Stillstand gekommen. Auf der anderen Seite sind Immobilienverkäufe bei der Gagfah inzwischen zu einem festen Bestandteil der Geschäftstätigkeit geworden. Nachdem sich 2008 die Zahl der verkauften Wohneinheiten gegenüber dem Vorjahr nahezu verdoppelt hatte, wurde 2009 mit 11.306 verkauften Einheiten eine neue Rekordmarke gesetzt. Wenn die Verkäufe und die Ankäufe allerdings saldiert werden, ist der Bestand im Jahr 2009 mit 6509 Einheiten um 3,8% geschrumpft. Die angepeilte Gewinnmarge soll bei der Veräußerung von Wohnungen mindestens 10% betragen. Im Jahresdurchschnitt 2008 wurde diese Vorgabe mit 33% deutlich übertroffen. Die Margen waren im Jahr 2009 allerdings deutlich rückläufig.

Der größte Teil der Einnahmen der Gagfah stammt aber aus dem Vermietungsgeschäft. Das Unternehmen strebt danach, Wohnungsbestände effizienter als seine Konkurrenten zu bewirtschaften und aus den entsprechenden Wettbewerbsvorteilen Gewinne zu generieren. Alle in Frage kommenden Möglichkeiten, die sogenannten Werttreiber, werden dementsprechend eingesetzt:
•  Verringerung der Verluste von Mieteinnahmen durch schnelle Vermietung leer stehender Wohnungen
•  Mietsteigerungen gemäß §§ 558, 559 BGB sowie bei Neuvermietungen oder vereinbarte Mieterhöhungen wie „Flatrent“ (s. u.)
•  Kostensenkung (z. B. Outsourcing, Verschlankung der Verwaltung, zentrale Beschaffung, Typisierung von Modernisierungsmaßnahmen)
•  Differenzierte Investitionen in Gebäude, Wohnungen und Quartiere
•  Anpassung der Organisationsstruktur

Mietdifferenzen gegenüber der Vergleichs- bzw. Marktmiete versucht man so rasch aufzuholen wie es mietrechtlich zulässig ist. Nach Einschätzung der Gagfah-Geschäftsführung besteht derzeit noch ein Steigerungspotenzial von 10% bezogen auf die gesamten Mieteinnahmen. Der Abstand soll auf 0% verringert werden.


 

Die Gagfah konnte in den vergangenen Jahren bezüglich der Effizienzsteigerung in der Immobilienbewirtschaftung messbare Erfolge vorweisen. Die Entwicklung der Kennzahlen im Jahr 2009 deutet jedoch darauf hin, dass das Potenzial wesentlicher Werttreiber weitgehend ausgereizt sein könnte. Der Leerstand in den Wohnungen des Konzerns hat 2009 erstmals zugenommen. Hier macht sich das Ausbleiben größerer Wohnungskäufe mit dem entsprechenden Potenzial zum Leerstandsabbau bemerkbar. Auch beim Tempo der Mietanpassungen und beim Abbau der Verwaltungskosten hat die Dynamik spürbar nachgelassen.

Die Gagfah verfolgt einen differenzierten Modernisierungsansatz. Modernisierungsinvestitionen unterliegen strengen Wirtschaftlichkeitsanforderungen. Es wird modernisiert, um Leerstand abzubauen, um die Mieten erhöhen zu können (Modernisierungsumlage nach § 559 BGB) oder um die Kosten für die laufende Instandhaltung zu senken. Außerdem können Modernisierungen zur Attraktivitätssteigerung von Großsiedlungen beitragen. Da die Investitionsstrategie der Gagfah auf eine Minimierung des laufenden Instandhaltungsaufwands hinaus zu laufen scheint, dürften sich die Wohnungsbestände im Laufe der Jahre qualitativ auseinander entwickeln. Inzwischen ist der Instandhaltungsaufwand mit einem Niveau von nur noch 6,61 Euro/qm pro Jahr am unteren Ende des in der Branche Üblichen angekommen.
 

