MieterEcho

MieterEcho 334/Juni 2009

Quadrat BERLIN

Bahn frei dem Verkehrsinfarkt

Der Ausbau der Autobahn A 100 schreitet voran

Benedict Ugarte Chacón

"Ein Projekt für ganz Berlin" soll der Autobahnausbau sein. So steht es in den Broschüren der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Die Planungen dafür gehen teilweise bis in die 50er Jahre zurück. Als nächstes soll der 16. Bauabschnitt angegangen werden, die Planungsunterlagen lagen von März bis April in den Amtsstuben aus, und bis Mitte April gingen rund 2500 Einwendungen gegen dieses Projekt bei der Senatsverwaltung ein. Der Autobahnausbau wird seit Jahrzehnten von Protesten begleitet.

Der 16. Bauabschnitt beinhaltet 3,2 km der A 100 zwischen dem Autobahndreieck Neukölln und der geplanten Anschlussstelle am Treptower Park. An der Grenzallee und an der Sonnenallee sollen weitere Anschlussstellen entstehen. Mit dem Bau soll 2011 begonnen werden. Die Senatsverwaltung geht davon aus, dass nach dessen Fertigstellung im Jahr 2017 täglich 100.000 Kfz zwischen dem Autobahndreieck Neukölln und der Anschlussstelle Sonnenallee sowie 60.000 Kfz zwischen den Anschlussstellen Sonnenallee und am Treptower Park verkehren werden. Der 17. Bauabschnitt soll dann von der Anschlussstelle Am Treptower Park über die Elsenbrücke vorbei am Ostkreuz teilweise in Tunneln zur Frankfurter Allee führen. Erst nach dessen Fertigstellung wären nach Angaben des Senats die versprochenen Entlastungen für die betroffenen Stadtteile erreicht. Allerdings kann der Senat derzeit noch nicht sagen, wann dieser 17. Abschnitt gebaut werden wird, da die Finanzierung dafür noch nicht steht.

Was die angebliche Notwendigkeit des Ausbaus der A 100 betrifft, sagte die Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD), dass sich der Verkehr zurzeit "Wege durch Stadträume, die nicht dafür geeignet sind" suche. Dort seien "sehr viele Menschen (...) von Luftschadstoffen und Lärm der Kraftfahrzeuge betroffen". Der Autobahnausbau werde die Lebensqualität dieser Menschen verbessern. Dies gehe allerdings nur "im Zusammenspiel mit anderen Maßnahmen". Was genau das für Maßnahmen sein sollen, dazu gibt es aus dem Hause Junge-Reyer keine allzu genauen Angaben. Es steht jedoch fest, dass die Autobahn künftig einige Jahre lang, also bis der 17. Abschnitt fertig ist, in der Nähe der Elsenbrücke enden soll, einer Gegend, die jetzt schon wegen des vielen Verkehrs stark belastet ist. Laut Senatsverwaltung wird der Verkehr dort noch um 10% zunehmen. Kritiker befürchten deshalb die Zunahme von Staus und Schleichverkehr in den angrenzenden Wohngebieten. Trösten können sich die davon betroffenen Anwohner/innen immerhin mit dem Hinweis der Senatsverwaltung, dass diese neue Verkehrssituation "ein großer Gewinn für den Treptower Park" sei.

Bürgerschaftliches Engagement gegen den Ausbau

Seit über 30 Jahren gibt es bürgerschaftlichen Protest gegen den Autobahnausbau. Je näher der Baubeginn rückt, desto vielfältiger sind die Aktionen geworden. Viele Anwohner/innen befürchten eine Verschlechterung ihrer Lebensqualität, Kleingärtner/innen wollen sich nicht vertreiben lassen, und viele Bewohner/innen der Häuser, die im Zuge des Ausbaus abgerissen werden sollen, wollen nicht wegziehen. Die Bürgerinitiative Stadtring Süd (BISS) bündelt diese Proteste. Sie hat bislang Kundgebungen, Fahrraddemonstrationen und Informationsveranstaltungen organisiert. Auch mischt sie sich mit eigenen Stellungnahmen in die Diskussion ein und rief die Bürger/innen dazu auf, möglichst viele schriftliche Einwände bei der Senatsverwaltung einzubringen.

Unterstützung bekommen die widerspenstigen Bürger/innen von Bündnis 90/Die Grünen. Ein Gutachten, das die verkehrspolitische Sprecherin Claudia Hämmerling in Auftrag gegeben hatte, gibt den Kritiker/innen recht. Darin heißt es zum Beispiel zum Thema Luftschadstoffbelastung: "Die autobahnnahen Straßenabschnitte an den geplanten Anschlussstellen (Sonnenallee und Elsenstraße) sind im Planfall des 16. BA (Bauabschnitt) und Prognosefall des 17. BA höher belastet als im Nullfall." Es sei bisher nicht sichergestellt, dass "die Einhaltung der Grenzwerte gewährleistet ist". Zudem geht aus dem Gutachten hervor, dass der Senat nicht in der Lage war, vernünftige Verkehrsprognosen zu treffen. Claudia Hämmerling sowie der grüne Bezirksbürgermeister Franz Schulz halten den geplanten Autobahnausbau für rechtlich angreifbar. Mittlerweile haben sich auch die SPD und die Partei Die Linke gegen den Ausbau ausgesprochen. Die BISS hat angekündigt, dass der Bund für Umwelt und Naturschutz gegen das Vorhaben klagen wird.

Den Argumenten der Autobahngegner/innen hat Junge-Reyer außer bunten Broschüren und seichten Verlautbarungen nichts entgegenzusetzen. Daraus, wie sie bisher mit Kritiker/innen - etwa jenen, die sich gegen das künftig über die Autobahn zu erreichende Projekt Mediaspree aussprachen - umgegangen ist, kann getrost geschlossen werden, dass sich die stets etwas überforderte Senatorin auch bei diesem Projekt nicht allzu geschickt verhalten wird.

Weitere Infos: www.stop-A100.de

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