MieterEcho

MieterEcho 333/April 2009

Quadrat EDITORIAL

Liebe Leserinnen und Leser,

in vielen Bezirken wurden in den vergangenen Jahren Geschäftsräume aufgegeben, weil das Kleingewerbe nicht gegen die großen Discounter konkurrieren kann und die Kundschaft die etwas höheren Preise der kleinen Anbieter in den Seitenstraßen nicht mehr zu bezahlen vermag. Solche Leerstände, die nicht ohne Charme den Gebieten einen Hauch von Zweckfreiheit jenseits der dominierenden Verwertungslogik mitteilen, geraten seit geraumer Zeit in den Fokus vielfältiger Interessen. Hausbesitzer bekommen Unterstützung bei der Vermietung durch das Quartiersmanagement, die Politik hat darin Orte für neue Inhalte des Stadtmarketings entdeckt und Gewerberaumsuchende finden ein günstiges Ambiente für ihre kreativen beruflichen Tätigkeiten. Die Mieter/innen der vormals leer stehenden Gewerberäume werden oft Zwischennutzer genannt. Als Exoten mieten sie sich in den sozial vernachlässigten Quartieren ein, in der Hoffnung, hier die wirtschaftlichen Voraussetzungen für einen Umzug in prestigeträchtigere Gegenden zu schaffen. Oder sie wirken mehr oder weniger bewusst an der Aufwertung der anfangs noch schäbigen Umgebung mit - um irgendwann aufgrund der steigenden Mieten an anderer Stelle die nächste temporäre Räumlichkeit suchen zu müssen.

Diesen Angehörigen der Kreativwirtschaft werden seit Kurzem aufwendige Untersuchungen des Bundes und des Landes Berlin gewidmet, weil sie nach offizieller Lesart die Hoffnungsträger für neue wirtschaftliche Aufschwünge sind. Manche sehen in ihnen die Exekutoren auch des letzten Restes von arbeitsrechtlichen Regulierungen. Teile der Kreativwirtschaft selbst betrachten den Rückzug des Sozialstaats angeblich als Voraussetzung für schöpferische Selbstverwirklichung. So stellen es jedenfalls - nicht zweckfrei - diejenigen dar, die vom allgemeinen Dumping der Arbeitskosten und von der hohen selbstausbeuterischen Arbeitsmotivation profitieren.

In diesem MieterEcho werden einige Blicke auf die Problematik der Kreativwirtschaft sowie der damit eng zusammenhängenden Prekarität geworfen. Zu befürchten ist, dass hier Standards für die Arbeitsgesellschaft der Zukunft verwirklicht werden. Deshalb ist das Thema wichtig und sollte auch zukünftig immer wieder Gegenstand der Betrachtung sein.

Ihr MieterEcho

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