Stadtrendite bei der Gagfah

Die Gagfah erbringt wie auch andere Wohnungsunternehmen bestimmte zusätzliche Leistungen mit einem kommunalen Mehrwert:
•  Wohnraumversorgung: Mieter/innen mit Mietrückständen sind so lange willkommen, wie sie kooperieren, d. h. Beratung akzeptieren und danach Wohlverhalten zeigen.
•  Die Gagfah kooperiert mit Schuldnerberatungen.
•  Partizipation: In Hannover-Canarisweg unterhält das Unternehmen einen Mittagstisch für Kinder, einen Kidsclub, einen Fitnessraum und ein Mietercafé. Aktivitäten zur Verbesserung der Teilhabe sind u. a. auch in Dresden, Bielefeld-Sieker, Essen-Bergmannsfeld und Heidenheim entfaltet worden.
•  Partizipative Einbindung: Ein Mieterbeirat soll das partnerschaftliche Verhältnis zwischen Mieter/innen und Vermieter fördern.
•  Pilotinvestor: In Hamburg-Steilshoop leitet die Gagfah den Lenkungsausschuss der Vermieter für die Entwicklung des Stadtteils und das Stadtteilmarketing.

Die Trägerin der Maßnahmen ist in vielen Fällen die gemeinnützige Stiftung „Mensch und Wohnen” der Gagfah. Finanziert werden die Projekte aus den Erträgen des Stiftungsvermögens von 5 Millionen Euro. 2007 wurden vier Projekte im Umfang von 250.000 Euro gefördert. Bei Mieteinnahmen von 927,8 Millionen Euro im gleichen Jahr wird man hier zwar nicht von einem breiten Ansatz sprechen können, das Unternehmen scheint aber bereit zu sein, Mittel für sozial instabile Quartiere aufzuwenden.
 

Dresdner Sozialcharta

•  Zielgruppe: Mieter/innen zum Stichtag der Privatisierung (z. B. bei Mietbegrenzungen)

•  Laufzeit: 10 Jahre (ausgenommen die Belegungsbindungen)

•  Mietbegrenzungen: individuelle und kollektive Kappungsgrenze

•  15% Privatisierungsrabatt beim Verkauf an begünstigte Mieter/innen; Bemessungsgrundlage: Marktwert in unvermietetem Zustand

•  Luxusmodernisierungen: Bezugsgröße ist der im eigenen Bestand in den letzten drei Jahren erreichte Standard

•  Instandhaltung: mindestens 5 Euro/qm jährlich

•  Belegungsbindungen: 8000 Wohnungen für 10 Jahre, Option für weitere 10 Jahre

•  Stadtentwicklung: Beitrag zum Integrierten Stadtentwicklungskonzept (INSEK)/Abriss weiterer 3562 (3881) Wohnungen bis 31. Dezember 2010

•  Weiterverkaufsbeschränkungen: Übertragung von Anteilen für 10 Jahre nur mit Zustimmung der Verkäuferin Stadt Dresden (Ausnahme: verbundene Unternehmen)/ Verpflichtung, mindestens 37.119 WE (78%) 10 Jahre lang zu halten

 

Augenwischerei: Dresdner Sozialcharta

Seit dem Verkauf an die Gagfah bietet die Entwicklung der Woba Dresden Anschauungsmaterial im Hinblick auf die Auswirkungen der kompletten Privatisierung eines kommunalen Wohnungsunternehmens in einer Großstadt. Im Jahr 1992 befanden sich in Dresden noch 106.000 Wohneinheiten in öffentlichem Eigentum. Durch Restitution, Mieterprivatisierung, den Verkauf an Zwischenerwerber und schließlich den Woba-Verkauf (47.600 Einheiten) wurde dieser Ausgangsbestand bis 2006 fast völlig abgeschmolzen.

