MieterEcho

MieterEcho 333/April 2009

Quadrat BERLIN

Zwischennutzung als Schuldschein

Fundus profiliert sich am Tacheles mit leeren Versprechungen

Jutta Blume

Zwischen Friedrichstraße und Oranienburger Straße hatte die Fundus-Gruppe der Familie Jagdfeld einst große Pläne. Ein gehobenes und historisierendes Stadtquartier im Stil des „New Urbanism“ war seit 1998 geplant. Damit einher ging die Verpflichtung, das Kunsthaus Tacheles zu erhalten. Doch bis heute wird nicht gebaut, und das Kunsthaus soll zwangsversteigert werden. Die Künstler/innen stehen seit Januar ohne Mietvertrag da.

„Bis Dezember wurde uns noch signalisiert, es würde einen neuen Mietvertrag geben“, erzählt Tacheles-Sprecherin Linda Cerna. Stattdessen erhielt der Trägerverein Anfang Januar die schriftliche Aufforderung zur Schlüsselübergabe. Die Künstler/innen bleiben aber bislang gelassen, da es keinen gerichtlichen Räumungsbeschluss gibt. Wenn es zur Zwangsversteigerung kommt, will der Verein das Haus am liebsten selbst kaufen. Die 300.000 Euro, die die Kunstschaffenden bisher in das Gebäude investiert haben, möchten sie dabei als Anzahlung verstanden wissen. „Längerfristiges Ziel wäre es, das Haus in eine Stiftung zu überführen“, sagt Cerna. Das Tacheles soll auf diesem Weg als unabhängiges Kunsthaus erhalten bleiben. „Fakt ist, dass die Künstler das Gebäude gerettet haben. Daher ist es nicht einzusehen, dass ein Investor einfach nur den Namen übernimmt.“ Der Name ist schließlich weltbekannt und findet sich in fast jedem Berlin-Reiseführer.

Vereinsmitglieder mutmaßen, dass die Familie Jagdfeld doch noch ein Auge auf ein entmietetes Tacheles hat. Dem soeben erschienenen „Schwarzbuch Fundus“ zufolge vermutet der Künstler Leopold Anton hinter der Zwangsverwaltung des Tacheles-Geländes nur einen strategischen Zug der Fundus-Gruppe mit dem Ziel, aus dem ursprünglichen Investitionsvorhaben mit einem Luxushotel, Büros und Stadtvillen auszusteigen und nur noch die attraktivsten Einzelgrundstücke zu entwickeln. Gegenüber dem Senat hatte sich die Fundus-Tochter Johannishof Projektentwicklungs GmbH ursprünglich zur Bebauung des gesamten Geländes verpflichtet. Durch eine Versteigerung einzelner Grundstücke könnte dies nun unterlaufen werden. Andere Unternehmen der Fundus-Gruppe, die mehrheitlich Familienmitgliedern von Anno August Jagdfeld gehören, könnten das Tacheles wieder ersteigern, um es schließlich in ein „Kunsthaus Jagdfeld“ umzuwandeln. Entsprechende Ambitionen scheinen in der Familie, zu der einige Kunstsammler gehören, durchaus vorhanden. Noch dazu wäre die Fundus-Gruppe, würde sie das Haus zu einem niedrigeren Preis ersteigern, einen Teil ihrer Schulden los.

Stutzig macht die Vereinsmitglieder des Tacheles auch, dass Anno August Jagdfeld in seinem eigenen Gläubigerkonsortium sitzt. Als Schuldnerin der Johannishof Projektentwicklungsgesellschaft sei nicht nur die HSH Nordbank im Grundbuch eingetragen, sondern auch die Bredero Deutschland GmbH, deren Geschäftsführer wiederum Anno August Jagdfeld ist. Tacheles e.V. äußerte daher in einem offenen Brief an die Staatsanwaltschaft Berlin Betrugsverdacht gegenüber den beiden Fundus-Unternehmen. Das Schwarzbuch Fundus beleuchtet aber nicht nur die Verflechtungen rund um das Tacheles, sondern um eine ganze Reihe von Fundus-Immobilien und Projekten, allein sieben davon in Berlin.

Das Schwarzbuch Fundus (6 Euro Schutzgebühr) ist erhältlich beim Tacheles e.V., Oranienburger Str. 54 – 56a oder per E-Mail an: office@tacheles.de

Tacheles

Durch ihre Besetzung am 13. Februar 1990 verhinderte die Künstlerinitiative Tacheles die geplante Sprengung der Kaufhausruine an der Oranienburger Straße. Das Tacheles hat sich seitdem zu einem populären Kunst- und Veranstaltungsort entwickelt. 1998 handelte Tacheles e.V. einen Mietvertrag über zehn Jahre mit dem Eigentümer, der Fundus-Gruppe, aus und will das Gebäude auch zukünftig bewirtschaften. Die Gegend um das Tacheles, die Spandauer Vorstadt, wurde seit Anfang der 90er Jahre gentrifiziert. Das Tacheles dürfte dabei Pionierwirkung gehabt haben.

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