MieterEcho

MieterEcho 334/Juni 2009

Quadrat BERLIN

Formulierungen lieber genau abwägen

Mieterprotest im Internet: Mächtiges Druckmittel oder unkontrollierbarer Bumerang?

Tobias Höpner

Der Hauseigentümer kündigt eine Luxusmodernisierung an oder ein neues Bauprojekt droht den Charakter des Wohnumfelds zu verschlechtern. Von Anwohnerinitiativen wird meist schnell eine Website oder ein Blog geschaffen. So manches Mal ist der für den Protest erstellte Internetauftritt besser in den Suchergebnissen von Google und Co. gelistet als die Website des Investors oder Vermieters. Über die Protest-Website können Personen, die sich für die angebotenen Eigentumswohnungen interessieren, gleich von den dubiosen Machenschaften der Hauseigentümer erfahren - und sich einen Kauf besser noch einmal überlegen.

So sahen sich die Anwohner des neuen Bauprojekts Engelgärten an der Dresdner Straße in Mitte mit einer ihrer Meinung nach sehr engen Bebauung konfrontiert. Flugs wurde der offiziellen Website www.engelgaerten.de die Protest-Website www.engel-gaerten.de gegenübergestellt. Dort wurde ausführlich das Thema Verschattung behandelt. Kein gutes Licht warf dies auf die Vermarktungsaussichten der Immobilienentwickler. Die Bauherrin, die BWD Objektgesellschaft, ging juristisch gegen die Anwohnerinitiative vor. Eine lange Liste all jener Behauptungen wurde aufgestellt, die die Initiative von ihrem Internetauftritt zu streichen habe. Die Initiative nahm ihre Veröffentlichung zur juristischen Schadensbegrenzung zunächst komplett aus dem Netz. Später trafen sich die Anwälte der Kontrahenten, es wurde verhandelt, und schließlich einigte man sich auf einen Kompromiss. Den Anwohner/innen wurde zugesichert, dass ein in unmittelbarer Nähe geplantes Gebäude deutlich kleiner ausfallen sollte. Offenbar waren die Entwickler derart an einer Rücknahme des Protests interessiert, dass sie im Gegenzug sogar bereit waren, von Teilen ihrer Pläne abzurücken.

Teurer Rechtsstreit

Das genannte Beispiel macht zweierlei deutlich: Einerseits können Initiativen es sich nicht unbedingt leisten, eine juristische Auseinandersetzung zu wagen, denn die Gegenseite ist finanziell meist haushoch überlegen. Andererseits scheinen Entwickler so manches Mal auch einen schlechten Ruf zu fürchten - vermutlich besonders dann, wenn die Vermarktung eines Vorhabens nicht so gut läuft wie erhofft.

Abmahnungen und einstweilige Verfügungen

Mit juristischen Drohungen mussten sich jüngst auch andere Anwohnerinitiativen auseinandersetzen. Die Mieter der Eisfabrik an der Köpenicker Straße in Mitte hatten am Tag des offenen Denkmals im vergangenen Herbst eine öffentliche Führung angeboten (siehe MieterEcho Nr. 330). Die Hobbydenkmalpfleger wurden von den Eigentümern unter Druck gesetzt, da diese keine öffentliche Veranstaltung auf dem Grundstück duldeten.

Auch in der Wilhelmstraße in Mitte, wo sich Mieter/innen gegen die Umwandlung von Wohnungen in Ferienwohnungen zur Wehr setzen (siehe MieterEcho Nr. 333), drohten die Eigentümer bereits mit juristischen Mitteln. So berichtet der Vorsitzende des Anwohnervereins, Daniel Dagan, dass ihm und seinen Mitstreiter/innen untersagt worden sei, von einer "Hotelnutzung" zu sprechen. Seitdem ist also von einer ausufernden "hotelähnlichen Nutzung" der Wohnanlage die Rede. Auch seien lokale Medien wie TVB oder der Berliner Kurier unter Androhung juristischer Schritte dazu bewegt worden, kritische Beiträge aus den Internetarchiven zu entfernen.

Was können Anwohnerinitiativen also tun, um nicht allzu leicht mit Klagen überzogen zu werden? Denn auch wenn derartige Reaktionen oft ein Zeichen dafür sind, einen schwachen Punkt der Vermieter oder Bauherren erwischt zu haben: Wünschenswert wäre es, selbst weniger angreifbar zu sein.

Zunächst ist es wichtig, sich den Unterschied zwischen Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen klarzumachen. Meinungsäußerungen sind grundsätzlich frei, solange sie nicht ehrverletzend oder verleumderisch wirken. Tatsachenbehauptungen müssen jedoch belegbar sein. Können sie von Seiten der Immobilienbesitzer glaubhaft bestritten werden, drohen teure Abmahnungen und einstweilige Verfügungen. Daher ist es ratsam, nicht eindeutig belegbare Behauptungen im Gewand einer Meinungsäußerung zu formulieren: 'Man habe den Eindruck, etwas verhalte sich so und so' usw. Auch der Gebrauch des Konjunktivs könnte Ärger vorbeugen.

Rechtsschutzversicherung sinnvoll

Wird jedoch das Feld der juristischen Spitzfindigkeiten über einzelne Begrifflichkeiten betreten, wie es im Fall der Wilhelmstraße war, können keine pauschalen Tipps gegeben werden. Leider hilft eine das Mietrecht betreffende Rechtsschutzversicherung, wie sie die Mitgliedschaft in der Berliner MieterGemeinschaft bietet, auch nicht weiter, wenn es um Fragen des Presserechts geht. Die finanziellen Risiken bleiben also an der Initiative hängen, solange keine allgemeine Rechtsschutzversicherung besteht.

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