Die von Privatisierungsbefürwortern immer wieder gelobte Dresdner Sozialcharta, die seinerzeit die Zustimmung des Stadtrats für die Transaktion herbeiführte, weist jedoch aus der Perspektive eines effektiven Mieterschutzes große Schwächen auf:

•  Der Anwendungsbereich der Charta ist sachlich auf die Mieter/innen zum Stichtag der Privatisierung und zeitlich auf 10 Jahre (ausgenommen die Belegungsbindungen) begrenzt.

•  Die kollektive Kappungsgrenze bedeutet für die Woba keine effektive Preisbindung. Es gilt eine auf den Durchschnitt des Gesamtbestands bezogene Mieterhöhungsbegrenzung in Höhe der Inflationsrate zuzüglich 3% pro Jahr. Eine solches Mieterhöhungspotenzial liegt an der Obergrenze des Erwartbaren, zumal Mieterhöhungen nach Modernisierungen darauf nicht angerechnet werden. Nicht vorgenommene Mieterhöhungen können zeitlich unbegrenzt nachgeholt werden. Außerdem begründet die Klausel keine direkten Rechtsansprüche der Mieter/innen. Der beste Schutz gegen Mieterhöhungen ist für die Mieter/innen damit die Bindung an das Vergleichsmietensystem und an das soziale Mietrecht.

•  Der Privatisierungsrabatt für begünstigte Mieter/innen läuft ins Leere, da keine Verkäufe von Wohnungen an Mieter/innen stattfinden.

•  Der festgelegte Instandhaltungsaufwand in Höhe von mindestens 5 Euro/qm jährlich stellte für die Gagfah keine Hürde bei der Akzeptanz der Sozialcharta dar. Im Kostenmietrecht des sozialen Wohnungsbaus werden je nach Alter der Wohnung zwischen 7,10 und 11,50 Euro/qm anerkannt. Kommunale Wohnungsunternehmen wenden durchschnittlich zwischen 14 und 16 Euro/qm für die Instandhaltung auf. Im Gagfah-Konzern sind hingegen Instandhaltungskosten von 6,61 Euro/qm die aktuelle Praxis.
 

Mangelnde Kontrolle der Sozialcharta

Für mehrere Vereinbarungen der Sozialcharta unterliegt die Gagfah weder einer Kontrolle noch einer Auskunftspflicht: Verzicht auf Eigenbedarfs- und Verwertungs-/Abrisskündigungen außerhalb des Rückbauprogramms, angemessener Anteil behindertengerechter Wohnungen, Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen sowie Auftragsvergabe an kleinere und mittlere Unternehmen aus dem Raum Dresden. Auch das Einhalten der individuellen Kappungsgrenze für Wohnungen, deren Mieten um mehr als 20% unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen und für die eine einzelvertragliche Begrenzung der Mieterhöhung auf 70% des gesetzlich zulässigen Maßes besteht, wird nicht kontrolliert. Auf eine Anfrage der Stadträtin Sabine Friedel (SPD) bezüglich der Überprüfung der Einhaltung dieser individuellen Kappungsgrenze antwortete die Dresdner Oberbürgermeisterin mit Schreiben vom 10. Juni 2009: „Die detaillierten Daten liegen der Stadtverwaltung nicht vor und unterliegen auch nicht der Berichtspflicht der Gagfah/Woba. Es greift ein Kontrollmechanismus in der Datenverarbeitung der Gagfah/Woba. Die Stadtverwaltung wird nur bei direkter Ansprache durch die Mieter tätig.“
 

Vorkaufsrecht für Mieter/innen

Es sind keine Fälle von Verkäufen nach vorausgegangener Umwandlung in Wohnungseigentum bekannt geworden. Dagegen werden nicht selten unsanierte Gebäude (oft 20er oder 30er Jahre oder Gründerzeit) an Investoren verkauft, von diesen saniert und nachfolgend als Eigentumswohnungen verkauft. In diesen Fällen greift den Bestimmungen des Kaufvertrags entsprechend das Vorkaufsrecht der Mieter/innen. Die Woba ist verpflichtet, entsprechende vertragliche Vereinbarungen mit dem Käufer abzuschließen, und dieser hat Wohnungen, die dem Bestandsschutz unterliegen, zunächst den Mieter/innen anzubieten, und zwar zum Preis von 85% des Preises einer vergleichbaren nicht vermieteten Wohnung. Das Vorgehen gegenüber Mieter/innen und Öffentlichkeit ist bei Verkaufsfällen jedoch wenig transparent.
 

