MieterEcho

MieterEcho 334/Juni 2009

Quadrat EDITORIAL

Liebe Leserinnen und Leser,

der Mietspiegel wurde diesmal vorzeitig verkündet. Zunächst hatten sich die Senatsverwaltung und die Verbände der Mieter und Vermieter auf den 9. Juli 2009 als Datum der Veröffentlichung geeinigt, vollkommen überraschend aber zog die Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer den Termin um mehr als einen Monat vor. Über ihre Beweggründe kann nur spekuliert werden. Doch es mag nicht unwahrscheinlich sein, dass sie die Europawahl durch das scheinbar moderate Ergebnis des aktuellen Mietspiegels zugunsten ihrer Partei beeinflussen wollte. Womöglich ist ihr das sogar gelungen, denn gemessen an ihrer Wohnungspolitik kommt der Einbruch der SPD noch einem kleinen Triumph gleich. Das jahrelange devote Erfüllen der Vermieterinteressen hätte eine noch viel deutlichere Abstrafung verdient.

Wohnungspolitik ist in dieser Stadt von der rot-roten Koalition jahrelang vernachlässigt worden, wenn man die Verkäufe öffentlicher Wohnungsbauunternehmen nicht als Wohnungspolitik bezeichnen will. Drastische Folgen werden sich in nächster Zukunft einstellen. Bereits jetzt wird die Wohnungssuche wieder zu einem Abenteuer, Wohnungsmarktberichte verzeichnen steigende Mieten und prognostizieren eine Anspannung auf dem Wohnungsmarkt. Die Investoren nehmen es mit Freude zur Kenntnis und die Berliner/innen werden es bald an ihren ohnehin nicht sehr reichhaltig gefüllten Geldbeuteln spüren. Ein Umdenken ist erforderlich. Wohnungspolitik ist Sozialpolitik und hat nichts, aber auch gar nichts mit betriebswirtschaftlichem oder marktorientiertem Denken zu tun. Diese Einsicht bedurfte der Erfahrung des Elends in den Arbeiterwohnungen im 19. Jahrhundert und eines Austauschs der politischen und gesellschaftlichen Eliten durch den ersten Weltkrieg. Ein hoher Preis, der aber die politisch Verantwortlichen in diesem Land und insbesondere in dieser Stadt nicht gehindert hat, den Weg zurück, zur ungehinderten Vermarktung der Wohnungen, einzuschlagen. Deutschland ist das einzige Land, in dem öffentliche Wohnungsbaugesellschaften verkauft wurden und Berlin ist die Stadt, in der dieses obszöne Geschäft am exzessivsten betrieben wurde.

Die Entwicklung des Wohnungsmarkts muss betrachtet werden, denn der aktuelle Mietspiegel ist ein Zerrspiegel. Zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung lädt die Redaktion deshalb ein.

Ihr MieterEcho

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