MieterEcho 332/Februar 2009: Maulkorb für Genoss/innen
Marina Böhm*, Mitglied der Charlottenburger Baugenossenschaft eG
Im November 2008 wurden die Vertreter/innen der Charlottenburger Baugenossenschaft eG vom Vorstand zu einer Informationsveranstaltung über „Aufgabenverteilung und Kompetenzbegrenzung zwischen Aufsichtsrat, Vorstand und Vertreter/innen der Genossenschaft“ eingeladen. Referentin war Sabine Degen, Justiziarin beim Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V. (BBU).
An diesem Abend konnten die Vertreter/innen lernen, dass ihre Hauptaufgaben darin bestünden, den Vorstand und den Aufsichtsrat zu entlasten und eine geänderte Satzung zu verabschieden. Kerngeschäft des Vorstands sei und bleibe die Geschäftsführung. Da hätten Mitglieder nicht im Geringsten mitzureden. Damit der Vorstand auch künftig die Fäden in der Hand behält, wies Frau Degen nachdrücklich auf die Mustersatzung des GdW (Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen) hin, die offenbar nur unwesentlich verändert in die Satzung der Charlottenburger Baugenossenschaft eG übernommen werden soll. Diese Mustersatzung erleichtert die Arbeit eines Vorstands immens, denn sie sieht eine Mitbestimmung der Mitglieder nur dann vor, wenn sie im Genossenschaftsgesetz enthalten und damit bindend ist. Dass eine Satzung den Mitgliedern mehr Rechte zubilligen und dem geschäftsführenden Vorstand Grenzen setzen könnte, erwähnte Frau Degen nicht. Sie hatte stattdessen an jenem Abend noch eine andere Information auf Lager. Im Rahmen der Treuepflicht gegenüber der Genossenschaft sei es Vertretern untersagt, Gruppen zu bilden, soll heißen: Vertreter dürfen sich nicht versammeln, um über die Themen und Probleme der Genossenschaft zu reden. Auch auf Hinweise von anwesenden Vertreter/innen, dass die Versammlungs- und Meinungsfreiheit ein im Grundgesetz verbrieftes Menschenrecht von Bürger/innen in einer demokratischen Gesellschaft sei, ging sie nicht ein, sondern verwies pauschal auf Kommentare zum Genossenschaftsgesetz. Eine Nachfrage, ob dies auch für schriftliche Publikationen in Form einer „Informationsschrift von Vertretern“ gelte, beantwortete Frau Degen mit einem ganz eindeutigen und klaren Ja.
Sollten sich diese Vorstellungen wirklich durchsetzen, würden Grundrechte wie das der Meinungsfreiheit außer Kraft gesetzt. Die genossenschaftliche Mitbestimmung wäre nur noch Bestandteil einer vergangenen Demokratie.
* Name von der Redaktion geändert.