Mietsteigerungen von 3,3% pro Jahr

Die Durchschnittsmiete wurde von 4,11 Euro/ qm nettokalt in 2005 auf 4,68 Euro/qm in 2009 gesteigert. Das entspricht einer Zunahme von 13,9% innerhalb des Zeitraums von 4 Jahren bzw. einer durchschnittlichen Steigerungsrate von 3,3% pro Jahr. Formal sind die Mieterhöhungen in der Regel nicht zu beanstanden, in letzter Zeit wurde allerdings immer öfter in die „Trickkiste“ gegriffen, z. B. durch Änderungen der Wohnlagen- oder Baujahrgruppenzuordnung. Dies könnte die Folge einer bereits weitgehenden Ausschöpfung der flächendeckenden Erhöhungsmöglichkeiten nach dem Dresdner Mietspiegel sein.

Im März 2010 hat die Woba 6964 Mieter/innen eine sogenannte „Flatrent“ angeboten. Das Angebot war mit einem warnenden Hinweis auf die Verbraucherpreisentwicklung der letzten Jahre verbunden. Es handelt sich um eine freiwillige Vereinbarung mit dem Inhalt, dass die Mieter/innen eine um 10 Euro höhere monatliche Grundmiete zahlen und die Woba im Gegenzug für zwei Jahre auf Mieterhöhungen auf die ortsübliche Vergleichsmiete verzichtet. Mieterhöhungen nach Modernisierungen bleiben davon unberührt. Es dürfte dem Unternehmen hier weniger um die Planungssicherheit der Mieter/innen als um die Möglichkeit gegangen sein, die Miete auch über gesetzliche und vertragliche Grenzen (Sozialcharta) hinaus zu steigern. Die Verunsicherung der Mieter/innen, die mit der Prüfung des Angebots überfordert waren, wurde dabei in Kauf genommen.

Alles in allem ist der effektive Schutz der Mieter/innen durch die Dresdner Sozialcharta in zeitlicher und sachlicher Hinsicht sehr begrenzt. Der Grund dafür liegt in den weit gezogenen Grenzen und vagen Formulierungen im Vertragswerk, die dem Unternehmen große Spielräume für eine opportunistische Auslegung bieten. Der Wettbewerb, die Marktlage und das allgemeine Mietrecht schränken das Gagfah-Woba-Management ohne Frage stärker ein als die zahnlose Charta.
 

Kapitalmarktorientierung und Ausschüttungspolitik

Die Gagfah ist eine Aktiengesellschaft, die von einer Beteiligungsgesellschaft mit dem Ziel der wertsteigernden Bewirtschaftung gesteuert wird. Mit dem Börsengang im Jahr 2006 hat Fortress bereits einen Teil des Investments liquidiert, sprich an Kapitalanleger verkauft. Durch weitere Aktienverkäufe wurde die Beteiligungsquote schrittweise auf 60% gesenkt. Seit dem Börsengang muss Fortress allerdings die Aktienkursentwicklung im Blick behalten: Im Mittelpunkt steht die Maximierung des Shareholder-Values. Die Dividende von 0,80 Euro je Aktie und Jahr ist aber nicht durch Gewinne gedeckt. Im Geschäftsjahr 2009 wurden bei einem Verlust in Höhe von 75,1 Millionen Euro über 180 Millionen Euro an Dividenden ausgeschüttet. Die Ausschüttungen sind selbst dann nicht durch entsprechende Gewinne gedeckt, wenn Abschreibungen einbezogen werden. Wird außerdem berücksichtigt, dass die Gagfah für einen großen Teil ihrer Kredite keine laufenden Tilgungen leistet, lautet der Befund, dass das Unternehmen in erheblichem Maß Ausschüttungen aus der Substanz vornimmt. Diese schränken die Finanzierungs- und die Investitionsmöglichkeiten des Unternehmens empfindlich ein.

