MieterEcho

MieterEcho 334/Juni 2009

Quadrat BERLIN

Modernisierung im großen Stil

Das Märkische Viertel wird rundum erneuert, von der Fassadendämmung bis zur Freiflächengestaltung

Jutta Blume

Das Märkische Viertel ist in die Jahre gekommen. Mit einem groß angelegten Modernisierungsprogramm will die kommunale Wohnungsbaugesellschaft Gesobau in den kommenden Jahren ca. 13.000 Wohnungen sanieren und modernisieren. Schwerpunkt soll dabei die Verbesserung des Energiestandards sein. Parallel fließen Mittel aus dem Programm "Stadtumbau West" in die Neugestaltung öffentlicher Flächen und Gebäude.

Mit durchschnittlichen kalten und warmen Betriebskosten von 3,50 Euro/qm lässt sich im Märkischen Viertel derzeit tatsächlich gut von einer zweiten Miete sprechen. Die Fassaden sind schlecht gedämmt und die Raumtemperatur lässt sich vielfach nur über das Öffnen der Fenster regulieren. Beim Umbau und der Sanierung der Großwohnsiedlung aus den 60er Jahren steht daher die Energieeinsparung im Vordergrund. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gesobau, Haupteigentümerin im Märkischen Viertel, investiert in die Sanierung 440 Millionen Euro. Zum großen Teil stammen die Darlehen von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die energetische Gebäudesanierungen durch zinsgünstige Kredite fördert. Parallel zu den Aktivitäten der Gesobau sollen auch die öffentlichen Gebäude saniert und Freiflächen neu gestaltet werden. Außerdem gibt es Mittel aus dem Förderprogramm "Stadtumbau West", in das der Senat das Märkische Viertel Anfang Januar aufgenommen hat. Die Gelder kommen von der EU, aus dem Bundes- und aus dem Landeshaushalt. Das Märkische Viertel ist nach dem Falkenhagener Feld in Spandau das sechste Gebiet, das Berlin in das Programm aufgenommen hat.

Workshops mit Bewohnerbeteiligung

Während an einigen Hochhäusern bereits gebaut wird, deutet bisher nur eine unscheinbare Ausstellung im Stadtteilzentrum Fontane-Haus auf den Umbau der öffentlichen Plätze hin. Im Gästebuch beschweren sich Besucher/innen über lange Wartezeiten auf dem Bürgeramt oder über "herumlungernde Jugendliche" auf den Tischtennisplatten. Dazwischen finden sich einige wenige Anregungen, etwa zur Gestaltung eines "zentralen Eingangstors" zum Viertel mit überdachten Bushaltestellen und Fahrradständern. Die Stadterneuerungsgesellschaft S.T.E.R.N., die die erste Planungsphase betreut, benennt vier Bereiche, die zukünftig neu gestaltet werden sollen: das Zentrum rund um das Fontane-Haus, die Parks und Brachflächen im Mittelteil, das Sportforum und der Landschaftsraum mit Fuß- und Radwegen. Außerdem sollen Schulen ausgebaut und energetisch saniert und der gesamte Außenraum barrierearm gestaltet werden. Zu den einzelnen Bereichen sind vertiefende Workshops vorgesehen, an denen sich interessierte Bürger/innen beteiligen können. Einzelne Planungen sollen bis 2015 umgesetzt werden. Die vorhandenen Mittel sind, im Vergleich zu den 440 Millionen der Gesobau, gering. Birgit Hunkenschroer von der S.T.E.R.N. rechnet mit Kosten von 13 bis 15 Millionen Euro in den nächsten fünf bis sechs Jahren. "Wir haben allein bei der Sammlung von Projektideen einen Finanzbedarf von etwa 17 Millionen festgestellt", kalkuliert Hunkenschroer, sollten alle Wünsche berücksichtigt werden. Erste Verbesserungsvorschläge, die die Bewohner/innen bei einer Stadtteilversammlung äußerten, betrafen die Sauberkeit, die Qualität der Schulen, die Anbindung an das Umland und eine bessere Beleuchtung der Wege.

Angst vor Mietsteigerungen

Einige Bedenken, die die Mitarbeiter/innen der S.T.E.R.N. zu hören bekommen, richten sich aber auch gegen die Vorhaben der Gesobau. Dabei geht es zum einen um die Angst vor Mietsteigerungen, aber auch um die Ungewissheit, wann man selbst von den Baumaßnahmen betroffen sein wird. Matthias Gaenzer, der Pressesprecher der Gesobau, erklärt, es werde "allenfalls eine geringe Erhöhung der Bruttomiete" geben. Die Modernisierungsumlage von 1,00 bis 1,20 Euro/ qm werde durch die eingesparten Heizkosten wieder wettgemacht. Vorausgesetzt, die Mieter/innen passten ihr Heizverhalten auch den neuen Gegebenheiten an. Bevor die nächsten 3000 Wohnungen fertiggestellt seien, werde die Gesobau eine Energiesparberatung für die Mieter/innen organisieren, verspricht Gaenzer.

Die auf Mietrecht spezialisierte Anwältin Carola Handwerg warnt jedoch davor, den als notwendig bezeichneten Modernisierungsmaßnahmen bedenkenlos zuzustimmen. Neue Fliesen in Bad und Küche, aber auch die Wärmedämmung könnten von einkommensschwachen Mieter/innen als soziale Härte zurückgewiesen werden. Besonders wichtig sei das für ALG-II-Beziehende, falls durch die Modernisierungsumlage die vom Amt gewährten Wohnkosten überschritten würden. Am Ende könne ein Zwangsumzug anstehen. Die Anwältin rät daher, im Zweifelsfall eine unabhängige Mieterberatung aufzusuchen, bevor man einer Modernisierung zustimmt. "In Pankow hat sich die Gesobau sehr unflexibel gezeigt und die Mieter massiv unter Druck gesetzt", erzählt sie von ihren bisherigen Erfahrungen mit der Wohnungsbaugesellschaft.

Keine vorschnelle Zustimmung zur Modernisierung

Für besonders heikel hält Handwerg die Praxis der Gesobau, ihren Mieter/innen die Mietminderung für die Bauzeit erst im Nachhinein zu erstatten. In der Vergangenheit sei die Gesobau oft hinter ihren Versprechungen zurückgeblieben, sagt Handwerg und warnt: "Wenn man die Miete voll bezahlt, kann man sie rückwirkend nicht mehr mindern." Betroffene sollten daher sofort ab Beginn der Bauarbeiten eine entsprechend reduzierte Miete zahlen.

So groß die Freude vieler Bewohner/innen über Verbesserungen im Viertel sein dürfte, so wenig sollten sie sich daher auf ein Rundum-Sorglos-Paket der Gesobau verlassen. Das Vorhandensein einer Beratungsstelle, die Vermittlung von Umzugshilfen für ältere Mieter/innen sowie das Versprechen der Wohnungsbaugesellschaft, die Mietminderung selbstständig gutzuschreiben, wecken zwar Vertrauen, garantieren aber noch lange nicht die Einhaltung der Mieterrechte.

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