MieterEcho

MieterEcho 334/Juni 2009

Quadrat BERLIN

Fast wie im Märchen

Die Cross-Border-Leasing-Geschäfte der BVG kommen Steuerzahler und Fahrgäste vermutlich teuer zu stehen

Benno Kirsch

In den 90er Jahren dachten die Verantwortlichen bei der BVG wohl, sie seien im Märchen "Tischchen deck dich!" gelandet. "Bricklebrit!", riefen sie, und der Esel spuckte Gold. Mit Cross-Border-Leasing-Geschäften schienen Wünsche wahr zu werden.

Unlängst musste die BVG eingestehen, dass aus ihren Cross-Border-Leasing-Verträgen zwar einst Geld sprudelte, man aber jetzt nachschießen muss. Die Pressestelle erklärt es so: "Die BVG hat zur Absicherung der Risiken aus fünf US-Lease-Transaktionen einen CDS abgeschlossen und im Gegenzug ein CDO-Portfolio mit 150 Namen übernommen." CDS steht für Credit Default Swaps und CDO für Collaterized Debt Obligations, aber was das bedeutet, wissen die Verantwortlichen vermutlich selbst nicht so genau. Vielleicht lernen sie es gerade. Fest steht nur eins: CDO und CDS können den Landeshaushalt teuer zu stehen kommen.

Leasinggeschäft mit U- und Straßenbahnen

Die BVG übertrug zwischen 1997 und 2002 ihren Vertragspartnern 427 U-Bahn- und 511 Straßenbahnwagen - ungefähr 60% des Fahrzeugbestands - und mietete sie sofort wieder zurück. Die Laufzeit der Verträge beträgt zwischen 12 und 30 Jahren. Mit diesen Geschäften erzielte man Einnahmen in Höhe von 68,9 Millionen Euro. Anschließend kamen noch Zinsersparnisse in Höhe von 35,1 Millionen Euro hinzu, sodass der Gewinn der BVG 104 Millionen Euro betrug. Die insgesamt 22 Deals liefen also scheinbar wie geplant.

Zuerst hatte man die Geschäfte geheim halten wollen. Doch Mitte 2004 drangen Informationen darüber an die Öffentlichkeit, sodass dem Senat nichts anderes übrig blieb als alles zuzugeben. Dass die Messehallen seit 2000 an den Berlin 2000 Leasing Trust vermietet und sofort wieder zurückgemietet worden waren, war zu diesem Zeitpunkt schon bekannt.

Zweifel der Abgeordneten an Cross-Border-Leasing

Doch einzelne Abgeordnete zweifelten früh an der Seriosität von Cross-Border-Leasing (CBL). Sie befürchteten, dass Änderungen im US-amerikanischen Steuerrecht negative Konsequenzen für den Berliner Vertragspartner haben könnten. Doch der Senat beruhigte die Abgeordneten: "Regelmäßige Vertragsgrundlage solcher Transaktionen ist, dass das Risiko von steuerlichen Änderungen in den USA und das Risiko der Erzielung des geplanten steuerlichen Vorteils von dem US-Investor getragen wird." So richtig diese Einschätzung im Detail war, so darf man dennoch annehmen, dass der Senat insgesamt mit den CBL-Geschäften überfordert war. So war man etwa in Bezug auf die Deals der Messe Berlin GmbH der Ansicht, dass "es sich bei Cross-Border-Lease-Geschäften nicht um ein kreditähnliches Rechtsgeschäft" handele. Vielmehr gehe es um ein Geschäft zwischen zwei Partnern, die ein "Kündigungsrecht" bei "Leistungsstörungen" der jeweils anderen Seite hätten. Darauf kam es jedoch nicht an, wie man heute weiß. Außerdem erklärte der Senat: "Die rechtliche Verpflichtung, laufende Mietraten bzw. den Kaufoptionspreis zu entrichten, wird in der Regel so gestaltet, dass der deutsche Eigentümer seine Zahlungsverpflichtungen wirtschaftlich bereits zum Zeitpunkt des Beginns der Transaktion erbringt."

Risikoverminderung führte zu "Schrott-Papieren"

Die Probleme offenbarten sich erst mit der 2007 beginnenden Finanzkrise. Ganz offensichtlich spielt nämlich die Kreditwürdigkeit der Banken, über die die Geschäfte abgewickelt werden, eine entscheidende Rolle. Kein Problem, beschied noch im Oktober 2008 der Senat, die BVG habe alles im Griff, habe sie doch "hinsichtlich der abgeschlossenen Verträge ein umfassendes Controlling eingerichtet; die Entwicklung der Bankenkrise wird laufend analysiert. Ein direktes Risiko für das Land Berlin bestünde nur, wenn die BVG ihre Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen könnte und für das Land Berlin der Fall der Gewährträgerhaftung einträte."

Allerdings wurden nur wenige Monate später indirekte Risiken zu einem direkten Problem. Es rächte sich, dass die BVG "auf Anraten des Investors einiger US-Lease-Transaktionen im Juli 2007 eine Restrukturierung dieser Verträge mit dem Ziel der Risikoverminderung vorgenommen" hatte. Diese Papiere sind inzwischen als "Schrott-Papiere" verschrien, weil sie wertlos sind. Um die daraus entstehenden Verbindlichkeiten zu bedienen, hat die BVG nun Rückstellungen in Höhe von 200 Millionen US-Dollar gebildet. Nach Einschätzung von Experten ist das Geld vermutlich verloren.

Fahrpreiserhöhungen wegen Cross-Border-Leasing

2008 hat die BVG 247 Millionen Euro Verlust gemacht, davon allein 156 Millionen Euro wegen ihrer CBL-Deals. BVG-Chef Sturmowski hat dem Vernehmen nach für 2010 Fahrpreiserhöhungen gefordert, auf Senatsseite wird darüber nachgedacht, den Zuschuss um 30 Millionen Euro zu erhöhen. Thilo Sarrazin, der zu diesem Zeitpunkt noch Finanzsenator war und als Aufsichtsratsvorsitzender der BVG die Geschäfte abgesegnet hatte, war verärgert. Er kündigte an, dass er prüfen lassen wolle, ob er die beteiligten Banken wegen schlechter Beratung verklagen kann. Inzwischen hat er sein Amt aufgegeben und seinem Nachfolger Ulrich Nußbaum überlassen, das Märchen zu einem guten Ende zu bringen. Holt der Neue jetzt den Knüppel aus dem Sack?

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