In dieser Lage haben die Verantwortlichen die Notbremse gezogen und mit Wirkung vom 2. Quartal 2010 an die Quartalsdividende auf 10 Cent pro Aktie halbiert. Mit der gekürzten Dividende wolle sich das Unternehmen einen finanziellen Puffer verschaffen, hieß es dazu im Zwischenbericht der Gesellschaft.
 

Zukunftsperspektiven der Gagfah

Weil die erwarteten Wertsteigerungen bei den übernommenen Wohnungsbeständen bislang ausgeblieben sind, versuchen Finanzinvestoren wie Fortress ihre finanziellen Beteiligungen schrittweise zu veräußern und gleichzeitig den Druck im Hinblick auf Effizienz- und Gewinnsteigerungen aufrecht zu erhalten. Nach der Erholung der Kapitalmärkte eröffnen sich den Investoren wieder Ausstiegsoptionen in Form von Börsengängen oder des Verkaufs größerer Aktienpakete. Es ist also damit zu rechnen, dass Fortress bei steigenden Aktienkursen weitere Schritte in Richtung Ausstieg unternehmen wird.

Mit der derzeitigen Kapitalausstattung und ihrer ausschüttungsorientierten Dividendenpolitik ist die Gagfah aus der Sicht privater Anleger ein Wert ohne große „Wachstumsphantasie“. Der Mehrheitsaktionär Fortress scheint seine Rendite in erster Linie durch möglichst hohe Dividendenausschüttungen sicher zu stellen. Der damit verbundene Substanzverzehr wird billigend in Kauf genommen.
 

Zum Weiterlesen:

•  Gagfah-Konzern-Geschäftsberichte und Quartalsberichte nebst Anlagen: irde.gagfah.com/phoenix.zhtml

•  Kofner, S. (2008): Wohnimmobilien-Aktiengesellschaften, in: Wohnungswirtschaft und Mietrecht, 61. Jg., Heft 2, S. 68-72.

•  Maier, A. (2007): Der Heuschrecken-Faktor – Finanzinvestoren in Deutschland: Wer sind sie? Wie arbeiten sie? Wer profitiert wirklich?, München: Carl Hanser Verlag.

•  Schreiber, M. (2010): Mieterschreck Gagfah, in: Financial Times Deutschland v. 12.3.2010.


Schlüsselbegriffe: Gagfah, Fortress, kapiatalmarktorientiertes Wohnungsunternehmen, Wohnungsmarkt, Privatisierung, Finanzinverstoren, Aktiengesellschaft, Bewirtschaftung, Private Equity, Nileg, Woba Dresden, Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Übernahme, Werthebel, Eigenkapital, Ausschüttungspolitik, Finanzkrise, Gewinnmarge, Wohnungsbewirtschaftung, Werttreiber, Mieterhöhungen, Mietsteigerungen, Kostensenkung, Outsourcing, Stefan Kofner, Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, Hochschule Zittau/Görlitz, Effizienzsteigerung, Leerstand, Modernisierungsumlage, Instandhaltungsaufwand, Stadtrendite, Stiftung Mensch und Wohnen, Dresdner Sozialcharta, Mieterschutz, Belegungsbindung, kollektive Kappungsgrenze, Sabine Friedel, Vorkaufsrecht, Eigentumswohnungen, Umwandlung in Eigentum, Dresdner Mietspiegel, Flatrent, Kapitalmarktorientierung, Börsengang, Shareholder Value, Dividende, Substanzverzehr